Daniel Zimmer

Kartellrecht und Ökonomie


Скачать книгу

Havilland heißt es hierzu: „Beide (Konkurrenz-)Unternehmen gehen davon aus, dass ATR/de Havilland nach dem Zusammenschluss anfänglich ihre Preise in der strategischen Absicht senken würden, die Wettbewerber (...) zu verdrängen. Weder Fokker noch British Aerospace sehen sich in der Lage, einen solchen Preiskampf zu bestreiten (...). Nach der Begründung einer Monopolstellung könnten ATR/de Havilland ihre Preise unkontrolliert von Wettbewerbern wieder erhöhen.“25 In der Verbotsentscheidung CVC/Lenzing begründete insbesondere die Feststellung der Möglichkeit und aufgrund der bestehenden Anreize auch der Wahrscheinlichkeit zu Kapazitätsbeschränkungen und damit letztlich zu Preissteigerungen die Untersagung durch die Kommission.26 In der Freigabeentscheidung nach Art. 8 Abs. 2 FKVO Oracle/People Soft wurden die Auswirkungen des Zusammenschlusses mithilfe eines sog. Merger Simulation Models insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit der neuen Einheit, nach der Fusion die Preise zu erhöhen, überprüft.27

      18 So könnte eine geringe Differenz zwischen Preis und Grenzkosten bei einem Monopol auf überhöhte Grenzkosten, d.h. produktive Ineffizienzen hindeuten. 19 Vgl. Office of Fair Trading (2002), 43–51 sowie Geroski (2003). 20 Vgl. Bishop/Walker (2010), 227. Dies soll keinesfalls die Gleichsetzung der Konzepte signifikanter Marktmacht im ökonomischen Sinne und Marktbeherrschung im juristischen Sinne bedeuten. Der juristische Begriff der Marktbeherrschung umfasst, neben dem ökonomischen Aspekt, noch weitere Aspekte, wie z.B. den Schutz von Freiheitsrechten Dritter, die im ökonomischen Konzept der Marktmacht bestenfalls indirekt eine Rolle spielen. 21 Glossar der Wettbewerbspolitik der EU, GD Wettbewerb, Brüssel 2002, abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/publications/glossary_de.pdf (Hervorhebung durch Verf.). 22 ABl. v. 5.2.2004 C 31/5, Rdnr. 8. 23 EuGH, Urt. v. 13.2.1979, Rs. 85/76 – Hoffmann-La Roche, Slg. 1979, 461, Rdnr. 38 u. 39; EuG, Urt. v. 24.4.1996, Rs. T-102/96 – Gencor, Slg. 1999, II-753, Rdnr. 200; Komm. v. 17.10.2001 (COMP/M.2187) – CVC/Lenzing, Rdnr. 136. Es wurde auf S. 22 Fn. 35 bereits darauf hingewiesen, dass selbst ein reines Monopol sich nicht völlig unabhängig von seinen Abnehmern verhalten kann, da es die Nachfragefunktion bei seiner Entscheidung berücksichtigen muss. 24 Vgl. 362, 406f. 25 Komm. v. 2.10.1991, (COMP/M.53) – Aerospatiale-Alenia/de Havilland, Rdnr. 69; vgl. ferner Komm. v. 11.12.1998 (IV/M.1293) – BP/Amoco, Rdnr. 37: „The Combination of BP and Amoco would not amount to a dominant position. (...) it is dubious that any price increase might be successful as any of the (...) customers have strong countervailing power.“; Komm. v. 3.5.2000 (IV/M.1693) – Alcoa/Reynolds, Rdnr. 85, 94, 112, 124; Komm. v. 3.7.2001 (COMP/M.2220) – GE/Honeywell, Rdnr. 427; Komm v. 31.1.2003 (COMP/M.3060) – UCB/Solutia, Rdnr. 42; Komm. v. 2.10.2003 (COMP/M.3191) – Philip Morris/Papastratos, Rdnr. 36: „In view of the foregoing, the Commission concludes that the new entity is unlikely to have either the ability or the incentive to unilaterally raise prices post-merger to the detriment of the consumers.“ (Freigabe); Komm v. 26.10.2004 (COMP/M.3426) – Phoenix/Continental, Rdnr. 141, 176; Komm. v. 9.12.2004 (COMP/M.3440) – EDP/ENI/GDP, Rdnr. 422ff., 428: „It follows from these findings that, as a result of the operation, EDP will have the ability and the incentive to significantly foreclose its competitors (...) by raising the level of gas prices (...). This factor, in itself, will strengthen EDP’s dominant position (...).” (Untersagung). 26 Komm. v. 17.10.2001 (COMP/M.2187) – CVC/Lenzing, Rdnr. 161ff. 27 Komm. v. 26.10.2004 (COMP/M.3216) – Oracle/People Soft, Rdnr. 191, 205; ebenso Komm. v. 7.1.2004 (COMP/M.2978) – Lagardère/Natexis/VUP, Rdnr. 700ff. 28 EuGH, Urt. v. 11.12.1980, Rs. 31/80 – L’Oréal, Rdnr. 30. 29 So auch ausdrücklich die Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, ABl. 2002 C 165/06, Rdnr. 70: „Bevor diese neue Definition der beherrschenden Stellung ex-ante angewendet werden kann, ist jedoch die Methode zur Ermittlung der Marktmacht anzupassen. Bei der ex-ante Beurteilung, ob Unternehmen alleine oder gemeinsam auf dem relevanten Markt eine beherrschende Stellung einnehmen, sind die nationalen Regulierungsbehörden grundsätzlich auf andere Hypothesen und Annahmen angewiesen als eine Wettbewerbsbehörde bei der Ex-Post-Anwendung von Art. 82 im Hinblick auf eine angebliche missbräuchliche Ausnutzung.“

       C. Feststellung von Marktmacht und Marktbeherrschung

      Um das Vorhandensein eines unabhängigen Verhaltensspielraums und damit das Bestehen einer Einzelmarktbeherrschung auf dem betroffenen Markt zu prüfen, bestehen im Prinzip zwei Möglichkeiten: Zum einen eine direkte Feststellung des Vorliegens von signifikanter Marktmacht bzw. einer marktbeherrschenden Stellung und zum anderen eine indirekte Ermittlung über den Weg der Abgrenzung des relevanten Marktes und der Bestimmung von Marktanteilen. In diesem Zusammenhang sind darüber hinaus auch die Angebotssubstitution und der potentielle Wettbewerb zu berücksichtigen.

       I. Direkte Feststellung von Marktmacht