geht der betrieblichen Eingliederung des Arbeitnehmers voraus. Anders als im laufenden Arbeitsverhältnis kann der Arbeitgeber in diesem Stadium keine betrieblich bedingte Gestaltungsmacht ausüben. Dieser ist der Arbeitnehmer erst dann ausgesetzt, wenn er bereits Teil der Belegschaft geworden ist. Bis dahin ist er jedoch nicht in besonderem Maße schutzbedürftig, er ist durch die eigene Vertragsfreiheit hinreichend geschützt. Es ist namentlich nicht Aufgabe des Betriebsrats, für den Arbeitnehmer insofern als Verhandlungsführer zu agieren.
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Gleiches gilt, wenn sich der Arbeitgeber im Verlauf der Zeit dazu veranlasst sieht, den Arbeitnehmern zusätzliche, freiwillige Leistungen zu gewähren. Auf solche Leistung hat der einzelne Arbeitnehmer keinen individuellen Anspruch und ist daher hinsichtlich des „Ob“ und der Höhe einer zusätzlichen Leistung nicht schutzbedürftig. Entsprechend besteht hinsichtlich dieser Fragen auch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.35 Dies gilt umgekehrt auch bei der Kürzung oder Einstellung einer zusätzlichen Leistung.36 Erst wenn es um die Verteilung der Mittel geht, also um das „Wie“ der Leistung, können die Arbeitnehmer der betrieblich bedingten Gestaltungsmacht des Arbeitgebers ausgesetzt sein und auch erst dann kommt ein Mitbestimmungsrecht in Betracht.
c) Innerbetriebliche Lohngerechtigkeit
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Dass die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG die Entgelthöhe nicht erfasst, entspricht auch der herrschenden Ansicht in der Rechtsprechung37 und Literatur.38 Geht man mit der herrschenden Ansicht jedoch davon aus, dass der Zweck des Mitbestimmungsrechts in der Gewährleistung innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit liege,39 fällt es schwer, die Festsetzung der Lohnhöhe als Grenze der Mitbestimmung herzuleiten.
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Der Begriff der Lohngerechtigkeit lässt sich unproblematisch so auslegen, dass er sich sowohl auf das Verhältnis von Arbeitnehmer zu Arbeitgeber wie auch auf das Verhältnis der Arbeitnehmer untereinander bezieht.40 Die Bewertung, ob der Lohn im Verhältnis von Arbeitnehmer zu Arbeitgeber gerecht festgesetzt ist, setzt allerdings eine Betrachtung der Lohnhöhe voraus. Diese soll nach der herrschenden Ansicht der Mitbestimmung jedoch gerade entzogen sein.
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Selbst wenn man den Zusatz der Innerbetrieblichkeit so auslegt, dass nur das Verhältnis der Arbeitnehmer untereinander bewertet werden soll, führt dies nicht automatisch dazu, dass die Lohnhöhe außer Acht gelassen werden kann. Denn der Verdienst eines Mitarbeiters in einer Schlüsselposition kann denjenigen seiner Kollegen um ein Vielfaches übersteigen, ohne dass das innerbetriebliche Lohngefüge notwendigerweise als ungerecht gelten muss.41 In diesem Fall käme man nicht umhin, auch die konkrete Höhe der Vergütung zu berücksichtigen.
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Diese Überlegungen zeigen erneut nachdrücklich, dass der Begriff der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit zur Herleitung der Grenzen des Mitbestimmungsrechts ungeeignet ist. Es ist daher auch wenig wundersam, dass die illustre Formulierung zur Begründung der Grenzziehung kaum jemals herangezogen wird – ironischerweise verzichtet insbesondere die Rechtsprechung darauf, sich mit dem Begriff der Lohngerechtigkeit insofern weiter auseinanderzusetzen.
d) Zwischenergebnis
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Im Ergebnis geht die herrschende Ansicht zu Recht davon aus, dass sich das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht auf die Lohnhöhe erstreckt. Jedoch lässt sich diese wohl wichtigste Grenze der Mitbestimmung nicht mit dem vermeintlichen Zweck der Norm begründen. Dies sollte dem Bundesarbeitsgericht eigentlich Grund genug sein, diese Formulierung in Zukunft aufzugeben oder zu ersetzen.
2. Zweckbestimmung und Festlegung des begünstigten Personenkreises
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Zwar lässt sich dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut oder der Systematik des Gesetzes herleiten, allerdings muss der Arbeitgeber auch den Zweck einer Leistung mitbestimmungsfrei vorgeben können.42 Auch die Zweckbestimmung muss dem Kern unternehmerischer Freiheit zugeordnet werden.43 Die Erreichung dieses Zwecks ist allerdings nur dann möglich, wenn auch die Festlegung des begünstigten Personenkreises grundsätzlich nicht von der Mitbestimmung erfasst ist. Die Arbeitnehmer sind hinsichtlich der Frage des „Warum“ nicht besonders schutzbedürftig. Oft wird der Arbeitgeber bei der Gewährung einer freiwilligen Leistung darauf abzielen, eine bestimmte Arbeitnehmergruppe an das Unternehmen zu binden. Dieser Zweck könnte nicht im selben Maß verfolgt werden, wenn der Betriebsrat zum Beispiel erzwingen könnte, dass die bewilligten Mittel betriebsübergreifend aufgeteilt werden.
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Diesem Ergebnis entspricht auch die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.44 Beachtenswert ist insofern, dass das Gericht scheinbar nicht davon ausgeht, diese Grenzziehung näher begründen zu müssen. In einer anderen Entscheidungen weist das Gericht darauf hin, dass der Arbeitgeber die Tragweite des Mitbestimmungsrechts jedoch nicht dadurch einschränken dürfe, dass er die Belegschaft in beliebige Gruppen von Arbeitnehmern aufspalten und unterschiedliche Entgeltsysteme für diese vorsehen könne.45 Gerechtfertigt sei die Aufspaltung allerdings bereits dann, wenn sie auf sachlichen Gründen beruht. Die Begründung hierzu erschöpft sich in einem Hinweis auf die herzustellende „Verteilungsgerechtigkeit“. Besser lässt sich dies jedoch mit dem hier vertretenen Maßstab begründen. Dass er die Belegschaft in mehrere Gruppen aufspalten und unterschiedliche Entgeltsysteme einführen kann, ist zwar Ausdruck der betrieblichen Gestaltungsmacht des Arbeitgebers. Gleichzeitig ist die Zweckbestimmung dieser Aufspaltung jedoch, wie oben ausgeführt, dem Kern unternehmerischer Entscheidungsfreiheit zuzuordnen. Schutzwürdig ist die Ausübung dieser Freiheit allerdings nur solange, wie sie auf sachliche Gründe zurückgeht. Zwar wird dies vom Bundesarbeitsgericht mit Hinweis auf die „Verteilungsgerechtigkeit“ anders verpackt. Im Ergebnis unterzieht das Gericht die Aufspaltungsentscheidung aber zu Recht einer Willkürkontrolle.
3. Fehlender Regelungsspielraum des Arbeitgebers
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Problematisch ist die Anwendbarkeit des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG insbesondere auch bei moderneren Methoden der Vermögensförderung. Prominentes Beispiel hierfür sind Aktienoptionspläne. Eine Aktienoption gewährt ihrem Inhaber das Recht, eine Aktie des gewährenden Unternehmens unter bestimmten Bedingungen zu erwerben. In internationalen Konzernen werden diese Optionen zumeist von der ausländischen Konzernmuttergesellschaft und nicht von der Arbeitgebergesellschaft gewährt. Für die Frage nach der Mitbestimmung ist dies in vielerlei Hinsicht problematisch.46
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Grundsätzlich ausscheiden muss ein Mitbestimmungsrecht, wenn die Bereitstellung des Aktienoptionsplans allein auf einer Entscheidung der Konzernmuttergesellschaft beruht und der Arbeitgebergesellschaft bei der Zuteilung der Optionen kein Gestaltungsspielraum verbleibt. Denn in diesem Fall kann das Mitbestimmungsrecht an keine Handlung des Arbeitgebers anknüpfen.47 Der Arbeitgeber übt mithin keine betriebliche Gestaltungsmacht aus, vor der die Arbeitnehmer zu schützen wären. Dieses Ergebnis ist sachgerecht. Bei einer konzernweiten Regelung unterfiele die Mitbestimmungszuständigkeit dem Konzernbetriebsrat. Ist dieser nicht gebildet oder nicht vorhanden, weil die Konzernmuttergesellschaft keinen Sitz in Deutschland hat, kann dies nicht dazu führen, dass die örtlichen Betriebsräte zuständig werden.48
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Dies bedeutet nicht, dass ein Mitbestimmungsrecht bei Aktienoptionsplänen grundsätzlich ausscheiden muss. Dies wird teilweise mit der Begründung vertreten, es handele sich bei der Gewährung von Aktienoptionen um die Leistung eines Dritten und damit nicht um „Lohn“ im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.49 Maßgebliches Kriterium muss insofern sein, ob die Leistung nach Abrede der Arbeitsvertragsparteien an Stelle oder neben dem zwischen ihnen vereinbarten Arbeitsentgelt erbracht werden soll.50