f) Weitere Modelle oligopolistischen Wettbewerbs
In den bisher dargestellten Modellen oligopolistischen Wettbewerbs wurde implizit davon ausgegangen, dass die Unternehmen ihre Preis- bzw. Mengenentscheidungen in Unkenntnis der Entscheidungen ihrer Konkurrenten treffen bzw. dass sie simultan über Preise und Mengen entscheiden. Es können jedoch auch Situationen auftreten, in denen erst ein Unternehmen seine Preis- oder Mengenentscheidung trifft und dann die anderen Oligopolisten, in Kenntnis dieser Entscheidung, ihre Strategien wählen.93 Die Gründe dafür, dass ein Unternehmen zum Preis- oder Mengenführer wurde, können darin liegen, dass es durch eine erfolgreiche Innovation als erstes in einen Markt eingetreten ist und die anderen Unternehmen als Nachzügler erst nach dem Preis- oder Mengenführer agieren können.
Ein preisführendes Unternehmen kann bei seiner Preispolitik die Reaktionen der Konkurrenten in sein Entscheidungskalkül miteinbeziehen, während die Konkurrenten den vom Preisführer gesetzten Preis als gegeben hinnehmen müssen.94 Offensichtlich spielt es bei Preiswettbewerb mit einem homogenen Gut keine Rolle, ob die Preise simultan oder sequentiell gesetzt werden, das Ergebnis wird immer das gleiche sein wie bei vollkommenem Wettbewerb. Bei differenzierten Gütern ist die Situation jedoch eine andere: Der Preisführer muss damit rechnen, dass der Preisfolger den von ihm gesetzten Preis etwas unterbieten wird, um sich einen größeren Teil der Nachfrage zu sichern.95 Er wird dieses Verhalten des Preisfolgers antizipieren und daher von vornherein einen höheren Preis verlangen als bei simultaner Preissetzung. Dieser höhere Preis bietet dem Preisfolger nun die Möglichkeit, seinen Preis ebenfalls zu erhöhen, was wiederum einen positiven Effekt auf die Nachfrage für den Preisführer hat. Durch diese insgesamt höheren Preise wird der Wettbewerb in diesem Markt stärker beschränkt als bei simultaner Preissetzung und beide Unternehmen realisieren dadurch höhere Gewinne. Dabei erhält der Preisführer, aufgrund der Tatsache, dass der Preisfolger ihn etwas unterbieten kann, einen geringeren Gewinn als der Preisfolger. Dieses Modell macht deutlich, dass es bei Preiswettbewerb im Interesse aller Unternehmen liegt, ein Unternehmen als Preisführer zu akzeptieren, da sich hierdurch alle Unternehmen einen höheren Gewinn sichern können.96 Allerdings wäre jedes Unternehmen lieber Preisfolger, da dieser einen höheren Gewinn realisierten kann als der Preisführer.97
Das Modell des sequentiellen Mengenwettbewerbs geht auf von Stackelberg (1934) zurück. Es wird von einer Situation ausgegangen, in der sich ein Unternehmen, der Stackelberg-Führer, einseitig auf eine bestimmte Angebotsmenge festlegen kann und die anderen Unternehmen, die Stackelberg-Folger, mit ihrer Mengenentscheidung auf die vorgegebene Menge reagieren. Der Stackelberg-Führer kann, da er seine Menge zuerst wählt, die Reaktion der Stackelberg-Folger bei seiner Entscheidung berücksichtigen. Da die Mengen im Cournot-Modell strategische Substitute sind, werden die Stackelberg-Folger auf eine Mengenerhöhung seitens des Stackelberg-Führers mit einer Verringerung ihrer Angebotsmengen reagieren, um einen Preisverfall zu verhindern. Dies veranlasst den Stackelberg-Führer, eine größere Menge anzubieten als im Cournot-Nash-Gleichgewicht, wodurch er einen höheren Gewinn erzielen kann. Die Stackelberg-Folger bieten geringere Mengen an und realisieren einen niedrigeren Gewinn als im Cournot-Nash-Gleichgewicht mit simultaner Mengensetzung.98
g) Effizienz in oligopolistischen Märkten
Die Darstellung der verschiedenen Oligopolmodelle hat deutlich gemacht, dass es, abgesehen vom Extremfall des Bertrand-Modells mit homogenen Gütern, immer zu Abweichungen von den Bedingungen für eine effiziente Allokation kommen wird. Die Preise liegen in jedem dieser Modelle über den Grenzkosten und es werden geringere Mengen angeboten als bei vollkommener Konkurrenz. Dies reduziert sowohl die Konsumentenwohlfahrt und führt darüber hinaus zu einem Verlust an volkswirtschaftlicher Rente. Da jedoch in den vorgestellten Modellen zwischen den Oligopolmitgliedern Wettbewerb herrscht, wenn auch nur in eingeschränkter Form, ist zu vermuten, dass dieser Wettbewerb die Unternehmen dazu zwingt, effizient zu produzieren, um keinen Nachteil gegenüber den Konkurrenten zu erleiden.99
Aufgrund der Tatsache, dass sich die Unternehmen in einem oligopolistischen Markt der zwischen ihnen bestehenden strategischen Interdependenzen bewusst sind und diese bei ihren Mengen- bzw. Preisentscheidungen berücksichtigen, resultiert ein anderes Marktergebnis als bei vollkommenem Wettbewerb, in dem die Unternehmen durch ihr Handeln keinen Einfluss auf das Marktergebnis nehmen können. Funktionierender Wettbewerb führt also in einem oligopolistischen Markt zu einem anderen Ergebnis verglichen mit einem Markt, in dem vollkommene Konkurrenz herrscht. Dies ist bei der Beurteilung von Marktergebnissen in oligopolistischen Märkten immer zu berücksichtigen.
Hinsichtlich der dynamischen Effizienz könnte eine oligopolistische Marktstruktur jedoch gegenüber den beiden Marktformen des Monopols und der vollkommenen Konkurrenz gewisse Vorzüge aufweisen. Durch den Wettbewerb innerhalb des Oligopols werden Anreize gesetzt, durch einen Entwicklungsvorsprung oder eine Produktinnovation einen Vorteil gegenüber den Konkurrenten zu erlangen. Anders als bei vollkommener Konkurrenz, bei der die Unternehmen zwar ähnliche Anreize für Forschung und Entwicklung haben, verfügen die Oligopolisten aufgrund ihrer Gewinne auch über die finanziellen Mittel, derartige Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen durchzuführen und haben häufig einen besseren Zugang zum Kapitalmarkt, um solche Investitionen zu finanzieren. Weiterhin haben sie auch eher die Möglichkeit, sich die Erträge aus diesen Investitionen anzueignen. Der Wettbewerb zwischen den Oligopolisten mittels Innovationen kann also einen wichtigen Beitrag für die dynamische Effizienz leisten. Allerdings zeigen sowohl die theoretischen Analysen als auch die Resultate empirischer Untersuchungen kein eindeutiges Bild, sodass sich auch in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur keine einhellige Meinung über den Zusammenhang zwischen Marktstruktur, gemessen an der Zahl der Unternehmen in einer Industrie, und Innovationstätigkeit herausgebildet hat. Es scheint sich jedoch die Tendenz abzuzeichnen, ein Oligopol als die für die dynamische Effizienz am besten geeignete Marktstruktur zu sehen.100 Dies legen auch Ergebnisse aus anderen Bereichen der Wirtschaftstheorie, der Wachstumstheorie, nahe.101
VI. Monopson und Oligopson
In den bisherigen Abschnitten wurde eine Reihe von Modellen vorgestellt, in denen von unvollständigem Wettbewerb zwischen den Anbietern ausgegangen wurde. Im Folgenden sollen kurz die zentralen Aussagen über Märkte mit unvollkommenem Wettbewerb zwischen den Nachfragern skizziert werden. Es handelt sich dabei um die Situation eines einzigen Nachfragers, des Monopsons sowie die einer kleinen Gruppe von Nachfragern, eines Oligopsons.
Der Monopsonist als alleiniger Nachfrager nach einem Gut sieht sich der Gesamtangebotsfunktion dieses Gutes gegenüber. Im Allgemeinen wird diese Angebotsfunktion einen steigenden Verlauf haben. Analog zu einem Monopol, das durch eine geringere Angebotsmenge einen höheren Verkaufspreis erzielt, um seinen Gewinn zu maximieren, kann ein Monopson durch eine geringere Nachfragemenge z.B. eines Zwischenproduktes oder Produktionsfaktors einen niedrigeren Einkaufspreis erzielen. Durch diese strategische Zurückhaltung von Nachfrage kann das Monopson einen höheren Gewinn erzielen. Ähnlich wie beim Monopol wird es durch monopsonistisches Verhalten zu einer Umverteilung von den Anbietern zu den Nachfragern kommen und es wird darüber ein Verlust an volkswirtschaftlicher Rente entstehen.102 Es wird eine geringere Menge nachgefragt als bei einer effizienten Allokation und der Endkundenpreis ist trotz des geringeren Einstandspreises höher.
Eine ähnliche Überlegung gilt für ein Oligopson. Auch hier wird es zu einer geringeren Nachfrage nach dem Produkt kommen, allerdings wird sie nicht so gering ausfallen wie beim Monopson, sondern einen Preis für das nachgefragte Gut ergeben, der höher ist als beim Monopson, aber niedriger als bei vollkommener Konkurrenz der Nachfrager. In einer solchen Situation ist das Monopson bzw. das Oligopson völlig analog zum Monopol bzw. Oligopol. Dies setzt jedoch voraus, dass das Monopson bzw. das Oligopson entweder Endverbraucher des nachgefragten Produktes ist oder als Verkäufer des mit dem Zwischenprodukt hergestellten Gutes selbst Preisnehmer auf dem Verkaufsmarkt ist. Ist diese Bedingung aber nicht erfüllt, d.h. verfügt das Monopson oder Oligopson selbst über monopolistische oder oligopolistische Marktmacht, dann wird der Verlust an volkswirtschaftlicher Rente durch den unvollkommenen Wettbewerb sowohl auf der Nachfrager-