Jürgen Wächter

Angst im Systemwechsel - Die Psychologie der Coronazeit


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auf die Erkenntnis, dass Bedürfnisse insgesamt die Grundlage der menschlichen Motivation darstellen, seine Theory of human motivation auf.51 Berühmt geworden ist er dabei besonders mit seiner Bedürfnispyramide, einem Stufenmodell der menschlichen Motivation. Er geht davon aus, dass es fünf Stufen unterschiedlicher menschlicher Bedürfnisse gibt. Auf der untersten Stufe die physiologischen Grundbedürfnisse (Nahrung, Wasser, Wärme etc.), auf der zweiten die Sicherheitsbedürfnisse (Schutz, Stabilität etc.), auf der dritten dann die sozialen Bedürfnisse, wie Zugehörigkeit, Liebe, soziale Anerkennung etc. Stufe vier umfasst die Individualbedürfnisse (Freiheit, Unabhängigkeit, Erfolg, Selbstbewusstsein, Respekt, Prestige, ästhetische und Wissensbedürfnisse etc.) und schließlich findet sich auf der obersten Stufe die Selbstverwirklichung.

      Maslow ging davon aus, dass eine Stufe nur erreicht werden kann, wenn sämtliche Bedürfnisse der jeweils darunter liegenden Stufe befriedigt sind. Dies ist bis zu einem gewissen Grad einleuchtend. Stellen wir uns einen armen Slumbewohner in Kalkutta vor, der jeden Tag darum kämpfen muss, überhaupt etwas zu essen zu haben. Er wird allein damit beschäftigt sein, seine Grundbedürfnisse irgendwie zu decken, um zu überleben. Der Gedanke, sich selbstverwirklichen zu wollen, ist so weit von ihm entfernt, dass er ihn wohl überhaupt nicht kennt. Traurig, dass Menschen auf unserem reichen Planeten noch heute auf dieser Stufe feststecken müssen.

      Bedürfnispyramide nach Maslow

      Haben wir eben vorerst die Angst definiert als subjektives Empfinden möglichen Verlustes, so können wir dies nun präzisieren: Angst ist das subjektive Gefühl der Möglichkeit eines Verlustes von erreichten Positionen auf der Skala der Bedürfnisbefriedigung. Schauen wir uns einmal an, was das in der Coronazeit bedeutet:

      1. Grundbedürfnisse

      Angst, dass die Befriedigung der Grundbedürfnisse einmal nicht mehr so sicher sein könnte, besteht trotzdem. Vor dem ersten Lockdown, und abgeschwächt auch beim zweiten, kam es zu einem panikartigen Kauf von lange haltbaren Überlebensmitteln wie Nudeln, Reis, Mehl, Hefe und Konserven. Die Regale in manchen Supermärkten waren über viele Tage völlig leer. Ebenso geschah es skurriler Weise mit Toilettenpapier, das lange nicht erhältlich war und danach dann erst nur zu exorbitanten Preisen. Es ging der Witz um: „Die Italiener decken sich mit Rotwein ein, die Franzosen mit Kondomen und die Deutschen mit Toilettenpapier.“ Jeder halt mit dem, was man in der Not braucht. Die Lage hatte sich bald wieder entspannt, gab jedoch einen Vorgeschmack, was bei einem Zusammenbruch der Wirtschaft oder längeren Lockdowns geschehen kann, und dass eine Angst vor einer Nichtbefriedigung der Grundbedürfnisse latent vorhanden ist.

      Gleichwohl sind derzeit unsere Grundbedürfnisse, rein sachlich betrachtet, völlig gedeckt. Doch nein! Was ist denn mit der Gesundheit und dem Leben? Maslow führt beide in seiner Bedürfnispyramide nicht auf, als wenn es da kein Bedürfnis gäbe. Man kann sich tatsächlich streiten, ob Leben und Gesundheit eine Stufe in der Bedürfnispyramide darstellen oder ob sie der Sinn sind, wofür es die Bedürfnisse überhaupt gibt. Aber das ist eine rein philosophische Betrachtung ohne wirkliche Notwendigkeit. Fakt ist jedoch, dass Leben und Gesundheit unsere allertiefsten Sehnsüchte darstellen. Die Angst vor dem Tod ist die größte und