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Strafrecht Besonderer Teil


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die Körperverletzung, die gewissermaßen »Durchgangsstadium«[304] ist, gesetzeskonkurrierend (Subsidiarität) zurück[305]. Anders ist es, wenn durch dieselbe Handlung eine Körperverletzung und ein versuchtes Tötungsdelikt begangen werden. Dann stehen die beiden Taten im Verhältnis der Tateinheit gem. § 52 StPO: »Gesetzeseinheit liegt […] nur vor, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen von mehreren, dem Wortlaut nach anwendbaren Straftatbeständen erschöpfend erfaßt wird. Dem wird eine Verurteilung allein wegen eines versuchten Tötungsdelikts aber nicht gerecht, wenn das Opfer bei der Tat verletzt wird.«[306] Der Erwähnung des Körperverletzungsdeliktes kommt folglich eine Klarstellungsfunktion zu, da sonst nicht deutlich würde, dass es bereits zu einer Verletzung des Opfers gekommen war.[307]

      178Von den Qualifikationstatbeständen der §§ 224 bis 227 StGB wird § 223 StGB verdrängt. Auch dies ist dem Aufbau der Prüfung einfach unkommentiert zugrunde zu legen, es bedarf keiner Erläuterungen unter dem Prüfungspunkt Konkurrenzen.

      3. Gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB)

      179§ 224 Abs. 1 StGB enthält einen Katalog mit besonders gefährlichen Begehungsweisen der Körperverletzung und knüpft an diese einen im Vergleich zum Grundtatbestand erhöhten Strafrahmen. Es handelt sich folglich um eine Qualifikation der Tathandlung (Tatbestandsqualifikation). In der gutachterlichen Fallbearbeitung sollte die Prüfung des § 224 StGB in die Prüfung des Grundtatbestandes integriert werden:

      180181|85|Tab. 4: Prüfungsaufbau §§ 223, 224 StGB

      a) Qualifikationstatbestände

      aa) Körperverletzung durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen (Abs. 1 Nr. 1)

      182Die gängige Definition von Gift fasst darunter alle natürlichen oder synthetischen Stoffe, die nach ihrer Art, der beigebrachten Menge, der Form der Beibringung und der Konstitution des Opfers durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung die Gesundheit zu beschädigen geeignet sind.[308] Es kommt also nicht darauf an, dass der Herstellungszweck darin besteht, Gesundheitsschädigungen herbeizuführen. Auch gewöhnliche Stoffe wie Salz, Alkohol oder Abführmittel können bei hoher Dosierung tatbestandsmäßig sein. Die Formulierung »andere gesundheitsschädliche Stoffe« fungiert als Auffangtatbestand und erfasst alle gesundheitsschädlichen Stoffe, die kein Gift sind, etwa weil sie nicht chemisch oder chemisch-physikalisch, sondern mechanisch (z.B. dem Essen beigemengte Glassplitter) oder thermisch (z.B. kochendes Wasser) wirken. Um sie wiederum von gefährlichen Werkzeugen abzugrenzen, darf die |86|mechanische Wirkung keine zusätzliche erhebliche Kraftentfaltung durch den Täter erfordern, sondern der Stoff muss seine Wirkung von selbst entfalten.[309]

      183Die Formulierung des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt in beiden Varianten voraus, dass die Gesundheitsschädlichkeit einem Stoff innewohnt. Deshalb fallen Strahlen und elektrischer Strom nach herrschender Auffassung nicht unter die Norm, da es ihnen an der Stofflichkeit fehlt.[310] Auch Bakterien und Viren dürften eigentlich nicht erfasst werden, da sie streng genommen ebenfalls keine Stoffe sind, sondern Mikroorganismen.[311] Die herrschende Meinung subsumiert sie gleichwohl unter den Begriff der sonstigen Stoffe.[312] Relevant ist dies für Fälle der (mutwilligen) HIV-Infizierung eines anderen. Hier stellt sich u.a. die Frage, ob der Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt ist. Geht man davon aus, dass die HI-Viren wegen der fehlenden Stofflichkeit ausscheiden, bleibt nur ein Abstellen auf die Trägersubstanz, nämlich Blut oder Sperma. Diese sind in ihrer Eigenschaft als Körperbestandteile ebenfalls keine Stoffe. Bei einer Infizierung eines anderen werden sie aber regelmäßig vom Körper des Infizierten getrennt und gewinnen dadurch Stoffcharakter. Im Ergebnis lassen sich die HIV-Fälle so auch dann unter den Begriff der »anderen gesundheitsschädlichen Stoffe« fassen, wenn man die Hi-Viren selbst nicht als Stoff ansieht.[313]

      184Tathandlung der Nr. 1 ist das Beibringen des Stoffes. Dies wird üblicherweise bejaht, wenn der Stoff in einer Weise mit dem Körper des Opfers verbunden wurde, dass er seine schädliche Wirkung entfalten kann.[314] Das Opfer muss also nur irgendwie mit dem Stoff in Berührung kommen, ob dieser dann äußerlich oder innerlich wirkt, ist unbeachtlich.[315]

      bb) Körperverletzung mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs (Abs. 1 Nr. 2)

      185(1) Gefährliches Werkzeug: Eine gefährliche Körperverletzung gem. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB begeht, »wer seinem Opfer durch ein von außen unmittelbar auf den Körper einwirkendes gefährliches Tatmittel eine Körperverletzung im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB beibringt […].«[316] Ein Werkzeug ist gefährlich, wenn »es nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im konkreten Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen |87|herbeizuführen«[317]. Die Definition enthält also zwei Elemente: Das Werkzeug muss sich objektiv zur gefährlichen Nutzung eignen und auch in dem konkreten Fall in gefährlicher Weise eingesetzt worden sein.[318] Letzteres hat der BGH zum Beispiel in Bezug auf einen dünnen Ledergürtel, mit dem der Beschuldigte auf dem Rücken der Geschädigten lediglich einige leicht rote Striemen verursacht hatte, verneint: »Dass ein als Schlagwerkzeug eingesetzter dünner Ledergürtel grundsätzlich geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen, reicht […] für die Annahme einer gefährlichen Körperverletzung nicht aus. […] Da der Angeklagte dem Tatopfer durch die Schläge mit dem dünnen Ledergürtel lediglich geringfügige Verletzungen beigebracht hat und […] auch keine gravierenderen Verletzungsfolgen herbeiführen wollte, ist die nach den vorgenannten Grundsätzen für die Annahme einer gefährlichen Körperverletzung ausreichende potentielle Gefährlichkeit der konkreten Benutzung des Werkzeugs […] hier nicht gegeben.«[319] Das Erfordernis eines gefährlichen Einsatzes des Werkzeugs im konkreten Fall bedeutet hingegen nicht, dass das geschaffene gesteigerte Verletzungsrisiko auch eingetreten sein muss.[320] Ein Gürtel ist also auch dann ein gefährliches Werkzeug, wenn mit ihm zwar mit großer Wucht zugeschlagen wurde, die hervorgerufenen Verletzungen jedoch aufgrund eines zufälligen günstigen Winkels oder sonstiger willkürlicher Umstände dennoch nur leicht sind.

      186Die Benutzung des Werkzeugs muss sich stets unmittelbar in dem Verletzungserfolg niederschlagen. Wird etwa eine Person »durch ein gezieltes Anfahren zu Fall gebracht, kann darin eine gefährliche Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB liegen, wenn bereits durch den Anstoß eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens und damit eine körperliche Misshandlung gemäß § 223 Abs. 1 StGB ausgelöst worden ist. Erst infolge des anschließenden Sturzes erlittene Verletzungen sind dagegen nicht auf den unmittelbaren Kontakt zwischen Kraftfahrzeug und Körper zurückzuführen, sodass eine Verurteilung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB allein darauf nicht gestützt werden kann […].«[321]

      187Diskutiert wird, ob auch Bordsteinkanten und Wände, gegen die das Körperverletzungsopfer gestoßen, getreten oder geworfen wird, ein gefährliches Werkzeug gem. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellen.[322] Die herrschende Rechtsprechung |88|verneint dies und subsumiert nur solche Gegenstände, »die durch menschliche Einwirkung in Bewegung gesetzt werden können, nicht dagegen unbewegliche Gegenstände wie etwa ein Fußboden oder eine Wand […].«[323]. Dagegen spricht, dass es sachwidrig erscheint, hier nach Beweglichkeit und nicht nach Gefährlichkeit zu differenzieren. Egal, ob jemand mit einem Pflasterstein in der Hand den Kopf eines anderen bearbeitet oder ob er stattdessen den Kopf gegen das Pflaster stößt – dieses Verhalten ist wegen der Beschaffenheit von Stein besonders gefährlich.[324] Man muss allerdings berücksichtigen, dass der Begriff »Werkzeug« im allgemeinen Sprachgebrauch stets bewegliche Gegenstände meint, also eine Sache, die der Täter selbst führt und sich so aktiv zunutze macht.[325] Der Wortlaut des Tatbestandes als absolute Auslegungsgrenze gem. Art 103 Abs. 2GG sperrt hier deshalb die Anwendung des § 223 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf unbewegliche Sachen.[326]

      188Weiteres Standardproblem im Zusammenhang mit dem gefährlichen Werkzeug