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Filmgenres: Horrorfilm


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triebgeleitete Variante des tödlichen Liebhabers. Nach Terence Fishers Dracula (1958), der für sich genommen nichts Besonderes darstellte, aber als Auftakt der Hammer-Serie berühmt wurde, arbeitete sich Hammer Production bis in die siebziger Jahre daran ab, den blutsaugenden Grafen jeglicher Subtilität zu entkleiden. Der Mythos tritt in den Hintergrund und wird bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Sex & Crime, Blut und Gewalt füllen die Leinwand mit den Vorboten eines Horrors, der keinen Mut hat, Pornographie zu sein, und es darum bei feuchtfröhlichen Anspielungen der schlichteren Art belässt. Dracula jagt Minimädchen (Dracula A.D., 1972) lautet der deutsche Filmtitel, der diese dröge Mischung aus Verklemmtheit und im Gefolge der ›sexuellen Revolution‹ verordnetem Selbstenthüllungszwang auf den Punkt bringt. Der letzte Film aus der Produktionsreihe Dracula braucht frisches Blut (The Satanic Rites of Dracula, 1973) benannte unfreiwillig das Problem der Serie und verlagerte Draculas persönliche Obsession auf die Ebene der globalen Weltvernichtung. Korrupte Politiker und die Pest, die Dracula verbreitet, drohen der Welt den ultimativen Aderlass zu bereiten. Als Opfer blieb das Vampir-Genre geschändet und geplündert zurück. Wie der Western, der den Italo-Western hervorbrachte, verfiel das Genre in eine Phase der Dekadenz. Die Persiflage hatte es bereits 1967 mit Polanskis unschlagbar komischem Film Dance of the Vampires (Tanz der Vampire) unterwandert. Edouard Molinaris Dracula Père et Fils (Die Herren Dracula, 1976) knüpfte an die Figur des zum lachhaften Stehaufmännchen und Quartalssäufer verkommenen Untoten an. Der Sohn des erneut von Cristopher Lee gespielten Vampirs weigert sich, die Tradition fortzusetzen, arbeitet lieber als Nachtwächter und ernährt sich von Schweineblut. Die Komik des zeitgemäßen Generationskonflikts, hier gedämpft durch eine Liebesgeschichte, die den Sohn des Vampirs in einen Menschen zurückverwandelt, wird in späteren Filmen wie Blade für drastische Kriegsszenen zwischen den Vampiren des Ursprungs und ihren Sonnenbrillen tragenden, mit hohem Lichtschutzfaktor eingecremten Nachkömmlingen sorgen.

      Stets ruft die Freigeisterei des Vampirs, die den spirituellen wie den menschlichen Zeugungsakt pervertiert, reaktionäre Kräfte auf den Plan. Das bürgerlich-christliche Imperium schlägt zurück, denn das Uralte – schließlich ist Dracula ein adeliger Ruinenbesitzer – will nicht sterben und bedroht die (erotischen) Besitzverhältnisse der Moderne. Die Waffen der selbsternannten Erlöser sind Phallus-Attribute der zurückschlagenden ›guten‹ Macht, der Macht der Männer über die gebissene Frau. Nicht umsonst müssen Vampire gepfählt werden, und zwar von Männern, die mit dem Vampir den Konkurrenten wie zugleich die homosexuelle Versuchung erschlagen. Der verquälte Sexus sollte vom Kino der Aids-Ära wieder ausgegraben werden. In vielen neueren Vampirfilmen finden sich Anklänge an die Verbreitung von Aids. Coppola lässt in Bram Stoker’s Dracula (1992) während der zersetzenden Liebesräusche des Vampirs mikroskopische Blutblasen aufsteigen, in denen eine höchst ungesunde Zellteilung stattfindet. Den Vampir verklärt er zum unerlöst Liebenden, der nicht das Eine, sondern dem ›Safer Sex‹ gemäß die Eine sucht. Robert Rodriguez und sein Drehbuchautor Quentin Tarantino bestrafen in From Dusk till Dawn (1996) die Geilheit, die Trucker in die Falle des Bums- und Amüsierlokals »Titty Twister« lockt, mit tödlichen Bissen. Blade trieb die Racheorgien des halb menschlichen, halb draculesken Vampirjägers und ›Daywalkers‹ Blade in einer Begegnung mit seiner verstorbenen, aber als Konsumentin fremder Säfte ansehnlich konservierten Mutter auf die Spitze. Der zwittrige Exterminator muss vor dem Sieg über die dunklen Mächte erst einmal seine ödipalen Begierden bekämpfen.

      Zu den Grundregeln des Vampirismus gehört eine dem Unbewussten angelastete Übereinkunft zwischen Blutsauger und Opfer. In der Einverleibung durch den Vampir durfte die Dame von Stand gewiss sein, die quälende Unschuld loszuwerden, ohne schuldig gesprochen zu werden. Bei Stoker ist es die wohlhabende Lucy Westenra, Minas wissensdurstige Freundin, an der sich das exemplarisch nachvollziehen lässt. Nicht alle Dracula-Verfilmungen widmen sich ihr. Spielt sie bei Murnau keine Rolle, so ist sie bei Coppola der bloße Körper, an dem sich der Vampir abrackert, um bis zur Vereinigung mit der begehrten Reinkarnation seiner Braut Elisabeth in Form zu bleiben. Tod Browning hat der psychohygienischen Bedeutung dieser Lucy nachgespürt, die als laszives Alter Ego der asexuellen Mina die heimliche Hauptrolle spielt. Der allseits umschwärmten höheren Tochter gesteht er angesichts der Qual der Wahl eine geradezu komische Verzweiflung zu. Wen soll sie nehmen? Den Arzt, den Banker, den amerikanischen Selfmademan, den Dichterling? Alle, ist die Antwort in Lucys blitzenden Augen, und diese Unbescheidenheit macht sie reif für den Vampir. Der Casanova-Vampir, als der Bela Lugosi aus heutiger Sicht wenig gruselig im Frack daherkommt, hat von allen Männern etwas. Die abgewiesenen Verehrer werden sich für das Ius primae noctis rächen, das der Graf als adeliger Schmarotzer wahrgenommen hat. Aus der schmollenden Schnute der untoten Lucy rinnt Blut. Es erinnert ihren Verlobten an die Defloration, die nach der von dem todbringenden Rivalen verpatzten Hochzeitsnacht nachgeholt werden muss. Der Pflock, mit dem der enttäuschte Lover Lucys Herz durchbohrt, sitzt nur aus Anstandsgründen nicht tiefer. Die Strafe folgt der Lust, das ist gewiss. Der Horror versteht sich als Lustangst, als Phantasie der eigenen Enthemmung.

      Die sexuelle Erweckung durch den Vampir ist aber nicht als Freiheit zu verstehen. Die Frau, die auf das Versprechen hereinfällt, die dunklen Seiten ihrer Sexualität austoben zu können, ist letztlich eher mehr Zwängen ausgesetzt: Der unstillbare Hunger, der den Vampir zum Blut-Junkie macht, der seine Sucht Nacht für Nacht stillen muss, zwingt Dracula und seine Bräute in einen pubertären Teufelskreislauf, der Reifeprozesse und Ruhephasen nicht zulässt. Die Vampiria ist eine Gefangene, die für ihren alterslos verführerischen Körper den höchsten Preis bezahlt: Es gibt keine Weiterentwicklung, nur den Überdruss der Begierde. Die Freisetzung vom Gebärenmüssen ist an den Verlust gebunden, Leben schenken zu können. Die Vampirin ist nicht länger Frau. Ihre Geschlechtsorgane sind fortan phallischer Natur. So paradox das klingen mag: Der weibliche Vampir ist ein Mann, der sich im Gewand verwesender Brüste anderen Männern nähert. Selbst die lesbischen Vampirinnen kommen, so sie von Regisseuren in Szene gesetzt sind, als Männerphantasien nicht besser weg. Und auch Sheridan Le Fanus lesbischer Vampir Carmilla wird eher vom Hass auf das eigene Geschlecht angetrieben als von eingestandener homosexueller Sehnsucht.

      Der Hybris des Vampirs, der sich gottgleich wähnt, weil er den Tod bringt und aufhebt, ist die Verdammnis zu ewiger Wiederholung entgegengesetzt. Besonders deutlich wird der Fluch der Stagnation bei der altägyptischen Vampirin Miriam aus The Hunger (Begierde, 1983; Tony Scott) oder wenn sich Kinder, vor allem kleine Mädchen, in Vampire verwandeln. In Interview with the Vampire (Interview mit einem Vampir, 1994; Neil Jordan) wird die fünfjährige Claudia während einer Pestepidemie von dem Gutvampir Louis gefunden. Louis ist kein typischer Beißgenosse, er gehört zu der seltenen Blutgruppe der melancholischen und skrupulösen Vampire. Er erwägt, die kleine Vollwaise vor dem sicheren Tod zu retten, indem er sie zum Vampir macht, lässt aber dann davon ab: Den traurigsten aller Vampire hält eine menschliche Moral in Schach, die seinen Schöpfer und Gefährten Lestat zur Verzweiflung bringt. Also ist es Lestat, der Claudia ihr Menschsein nimmt und sie Louis als ewiges Ersatztöchterchen verehrt, das aber den Erfahrungen seines Scheinlebens nicht Rechnung tragen kann. Auf ewig gefangen im Kinderkörper, wird Claudia zur tolldreisten Mörderin, die es besonders auf junge Frauen abgesehen hat. Das Mädchen, das nicht Frau werden kann und sich an Frauen rächt, gehört zu den schrecklichsten und zugleich psychoanalytisch ergiebigsten Erfindungen der Vampir-Autorin Anne Rice. Denn obschon das vampiristische Kind niemals zur sexuellen Reife gelangt, ist es andererseits das sexualisierte Kind schlechthin: eine Ikone pädophiler Verführung, in Claudias Fall eine durch Blutschande erzeugte Vater-Tochter, die aus dem Kindchen-Schema nicht ausbrechen kann.

      Mit dem philosophischsten und filmsprachlich innovativsten Vampir-Melo seit Nosferatu überraschte Po-Chih Leong, Mitbegründer des Neuen Hongkong-Kinos, Ende der neunziger Jahre: The Wisdom of Crocodiles (Die Weisheit der Krokodile, 1998). Der junge Arzt Steven Grlscz ist ein moderner, weder vor Kreuzen noch vor den Gesetzmäßigkeiten des Genres zurückscheuender Vampir. Anne ist die Frau, die sein Parasitentum in Frage stellt. Sie verkörpert für den Gefühlshungrigen die reine Liebe. Soll er diese einmal im Leben erleiden – und daran sterben, dass er die Geliebte schont? »It is the wisdom of crocodiles that shed tears when they would devour«, lautet der Aphorismus des Philosophen Francis Bacon, dem der Filmtitel entlehnt ist: ein Hinweis darauf, dass auch der melancholischste Gefühlstote