Daniel Zimmer

Kartellrecht und Ökonomie


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negativer Effekt auf die andere Marktseite wirkt, da die Nachfrage der Mitglieder der ersten Gruppe zurückgeht. Aufgrund der indirekten Netzwerkeffekte wird die Plattform auch für die andere Marktseite weniger attraktiv und daher wird auch die Nachfrage dort zurückgehen. Daher sind die Preise, die von den beiden Gruppen verlangt werden, stark davon abhängig wie groß und in welche Richtung die indirekten Netzwerkeffekte wirken. Diejenige Gruppe, die einen größeren indirekten Netzwerkeffekt verursacht, zahlt in der Regel einen geringeren Preis als die Gruppe, die nur einen geringen Netzwerkeffekt ausübt. Der Grund besteht darin, dass bei einem geringen Preis, mglw. einem Preis von Null oder, in einigen Fällen auch bei einem negativen Preis, möglichst viele dieser Nutzer auf der Plattform aktiv sind und sie dadurch attraktiv für die Nutzer der „zahlenden“ Marktseite macht. Da diese Rückkopplungseffekte die Fähigkeit einer Plattform reduzieren, ihre Preise zu erhöhen, kann dies zur Folge haben, dass auf einer Seite der gewinnmaximierende Preis deutlich über den Grenzkosten auf dieser Marktseite liegt. Auf der anderen Marktseite hingegen kann der Preis unterhalb der Grenzkosten liegen und in Extremfällen sogar negativ werden.

      Wenn es keine Substitution für die angebotenen Dienstleistungen auf der Marktseite A gibt, aber intensiver Wettbewerb auf der Marktseite B herrscht, dann wird jeder Versuch, die Gewinne durch eine Preiserhöhung auf der Marktseite A zu steigern, durch den Wettbewerb auf der Marktseite B konterkariert. Dabei können die Wettbewerber einer Plattform entweder andere Plattformen sein, die ähnliche Güter oder Dienstleistungen anbieten, aber auch Unternehmen, die nur eine Marktseite bedienen. Anders ausgedrückt, die Marktmacht einer zweiseitigen Plattform wird sowohl durch die Rückkopplungseffekte zwischen den verschiedenen Nutzergruppen als auch durch den Wettbewerb mit Konkurrenten auf jeder Marktseite beschränkt. Preise oberhalb der Grenzkosten auf irgendeiner Marktseite sind daher kein verlässlicher Indikator für Marktmacht, denn beide Marktseiten müssen berücksichtigt werden.

       III. Wettbewerbsökonomische Aspekte

      Bei der wettbewerbsökonomischen Analyse von Märkten in der digitalen Ökonomie stellt sich daher eine Reihe von Problemen, die in herkömmlichen Märkten in aller Regel nicht auftreten. So erweist es sich in der Praxis häufig als schwierig, den relevanten Markt ökonomisch korrekt abzugrenzen. Die damit verbundenen Probleme bestehen insbesondere darin, dass bei einer Marktabgrenzung gleichzeitig zwei oder in manchen Fällen drei oder mehr Nutzergruppen bzw. Marktseiten von Bedeutung sind, zwischen denen Interdependenzen bestehen, die bei einer Analyse zu berücksichtigen sind. Eine weitere Schwierigkeit ist darin zu sehen, dass manche Nutzergruppen nicht nur auf einer Plattform aktiv sind, sondern gleichzeitig auf mehreren, d.h., ein „Multi-Homing“ betreiben. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass bei vielen solchen Plattformen, wie z.B. bei sozialen Medien oder auch Suchmaschinen, eine Marktseite keinen positiven monetären Preis zahlt, sondern eine Gegenleistung in anderer Form erbringt, z.B. durch die Daten, die die Nutzer der Plattform zur Verfügung stellen und die von der Plattform wiederum genutzt werden, um werbetreibenden Unternehmen die Möglichkeit zu eröffnen, zielgenaue Werbung zu schalten, d.h., sicherzustellen, dass werbende Unternehmen genau die gewünschte Zielgruppe mit ihrer Werbebotschaft erreichen.

      Diese Überlegungen machen deutlich, dass sich die Marktabgrenzung in der digitalen Ökonomie, die durch zwei- oder mehrseitige Plattformen gekennzeichnet ist, oft als deutlich komplexer erweist als in herkömmlichen Industrien. Daher können Marktanteile nur mit einem erheblichen Maß an Unsicherheit gemessen werden. Hinzu kommt, dass in Märkten mit zweiseitigen Plattformen und hinreichend hohen indirekten Netzwerkeffekten Marktanteile sowie Konzentrationsmaße und Veränderungen in der Konzentration für die Feststellung von Marktmacht und für die Prognose der wettbewerblichen Effekte einer Fusion nicht sehr hilfreich sind.

      

      Ein anderer Aspekt der digitalen Ökonomie, der auch für die Fusionskontrolle von wesentlicher Bedeutung ist, betrifft die Beziehung zwischen Konzentration und Wohlfahrt in zwei- oder mehrseitigen Märkten. Wie man von Märkten mit direkten Netzwerkeffekten weiß – wie z.B. bei Telefonen, bei denen der Nutzen eines Geräts umso größer ist, je mehr Akteure ebenfalls an das Telefonnetz angeschlossen sind, weil die Kommunikationsmöglichkeiten zunehmen – hat die Größe des Netzwerks einen positiven Effekt auf die Konsumentenwohlfahrt. Daher kann eine Zunahme der Konzentration, die zu einer Preiserhöhung führt, sehr wohl mit einer Erhöhung der Konsumentenrente einhergehen, da das Produkt wertvoller wird und die Konsumenten bereit sind, einen höheren Preis dafür zu zahlen. Wenn die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten stärker steigt als der Preis, dann nimmt die Konsumentenwohlfahrt zu.

      So stellt sich auch die Frage, wie Fusionen auf solchen Märkten zu bewerten sind und ob möglicherweise Ergänzungen oder Änderungen des Fusionskontrollrechts erforderlich werden, um zum einen die Übernahme potentieller Wettbewerber oder auch die Bedeutung der von den Unternehmen gesammelten Datenbestände besser berücksichtigen zu können. Gerade im Kontext der Übernahmen von kleineren Start-up-Unternehmen, die in ihrer Anfangsphase zumeist noch keine signifikanten Umsätze erzielen, sich aber binnen kurzer Zeit zu starken Konkurrenten der etablierten Plattform entwickeln könnten, können Kriterien, die sich am Transaktionswert orientieren, sinnvoller sein als umsatzbasierte Eingriffsschwellen. Wenn im Zuge eines Zusammenschlusses unterschiedliche Datenbestände zusammengeführt und rekombiniert werden, dann lassen sich daraus zusätzliche Informationen gewinnen, die in den einzelnen Datenbeständen nicht enthalten sind. Hierdurch könnten erhebliche Marktzutrittsschranken entstehen, weil