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Strafrecht Besonderer Teil


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Nr. 3 des Abs. 1 findet sich ein Auffangtatbestand, der weniger konkret als die NRn. 1 und 2 als schwere Folge anerkennt, wenn das Körperverletzungsopfer »in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt«. Der Unrechtsgehalt gerade bei der dauerhaften Entstellung muss den in Nr. 1 und 2 erfassten Folgen entsprechen. Um »die Anwendung des Strafrahmens des § 226 Abs. 1 StGB [zu] rechtfertigen […], dürfen nur solche Verunstaltungen des Gesamterscheinungsbildes des Verletzten als tatbestandsmäßig eingestuft werden, die im Maß ihrer beeinträchtigenden Wirkung zumindest der in ihrem Gewicht geringsten der übrigen in § 226 Abs. 1 StGB genannten Folgen (z.B. Verlust des Sehvermögens, des Sprechvermögens, Siechtum, Lähmung, geistige Krankheit, Behinderung) in etwa gleichkommen […].«[365]

      b) § 227 StGB

      206Die Körperverletzung mit Todesfolge gem. § 227 StGB ist eine Erfolgsqualifikation, so dass auch hier § 18 StGB zur Anwendung kommt. Danach muss die schwere Folge – hier der Tod – mindestens fahrlässig herbeigeführt werden. Da die Fälle der vorsätzlichen Herbeiführung des Todes unter die §§ 211ff. StGB fallen, erfasst § 227 StGB faktisch nur Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen. In Hinblick auf den Grundtatbestand stellt sich bezüglich § 225 Abs. 1 Alt. 1 StGB (Quälen) dieselbe Frage wie bei § 226 StGB (vgl. oben Rn. 198).

      207Im Zusammenhang mit dem tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhang, der bei Erfolgsqualifikationen stets zur Kausalität hinzutreten muss, besteht bei § 227 StGB ein Streit darüber, ob der Tod Folge der Körperverletzungshandlung |96|(so die Rechtsprechung) oder des Körperverletzungserfolges (so viele Stimmen in der Literatur) sein muss.[366] Grundlegende Ausführungen zu seiner »Handlungslösung« machte der BGH anhand des folgenden Falles (»Gubener Hetzjagd«): Eine Gruppe Rechtsradikaler trifft, als sie des nachts mit drei Autos eine Straße in der brandenburgischen Stadt Guben entlang fährt, auf mehrere männliche Personen, die sie als Ausländer identifizieren. Die Rechtsradikalen schneiden ihnen den Weg ab, springen aus den Wagen und rennen laut schreiend auf diese Personen zu. Die angegriffenen Männer flüchten. Dabei tritt einer von ihnen voller Panik eine Glasscheibe in einer Haustür ein, um in dem Haus Schutz zu suchen. Dabei verletzt er sich an einer Schlagader am Bein und verblutet binnen kürzester Zeit. Der BGH bejahte eine Strafbarkeit der Verfolger wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge: § 227 StGB setzt unter anderem voraus, dass der Tod der verletzten Person »durch die Körperverletzung (§ 223 bis § 226)« verursacht worden ist […]. Dabei reicht es nicht aus, dass zwischen der Körperverletzungshandlung und dem Todeserfolg überhaupt ein ursächlicher Zusammenhang besteht, die Körperverletzung also nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass damit zugleich der Tod des Verletzten entfiele. § 227 StGB soll allein der mit der Körperverletzung verbundenen Gefahr des Eintritts der qualifizierenden Todesfolge entgegenwirken. Die genannte Vorschrift erfasst deshalb nur solche Körperverletzungen, denen die spezifische Gefahr anhaftet, zum Tode des Opfers zu führen; gerade diese Gefahr muss sich im tödlichen Ausgang niedergeschlagen haben […]. Eine solche deliktsspezifische Gefahr kann auch schon von der bloßen Körperverletzungshandlung ausgehen […]. Der Wortlaut der Bestimmung steht einer solchen Auslegung nicht entgegen […]. Auch der Gesetzgeber ist dieser Rechtsprechung nicht entgegengetreten. Vielmehr hat er § 227 I StGB durch den Zusatz »(§ 223 bis § 226)« ergänzt […], ohne […] die in §§ 223, 224, 225 StGB enthaltenen versuchten Körperverletzungsdelikte (jeweils Abs. 2) vom Anwendungsbereich des § 227 StGB auszunehmen […]. Mithin ist der Versuch einer Körperverletzung mit Todesfolge auch in Form eines »erfolgsqualifizierten Versuchs« möglich.«[367] Der BGH schließt also aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber auch versuchte Körperverletzungen für »qualifikationsfähig« im Sinne des § 227 StGB hält, dass es nicht auf den Körperverletzungserfolg ankommen könne (den gibt es beim Versuch noch nicht). Es müsse sich die Gefährlichkeit der Körperverletzungshandlung in der schweren Folge realisieren.

      208Der Letalitätstheorie genannte Standpunkt aus der Literatur hält dem BGH entgegen, dass der Wortlaut des § 227 StGB eindeutig für seine Ansicht spreche: »Die Körperverletzung« müsse den Tod »der verletzten Person« verursachen und damit könne sprachlich nur der Körperverletzungserfolg gemeint sein. Dieser müsse sich zu der besonders schweren Folge, dem Tod, »weiterentwickeln«, |97|gewissermaßen vertiefen, denn nur dann sei der spezifische Gefahrenzusammenhang, der die erheblich erhöhte Strafandrohung rechtfertige, gegeben. [368]

      209In der Klausur sind wie so oft beide Ansätze gut vertretbar. Es kommt darauf an, zu erkennen, ob sie überhaupt zu verschiedenen Ergebnissen führen und (nur) dann zu argumentieren, weshalb man sich für einen der beiden Ansätze entscheidet.

      210Tab. 5: Prüfungsaufbau §§ 226, 227 StGB

      5. Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB)

      211In § 229 StGB ist geregelt, dass auch das fahrlässige Verursachen einer Körperverletzung gem. § 223 StGB strafbar ist. Objektiv sind die Tatbestände der §§ 223, 229 StGB also im Ausgangspunkt identisch, sie unterscheiden sich nur durch die jeweiligen Anforderungen an die subjektive Tatseite und das Erfordernis objektiver Sorgfaltspflichtwidrigkeit.[369]

      212Obwohl § 228 StGB als besonderer Rechtfertigungsgrund an die vorsätzlichen Körperverletzungsdelikte anschließt und er systematisch nicht auf § 229 StGB anwendbar zu sein scheint, geht die herrschende Meinung vom Gegenteil aus. Wenn die Einwilligung in eine vorsätzliche Körperverletzung die Tat rechtfertigen kann, soll dies erst Recht für fahrlässige Körperverletzungen gelten.[370] Auch bei § 229 StGB kann daher die Einwilligung des Rechtsgutinhabers in ein bestimmtes Risiko, das sich dann in einem Verletzungserfolg realisiert, zur Straflosigkeit führen.

      213Die Qualifikationstatbestände der §§ 224, 226 StGB greifen bei einer fahrlässigen Körperverletzung nicht, da sie stets eine vorsätzliche Begehung voraussetzen. Das ergibt sich aus der systematischen Stellung im Gesetz – sie |98|folgen unmittelbar auf den Grundtatbestand des § 223 StGB.[371] Auch wenn also jemand einen anderen fahrlässig mit einem Messer verletzt, ist § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht einschlägig.

      214Fahrlässige Körperverletzungen werden in der Praxis oft durch Unterlassen verwirklicht, etwa wenn jemand seinen Verkehrssicherungspflichten nicht nachkommt und dadurch ein anderer körperlichen Schaden nimmt. Wie üblich kommt eine Unterlassensstrafbarkeit aber nur in Betracht, wenn eine Garantenstellung vorliegt.[372]

      215Hinsichtlich der Voraussetzungen einer Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung gelten die allgemeinen Regeln der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit.[373]

      216Tab. 6: Prüfungsaufbau § 229 StGB

      6. Misshandlung Schutzbefohlener (§ 225 StGB)

      a) Einleitung

      217§ 225 StGB knüpft an ein besonderes Täter-Opfer-Verhältnis an. Täter kann nur sein, wen gegenüber dem Opfer eine bestimmte, in den NRn. 1 bis 4 des Abs. 1 abschließend aufgeführte[374] Fürsorgepflicht trifft. Das Opfer wiederum muss entweder unter 18 Jahre alt oder wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlos sein. In den Anwendungsbereich des § 225 StGB fallen daher in erster |99|Linie Misshandlungen und Vernachlässigungen von Erziehungspersonen gegenüber Kindern oder von Pflegepersonal gegenüber alten oder kranken Menschen.[375]

      b) Tatbestand

      218Die Wehrlosigkeit des volljährigen Opfers muss aus der Gebrechlichkeit oder aus der Krankheit resultieren.[376] Es wird darunter das Unvermögen verstanden, sich gegen die Tathandlung zur Wehr zu setzen.[377] Das Bestehen einer Fluchtmöglichkeit schließt das Vorliegen von Wehrlosigkeit nicht aus.[378]

      219Eine Misshandlung Schutzbefohlener kann durch Quälen