ηn die Preiselastizität der Nachfrage bezeichnet. Diese Formel entspricht im Prinzip der im Falle eines reinen Monopols, nur geht hier der Marktanteil jedes Oligopolisten si in den Index mit ein. Die Marktmacht eines Cournot-Oligopolisten ist also bestimmt durch die Preiselastizität der Nachfrage, gewichtet mit seinem Marktanteil. Dies macht deutlich, dass die Konzentration in einem Markt eine wichtige Determinante für die Marktmacht ist. Je größer die Marktanteile der Unternehmen, desto stärker ist die Abweichung des Preises von den Grenzkosten, d.h. desto größer ist also die Marktmacht. Auch Kostenunterschiede zwischen den Unternehmen beeinflussen den Lerner-Index. Ein Unternehmen mit geringeren Grenzkosten kann einen höheren Preisaufschlag realisieren und verfügt auch über einen größeren Marktanteil. Könnten die Oligopolisten ihr Verhalten koordinieren und sich gemeinsam wie ein Monopolist verhalten, dann bleibt die Formel weiterhin gültig, aber es muss der Monopolpreis verwendet werden und die Marktanteile sind auf die geringere Monopolmenge zu beziehen.9 Allerdings ist bei der Interpretation des Lerner-Index zu berücksichtigen, dass in einem Markt mit oligopolistischem Wettbewerb nicht das gleiche Ergebnis erwartet werden kann, wie in einem Markt mit vollkommenem Wettbewerb. Auch bei funktionierendem Wettbewerb in einem solchen Markt wird sich das Marktergebnis, aufgrund der Tatsache, dass sich die Unternehmen der strategischen Interdependenz bewusst sind, von dem bei vollkommenem Wettbewerb unterscheiden.
Bei allgemeinen Marktstrukturen muss, anders als beim reinen Monopol oder beim Cournot-Oligopol, zwischen der Marktnachfrage und der Nachfrage, der sich ein einzelnes Unternehmen gegenübersieht unterschieden werden. So kann z.B. die gesamte Marktnachfrage sehr preisunelastisch sein, die Nachfrage für das Produkt eines einzelnen Unternehmens, d.h. die Residualnachfrage, jedoch sehr elastisch reagieren. So wird die Gesamtnachfrage nach einem lebenswichtigen Medikament, das mit den gleichen Wirkstoffen von mehreren Unternehmen angeboten wird, kaum auf Preisänderungen reagieren. Wenn jedoch nur ein Unternehmen den Preis erhöht, um einen höheren Gewinn zu erzielen, dann werden viele Käufer ihren Bedarf bei den anderen Unternehmen decken, d.h. die Residualnachfrage eines einzelnen Unternehmen ist äußerst preiselastisch, sodass trotz unelastischer Marktnachfrage die Marktmacht eines Unternehmens sehr gering ist. Entscheidend für das Vorliegen von Marktmacht eines einzelnen Unternehmens ist also immer die Preiselastizität seiner Residualnachfrage.10
Gibt es neben dem Monopol oder dem Oligopol noch andere Wettbewerber, z.B. einen wettbewerblichen Rand, oder können andere Unternehmen in den Markt eintreten, dann ist das Verhalten dieser aktuellen oder potentiellen Wettbewerber bei der Erfassung von Marktmacht zu berücksichtigen. Analog zur Feststellung des Verhaltens der Konsumenten mithilfe der Preiselastizität der Nachfrage kann man das Angebotsverhalten aktueller oder potentieller Wettbewerber mithilfe der Preiselastizität des Angebots erfassen.11 Diese Elastizität hängt von einer Reihe von Faktoren ab: So spielen die Kapazitäten der aktuellen Wettbewerber eine wichtige Rolle. Eine Ausweitung des Angebots dieser Unternehmen kann nur erfolgen, wenn hinreichend große, bisher ungenutzte Produktionskapazitäten vorhanden sind oder sehr schnell aufgebaut werden können. Andernfalls könnten diese Unternehmen selbst bei einer drastischen Preiserhöhung ihr Angebot nicht erhöhen – die Preiselastizität des Angebotes wäre Null oder zumindest sehr gering. Ein anderer wichtiger Aspekt sind mögliche Marktzutrittsschranken. Wenn z.B. aufgrund absoluter Marktzutrittsschranken, etwa wegen eines Patents, andere Unternehmen nicht in diesen Markt eintreten können, dann hat dies eine geringe Preiselastizität des Angebots zur Folge. Auch der betrachtete Zeitraum ist wichtig: Kurzfristig kann das Angebot nur wenig ausgedehnt werden, da Umstellungen der Produktion Zeit erfordern und Marktzutritte meist erst nach einer gewissen Vorbereitungszeit erfolgen können. Langfristig hingegen ist eine deutlichere Reaktion des Angebots zu erwarten. Der Lerner-Index für die Marktmacht eines Unternehmens bei Berücksichtigung anderer Wettbewerber bzw. von Marktzutritten kann wie folgt angegeben werden:
wobei
III. Marktmacht bei differenzierten Gütern
Diese Überlegungen können auf den Fall differenzierter Güter übertragen werden, wobei die gleiche Formel wie oben heranzuziehen wäre. Die Frage, welche Güter dabei zu berücksichtigen sind, ist dabei von untergeordneter Bedeutung, da die Preiselastizität der Nachfrage und der Marktanteil sich in gleicher Richtung verändern:13 Würde man nur wenige, sehr enge Substitute bei der Berechnung des Marktanteils berücksichtigen, dann wäre der Marktanteil des betrachteten Unternehmens einerseits recht hoch, andererseits würde auch die Nachfrage sehr preiselastisch reagieren, da die Abnehmer über zahlreiche Ausweichmöglichkeiten verfügen. Zwar impliziert ein hoher Marktanteil eine große Marktmacht, aber eine große Preiselastizität eine nur geringe Marktmacht. Würde man hingegen den Marktanteil mit Bezug auf enge und weite Substitute ermitteln, dann wäre zwar der Marktanteil des Unternehmens gering, die Preiselastizität der Nachfrage aber ebenfalls, da es kaum noch unberücksichtigte Ausweichmöglichkeiten für die Konsumenten gibt. Ein ähnlicher Zusammenhang gilt auch für die Preiselastizität des Angebotes. Diese ist bei Berücksichtigung nur der engsten Substitute relativ groß, während im Falle der Berechnung des Marktanteils unter Einbeziehung auch weiter Substitute diese Elastizität eher gering sein wird.
IV. Marktmacht auf zweiseitigen Märkten
Wie bereits auf den Seiten 54–63 über Besonderheiten der digitalen Ökonomie dargelegt wurde, handelt es sich bei vielen Unternehmen um zwei- oder mehrseitige Plattformen. Allerdings treten solche zweiseitigen Märkte nicht nur in der digitalen Ökonomie auf, sondern auch in vielen herkömmlichen Wirtschaftssektoren. So kann z.B. der Markt für Zahlungssysteme wie z.B. Kreditkarten als zweiseitiger Markt interpretiert werden, auf dem die beiden Gruppen der Händler einerseits und der Kreditkarteninhaber andererseits zusammengebracht werden. Andere Beispiele sind werbefinanzierte Medien, wobei die eine Nachfragergruppe die Werbung treibenden Unternehmen sind und die andere die Leser (bei Zeitschriften) oder Zuschauer (beim werbefinanzierten Fernsehen). Weitere Beispiele für zweiseitige Märkte sind Reisevermittler, die die Anbieter von Reisen und die Nachfrager zusammenbringen, Messen, Heiratsvermittlungen sowie so genannte Dating-Clubs, in denen Männer und Frauen Kontakte knüpfen können.
Auch hier treten zwischen den verschiedenen Nutzergruppen indirekte Netzwerkeffekte auf, deren jeweilige Stärke erhebliche Auswirkungen auf das Preissetzungsverhalten haben kann, wie das z.B. bei kostenlos verteilten Zeitungen der Fall ist, die ihre Einnahmen ausschließlich über den Verkauf von Werbefläche generieren. Ein solches Preissetzungsverhalten kann daher in zweiseitigen Märkten zu einer Reihe von Phänomenen führen, die bei normalen, einseitigen Märkten als Indiz für Marktmacht interpretiert werden müssen. So wird z.B. häufig beobachtet, dass einer Nachfragergruppe ein Preis abverlangt wird, der deutlich oberhalb der Grenzkosten liegt, die für die Bereitstellung der Dienstleistung oder des Produktes für die Mitglieder dieser Gruppe anfallen, während die Mitglieder der anderen Gruppe einen Preis zahlen, der unterhalb der entsprechenden Grenzkosten liegt und sogar negativ sein kann. So erhalten z.B. in vielen Dating-Klubs Damen freien Eintritt und oftmals ein Freigetränk, während Herren einen Eintrittspreis zahlen, der deutlich über den Grenzkosten