negativer Effekt auf die andere Marktseite wirkt, da die Nachfrage der Mitglieder der ersten Gruppe zurückgeht. Aufgrund der indirekten Netzwerkeffekte wird die Plattform auch für die andere Marktseite weniger attraktiv und daher wird auch die Nachfrage dort zurückgehen. Daher sind die Preise, die von den beiden Gruppen verlangt werden, stark davon abhängig wie groß und in welche Richtung die indirekten Netzwerkeffekte wirken. Diejenige Gruppe, die einen größeren indirekten Netzwerkeffekt verursacht, zahlt in der Regel einen geringeren Preis als die Gruppe, die nur einen geringen Netzwerkeffekt ausübt. Der Grund besteht darin, dass bei einem geringen Preis, mglw. einem Preis von Null oder, in einigen Fällen auch bei einem negativen Preis, möglichst viele dieser Nutzer auf der Plattform aktiv sind und sie dadurch attraktiv für die Nutzer der „zahlenden“ Marktseite macht. Da diese Rückkopplungseffekte die Fähigkeit einer Plattform reduzieren, ihre Preise zu erhöhen, kann dies zur Folge haben, dass auf einer Seite der gewinnmaximierende Preis deutlich über den Grenzkosten auf dieser Marktseite liegt. Auf der anderen Marktseite hingegen kann der Preis unterhalb der Grenzkosten liegen und in Extremfällen sogar negativ werden.
Von juristischer Seite wurde bis vor einiger Zeit mitunter argumentiert, dass bei einem Preis von Null auf einer Marktseite kein Markt vorliege, da es sich um eine unentgeltliche Leistungsbeziehung handele.119 Bei zweiseitigen Märkten ist jedoch eine separate Betrachtung nur einer Marktseite nicht sinnvoll, denn ein solcher Plattformmarkt kann nur dann funktionieren, wenn beide Marktseiten zusammengebracht werden. Die optimale Preisstruktur kann dabei so aussehen, dass nur auf einer Seite ein positiver Preis gezahlt wird. Es ist jedoch verfehlt, nur diese eine Seite als Markt im eigentlichen Sinne aufzufassen, denn ohne die andere Seite würde auch dieser „Markt“ nicht existieren. Aus einem Preis von Null auf einer Marktseite zu schließen, es gäbe hier keinen Markt, ist aus ökonomischer Sicht nicht richtig und führt zu falschen Ergebnissen.120 Es handelt sich um einen Fall „einseitigen Denkens“ auf einem zweiseitigen Markt.121
In einem solchen Fall wäre es daher verfehlt, wenn man sich bei einer wettbewerblichen Analyse nur auf die Marktseite beschränkt, auf der ein hoher Preis verlangt wird, denn dies würde auf das Vorliegen von Marktmacht hindeuten, auch wenn eine solche Marktmacht tatsächlich nicht besteht. Daher ist die Tatsache, dass im Fall eines zweiseitigen Marktes einer Marktseite ein sehr hoher Preis abverlangt wird, nicht notwendigerweise ein Indikator dafür, dass Marktmacht vorliegt. In gleicher Weise ist auch ein Preis unterhalb der Grenzkosten kein Anzeichen für eine Kampfpreissetzung. Auch Wettbewerb zwischen Plattformen würde nicht zu einer Änderung der Preisstruktur führen.122
Weiterhin wird die Preisstruktur einer zweiseitigen Plattform auch davon bestimmt, ob die Nutzer nur auf einer Plattform aktiv sind oder auf mehreren gleichzeitig. Sind die Nutzer simultan auf verschiedenen Plattformen aktiv, zum Beispiel indem ein Unternehmen Werbung auf mehreren Plattformen schaltet, dann wird dies als Multi-Homing bezeichnet. Ein solches Multi-Homing schränkt die Möglichkeiten einer Plattform deutlich ein, die Preise über das Wettbewerbsniveau zu erhöhen.123
Wenn es keine Substitution für die angebotenen Dienstleistungen auf der Marktseite A gibt, aber intensiver Wettbewerb auf der Marktseite B herrscht, dann wird jeder Versuch, die Gewinne durch eine Preiserhöhung auf der Marktseite A zu steigern, durch den Wettbewerb auf der Marktseite B konterkariert. Dabei können die Wettbewerber einer Plattform entweder andere Plattformen sein, die ähnliche Güter oder Dienstleistungen anbieten, aber auch Unternehmen, die nur eine Marktseite bedienen. Anders ausgedrückt, die Marktmacht einer zweiseitigen Plattform wird sowohl durch die Rückkopplungseffekte zwischen den verschiedenen Nutzergruppen als auch durch den Wettbewerb mit Konkurrenten auf jeder Marktseite beschränkt. Preise oberhalb der Grenzkosten auf irgendeiner Marktseite sind daher kein verlässlicher Indikator für Marktmacht, denn beide Marktseiten müssen berücksichtigt werden.
III. Wettbewerbsökonomische Aspekte
Bei der wettbewerbsökonomischen Analyse von Märkten in der digitalen Ökonomie stellt sich daher eine Reihe von Problemen, die in herkömmlichen Märkten in aller Regel nicht auftreten. So erweist es sich in der Praxis häufig als schwierig, den relevanten Markt ökonomisch korrekt abzugrenzen. Die damit verbundenen Probleme bestehen insbesondere darin, dass bei einer Marktabgrenzung gleichzeitig zwei oder in manchen Fällen drei oder mehr Nutzergruppen bzw. Marktseiten von Bedeutung sind, zwischen denen Interdependenzen bestehen, die bei einer Analyse zu berücksichtigen sind. Eine weitere Schwierigkeit ist darin zu sehen, dass manche Nutzergruppen nicht nur auf einer Plattform aktiv sind, sondern gleichzeitig auf mehreren, d.h., ein „Multi-Homing“ betreiben. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass bei vielen solchen Plattformen, wie z.B. bei sozialen Medien oder auch Suchmaschinen, eine Marktseite keinen positiven monetären Preis zahlt, sondern eine Gegenleistung in anderer Form erbringt, z.B. durch die Daten, die die Nutzer der Plattform zur Verfügung stellen und die von der Plattform wiederum genutzt werden, um werbetreibenden Unternehmen die Möglichkeit zu eröffnen, zielgenaue Werbung zu schalten, d.h., sicherzustellen, dass werbende Unternehmen genau die gewünschte Zielgruppe mit ihrer Werbebotschaft erreichen.
Diese Überlegungen machen deutlich, dass sich die Marktabgrenzung in der digitalen Ökonomie, die durch zwei- oder mehrseitige Plattformen gekennzeichnet ist, oft als deutlich komplexer erweist als in herkömmlichen Industrien. Daher können Marktanteile nur mit einem erheblichen Maß an Unsicherheit gemessen werden. Hinzu kommt, dass in Märkten mit zweiseitigen Plattformen und hinreichend hohen indirekten Netzwerkeffekten Marktanteile sowie Konzentrationsmaße und Veränderungen in der Konzentration für die Feststellung von Marktmacht und für die Prognose der wettbewerblichen Effekte einer Fusion nicht sehr hilfreich sind.
Ein anderer Aspekt der digitalen Ökonomie, der auch für die Fusionskontrolle von wesentlicher Bedeutung ist, betrifft die Beziehung zwischen Konzentration und Wohlfahrt in zwei- oder mehrseitigen Märkten. Wie man von Märkten mit direkten Netzwerkeffekten weiß – wie z.B. bei Telefonen, bei denen der Nutzen eines Geräts umso größer ist, je mehr Akteure ebenfalls an das Telefonnetz angeschlossen sind, weil die Kommunikationsmöglichkeiten zunehmen – hat die Größe des Netzwerks einen positiven Effekt auf die Konsumentenwohlfahrt. Daher kann eine Zunahme der Konzentration, die zu einer Preiserhöhung führt, sehr wohl mit einer Erhöhung der Konsumentenrente einhergehen, da das Produkt wertvoller wird und die Konsumenten bereit sind, einen höheren Preis dafür zu zahlen. Wenn die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten stärker steigt als der Preis, dann nimmt die Konsumentenwohlfahrt zu.
In zwei- oder mehrseitigen Märkten ist die Lage noch komplizierter, da zwischen den Gruppen, die mittels der Plattform interagieren, indirekte Netzeffekte bestehen. So könnte ein Zusammenschluss zwischen zwei Plattformen zu einer erheblichen Änderung in der Preisstruktur führen und es könnte der Fall eintreten, dass der Preis auf einer Marktseite steigt, während er auf der anderen Seite fällt. Auch in zweiseitigen Märkten können die Netzwerkeffekte hinreichend stark sein, sodass selbst dann die Konsumentenwohlfahrt zunimmt, wenn der Gesamtpreis steigt. Theoretische Analysen von Fusionen in zweiseitigen Märkten haben gezeigt, dass Zusammenschlüsse die Wohlfahrt erhöhen können, vorausgesetzt die indirekten Netzwerkeffekte sind hinreichend stark.124 Andernfalls gilt das übliche Ergebnis einer traditionellen Fusionsanalyse und der zu Preissteigerungen führende Zusammenschluss reduziert die Wohlfahrt.
So stellt sich auch die Frage, wie Fusionen auf solchen Märkten zu bewerten sind und ob möglicherweise Ergänzungen oder Änderungen des Fusionskontrollrechts erforderlich werden, um zum einen die Übernahme potentieller Wettbewerber oder auch die Bedeutung der von den Unternehmen gesammelten Datenbestände besser berücksichtigen zu können. Gerade im Kontext der Übernahmen von kleineren Start-up-Unternehmen, die in ihrer Anfangsphase zumeist noch keine signifikanten Umsätze erzielen, sich aber binnen kurzer Zeit zu starken Konkurrenten der etablierten Plattform entwickeln könnten, können Kriterien, die sich am Transaktionswert orientieren, sinnvoller sein als umsatzbasierte Eingriffsschwellen. Wenn im Zuge eines Zusammenschlusses unterschiedliche Datenbestände zusammengeführt und rekombiniert werden, dann lassen sich daraus zusätzliche Informationen gewinnen, die in den einzelnen Datenbeständen nicht enthalten sind. Hierdurch könnten erhebliche Marktzutrittsschranken entstehen, weil