1. Grundlagen der Spieltheorie
Die Spieltheorie hat sich seit Beginn der 1970er Jahre zum wichtigsten analytischen Instrument der Industrieökonomik entwickelt.71 Vor allem aufgrund dieser Methode hat dieses Gebiet der Wirtschaftstheorie vor allem in den letzten 30–35 Jahren eine stürmische Weiterentwicklung erfahren und es ist eine Fülle neuer Konzepte und Modelle entwickelt worden, die zu einem tieferen Verständnis der Vorgänge auf Märkten mit unvollkommenem Wettbewerb geführt haben. Es werden im Folgenden die Grundbegriffe der Spieltheorie eingeführt und zur Illustration auf eine einfache stilisierte Oligopolsituation übertragen.
Allgemein wird in der Spieltheorie jede strategische Entscheidungssituation als ein Spiel bezeichnet. Dieser Terminus hat sich aus historischen Gründen etabliert, denn die ersten Untersuchungen, die im Rahmen strategischer Entscheidungsprobleme durchgeführt wurden, betrafen Gesellschaftsspiele wie Schach, Poker etc. In der Spieltheorie wird zwischen nichtkooperativen und kooperativen Spielen unterschieden. Bei kooperativen Spielen wird davon ausgegangen, dass die an einer Situation strategischer Interdependenz beteiligten Akteure, z.B. die Unternehmen in einem Oligopol, in der Lage sind, Absprachen oder Vereinbarungen derart zu treffen, dass die Einhaltung dieser Vereinbarungen durch einen (wie auch immer gearteten) exogen gegebenen Erzwingungsmechanismus (z.B. hohe Vertragsstrafen, die vor Gericht einklagbar sind) immer durchgesetzt werden kann. Im Unterschied dazu wird bei nichtkooperativen Spielen unterstellt, dass die Akteure keine erzwingbaren Vereinbarungen treffen können.
Für die Oligopoltheorie sind in erster Linie nichtkooperative Spiele von Bedeutung, denn in vielen Situationen gibt es für die Oligopolisten keine Möglichkeit, bindende Verträge zu schließen. So steht z.B. eine Vereinbarung über den Preis oder eine Festlegung der Produktionsmengen im Widerspruch zum Wettbewerbsrecht und kann daher vor Gericht nicht durchgesetzt werden. Wenn nun zwischen den Oligopolisten eine gesetzwidrige Vereinbarung getroffen wird, muss jeder der daran beteiligten Akteure einen Anreiz haben, diese Vereinbarung von sich aus einzuhalten und nicht davon abzuweichen. Eine Kartellabsprache über den Preis muss also die Eigenschaft haben, dass sich jedes Unternehmen im eigenen Interesse an diese Absprache hält. Wenn dies der Fall ist, dann hat eine Vereinbarung die Eigenschaft, sich „selbst zu erzwingen“ bzw. anreizkompatibel zu sein.
a) Spieler, Strategien und Auszahlungen
Zur Beschreibung eines nichtkooperativen Spiels im Sinne der Spieltheorie muss festgelegt werden, wer die Beteiligten an einer solchen strategischen Entscheidungssituation sind, d.h. es muss definiert werden, wer die „Spieler“ sind. Weiterhin müssen die Handlungsmöglichkeiten bzw. die Strategien der Spieler beschrieben werden und drittens ist zu bestimmen, welche Ergebnisse mit den verschiedenen Strategien der Spieler, so genannten Strategiekombinationen, verknüpft sind. Diese drei Komponenten werden in der Spieltheorie als die Spielermenge, die Strategienmengen der Spieler sowie deren Auszahlungsfunktionen bezeichnet. In einem oligopolistischen Markt mit Preiswettbewerb besteht die Spielermenge aus den Oligopolisten, die Strategienmenge eines jeden Unternehmens aus allen möglichen Preisen, die das Unternehmen verlangen könnte, und die Auszahlungsfunktion eines Spielers gibt für jede mögliche Kombination der Strategien, d.h. der von den Oligopolisten gesetzten Preise, seine Auszahlung, z.B. seinen Gewinn an. In einem oligopolistischen Markt mit den drei Unternehmen A, B und C, die mittels Preisen konkurrieren, beschreibt die Auszahlungsfunktion des Unternehmens A seinen Gewinn in Abhängigkeit der von den drei Unternehmen A, B und C gesetzten Preise.72 Die Auszahlungsfunktion verbindet also die Strategien mit den Resultaten, die sich aus der strategischen Interaktion ergeben. So wird bei Preiswettbewerb auf einem Markt mit einem homogenen Gut im Allgemeinen davon auszugehen sein, dass die Konsumenten tendenziell bei der Unternehmung kaufen, die den niedrigeren Preis verlangt. Im Ergebnis wird also die Unternehmung, die den höheren Preis verlangt, ihr Produkt nicht absetzen können, also keinen oder nur einen geringen Gewinn erwirtschaften, während die Konsumenten ihren Bedarf bei der anderen Unternehmung decken. Die Gewinne eines jeden Unternehmens hängen also von den Strategien aller Unternehmen im Markt ab. Mittels der Auszahlungsfunktionen wird also die strategische Interdependenz zwischen den Spielern erfasst.
b) Nash-Gleichgewicht
Neben der formalen Beschreibung eines Spiels ist zu untersuchen, welches Ergebnis sich einstellen wird, bzw. welche Strategien die Spieler wählen. Eine allgemeine Aussage über das Resultat eines Spieles ist ein sogenanntes „Lösungskonzept“. Das in der Theorie nichtkooperativer Spiele zentrale Lösungskonzept ist das des Nash-Gleichgewichts.73 Bei diesem Gleichgewicht handelt es sich um eine Strategienkombination, bei der keiner der Spieler einen Anreiz hat, einseitig, d.h. bei gegebenen Strategien der anderen Spieler, von seiner Strategie abzuweichen. Die Strategien sind also wechselseitig beste Antworten. Ein Nash-Gleichgewicht hat daher die Eigenschaft, anreizkompatibel zu sein.
Die Idee des Nash-Gleichgewichts kann anhand einer einfachen strategischen Entscheidungssituation mit 2 Spielern, A und B, illustriert werden, die jeweils über 3 Strategien verfügen. Der Spieler A kann zwischen den Strategien 1, 2 und 3, der Spieler B zwischen den Strategien a, b und c wählen. Die Resultate der neun möglichen Strategiekombinationen werden in einer so genannten Auszahlungsmatrix zusammengefasst, die in den einzelnen Zellen die Auszahlungen angibt, die jeder Spieler bei jeder möglichen Strategienkombination erhält. Dabei bezeichnet die erste Zahl die Auszahlung für den Spieler A, die zweite die für den Spieler B. Der Spieler A kann also die Zeile der Matrix wählen, der Spieler B die Spalte.
B | ||||
---|---|---|---|---|
a | b | c | ||
A | 1 | 32,32 | 41,30 | 48,24 |
2 | 30,42 | 40,40 | 50,36 | |
3 | 24,48 | 36,50 | 48,48 |
Das Nash-Gleichgewicht dieses Spiels ist durch die Strategienkombination 1,a gegeben, da nur bei dieser kein Spieler einen Anreiz hat, einseitig von seiner Strategie abzuweichen. Bei jeder anderen Strategienkombination würde entweder Spieler A oder Spieler B seine Strategie ändern wollen. So würde z.B. bei der Kombination 3,c der Spieler A lieber die Strategie 2 wählen, vorausgesetzt Spieler B bleibt bei der Strategie c. Das Nash-Gleichgewicht in diesem Spiel macht deutlich, dass die Verfolgung der individuellen Interessen dazu führen kann, dass sich im Gleichgewicht ein Ergebnis einstellt, das für beide Spieler nicht optimal ist. Die Strategienkombinationen 2,b oder 3,c geben beiden Spielern höhere Auszahlungen, aber sie bilden kein Nash-Gleichgewicht, da jeder Spieler einen Anreiz hat, davon abzuweichen. Individuelle und kollektive Rationalität können also sehr verschieden sein, wie in dem hier dargestellten Fall eines Gefangenendilemmas. Hier gibt es genau ein Nash-Gleichgewicht, es können jedoch auch Fälle eintreten, in denen es mehrere Strategienkombinationen gibt, die ein Nash-Gleichgewicht bilden, oder keine Strategienkombination existiert, die die Bedingungen für ein Nash-Gleichgewicht erfüllt. In diesen Fällen kann dann entweder keine eindeutige Aussage über das zu erwartende Resultat getroffen werden, oder eine Prognose ist nicht möglich.74
2. Gleichgewichte auf oligopolistischen Märkten
Das Konzept des Nash-Gleichgewichtes kann dazu verwendet werden, das Marktergebnis bei oligopolistischem Wettbewerb zu untersuchen.75 Ein wichtiger Aspekt oligopolistischen Wettbewerbs betrifft die von den Unternehmen eingesetzten Wettbewerbsparameter, d.h. ihre Strategien. Dabei wird in der Regel zwischen Preis- und Mengenwettbewerb unterschieden. Der Grund für eine solche Unterscheidung liegt vor allem darin, dass in bestimmten Industrien die Mengenentscheidung, z.B. aufgrund der gewählten Produktionskapazität, nur schwer revidiert werden kann, während der Preis ohne größere Probleme den Marktverhältnissen so angepasst werden kann, dass die produzierte Menge auch abgesetzt wird, wie das z.B. bei homogenen Massengütern wie Zement, Beton, oder Getreide der Fall ist. Diese Industrien sind also eher durch Mengenwettbewerb gekennzeichnet, der auch als Cournot-Wettbewerb bezeichnet wird.76 In anderen Branchen hingegen ist eine Preisanpassung kurzfristig nur schwer möglich oder sehr kostspielig, weil z.B. umfangreiche Kataloge gedruckt wurden. Hier kann allerdings die