Peter Becker

Vom Stromkartell zur Energiewende


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sollte autonom agieren können. Nach den Formulierungen in Absatz 2 waren die Aufgaben „Privatisierung und Reorganisation“, aber nach Abs. 1 Satz 1 hatte offensichtlich die Privatisierung Vorrang.

      Aber das ist bis heute umstritten. Der erste Präsident der THA, Detlev Rohwedder, den die DDR-Regierung bestellt hatte, wäre der Mann gewesen, um auch für „Reorganisation“ zu sorgen. Geboren in Gotha, Mitinhaber einer Treuhand- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Düsseldorf, von 1969 bis 1978, anfangs in der Willy-Brandt-Ära (er war Sozialdemokrat), Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, hatte das richtige „Standing“. Denn er hatte seit 1979 den Dortmunder Stahlkonzern Hoesch saniert und neu ausgerichtet; eine große Leistung, die mit dem Titel „Manager des Jahres“ im Jahr 1983 belohnt wurde. Ihm traute die Regierung der DDR daher mit Recht auch die Restrukturierung der ostdeutschen Wirtschaft zu, wo möglich. Aber Rohwedder wurde am 1.4.1991 in seinem Haus von der RAF ermordet, wahrscheinlich von deren Mitglied Wolfgang Grams. Der Mord wurde – auch wegen Ermittlungsmängeln – nie aufgeklärt. Für die Wirtschaft der DDR, die von den riesigen Staatskombinaten in für den Wettbewerb geeignete Strukturen hätte überführt werden müssen, war dieser Mord ein großes Unglück.

      Matthäus-Maier:

       2. Ausnahme: der Stromvergleich

      Die Kombinatsdirektoren beschlich aber parallel ein großer Defätismus. Es war nämlich offen, ob ihre veralteten Anlagen den nächsten Winter überstehen würden. Außerdem: Wie standen sie mit diesen Netzen vor „dem Westen“ da? Technische Hilfe, die die westdeutschen Konzerne anboten, wurde daher dankend entgegengenommen. Vor diesem Hintergrund entstand der erste Entwurf der Stromverträge, gefertigt von dem visionären Rechtsabteilungsleiter Dr. Dingeldey bei PE in Hannover (der leider viel zu früh verstorben ist). PE und Bayernwerk wussten, dass der Bund in Gestalt der Abteilungsleiterin Ria Kemper aus dem Bundeswirtschaftsministerium diese Annäherungen positiv begleitete. So wurden schon frühzeitig die Weichen für den Komplettkauf der ostdeutschen Stromwirtschaft durch die westdeutschen Stromkonzerne gestellt. Und es war kein Wunder, dass die Konzerne deren Restrukturierung nach ihren Regeln gestalten wollten – also denen des Monopols.

      Die Volkskammer wollte aber etwas ganz Anderes, nämlich die Rekommunalisierung der örtlichen Stromversorgungen wie zu Zeiten der DDR, aber auch auf modernem technischen Niveau. Das sollte mit den Kommunalisierungsregelungen im Treuhandgesetz (§ 1 Abs. 3), der Kommunalverfassung und dem Kommunalvermögensgesetz abgesichert werden. Nur – wie geschildert – die Parlamentarier wurden übergangen. Die Kommunalverfassungsbeschwerde, organisiert von „Entrepreneuren“ in einigen ostdeutschen Kommunen und wenigen engagierten Helfern aus dem Westen, und der Stromvergleich setzten aber doch die Intentionen der Volkskammer um: Ein riesiger Erfolg, „von hinten durch die Brust ins Auge“, weil außerhalb der Kontrolle der Konzerne und mit Hilfe des Verfassungsgerichts, das sich mit dem Stromvergleich sein „Standing“ in den neuen Bundesländern erarbeitet hat, wurden die Weichen anders gestellt.

      Die THA blieb allerdings zuständig für die weitere Abwicklung des Stromvergleichs in Sachen Gas. Denn es war nicht gelungen, den Stromvergleich eins zu eins auf den „Gasvergleich“ zu übertragen. Vielmehr mussten die ostdeutschen Kommunen ihre Gasstadtwerke nach dem Ertragswert erwerben, freilich unter Anrechnung ehemaliger Vermögenswerte und staatlicher Übernahme der Altlasten. Trotzdem liefen noch Jahrzehnte Prozesse zum Sujet.

      So gehören der Stromvergleich und die Bildung der ostdeutschen Stadtwerke zu den wenigen wirtschaftlichen Highlights der Einigung. Ob das allen Kommunen klar ist? Denn sie waren das Gegenstück zu den Privatisierungen und aktivierten mit der Gründung von zahlreichen Stadtwerken