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Strafrecht Besonderer Teil


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Zweibrücken DAR 2000, 167f.; Aussetzung mit Todesfolge: Ein Taxifahrer nimmt an einem Februarabend gegen 2 Uhr nachts einen erheblich alkoholisierten Kunden an einer Diskothek auf. Während der Fahrt beleidigt der Kunde den Taxifahrer mehrfach und veranlasst ihn wiederholt unter dem Vorwand, er müsse sich übergeben, zum Anhalten. Nachdem der Kunde den Taxifahrer gegen 2.30 Uhr auf einem menschenleeren Werksgelände abermals zum Halten veranlasst hat und aus dem Taxi ausgestiegen ist, fällt er infolge seiner Trunkenheit auf den unbefestigten Randstreifen in die aufgeweichte Erde. Hierauf beleidigt der Kunde den Taxifahrer erneut, was diesen dazu veranlasst, den Kunden zurückzulassen und nach Hause zu fahren. Hierbei |67|geht er davon aus, dass der Kunde wegen seiner erheblichen Alkoholisierung, der Jahres- und Nachtzeit und der Ortslage im Industriegebiet nicht in der Lage sein wird, sich gegen mögliche Gefahren zu schützen. Tatsächlich begibt sich der Kunde auf eine naheliegende Bundesstraße und wird dort von einem PKW-Fahrer tödlich verletzt. – Der Taxifahrer ist strafbar wegen Aussetzung mit Todesfolge nach § 221 Abs. 1 Var. 2, Abs. 3 StGB. Der Kunde konnte sich infolge seiner Alkoholisierung in der nächtlichen Umgebung nicht selbst vor aufkommenden Gefahren schützen, befand sich also in einer hilflosen Lage. In dieser hat ihn der Taxifahrer im Stich gelassen, obwohl er durch die tatsächliche Übernahme der Beförderung eines ersichtlich Angetrunkenen dazu verpflichtet war, ihn nach Hause oder zumindest zu einem weniger abgelegenen Ort zu fahren. Ferner hat sich im Tod des Kunden auch die durch die Aussetzung an einem entlegenen Ort begründete Gefahr realisiert, so dass dem Taxifahrer auch der Todeseintritt zuzurechnen ist. Vor dem Hintergrund der wiederholten Beleidigungen ist jedoch die Annahme eines minder schweren Falles nach § 221 Abs. 4 StGB in Erwägung zu ziehen.

      144OLG Stuttgart NStZ 2009, 102f.; Voraussetzungen des § 221 Abs. 1 Var. 2 StGB: Nachdem sie gemeinsam erhebliche Mengen Alkohol konsumiert haben, befinden sich drei Jugendliche auf dem Weg zum Bahnhof. In der Nähe des Bahnhofsgebäudes bricht einer der Jugendlichen infolge des vorherigen Alkohol- und Methadonkonsums im Schnee zusammen, woraufhin die anderen Jugendlichen ihn aufrichten und zu einer Bank im Bahnhofsgelände bringen, sich aber zunächst nicht um ärztliche Hilfe kümmern. Entgegen ihrem ursprünglichen Plan steigen sie zunächst nicht in den nächsten Zug, sondern betreuen den schlafenden Jugendlichen. Erst als dessen Atmung aussetzt, rufen sie einen Notarzt, der den Todeseintritt jedoch nicht mehr verhindern kann. – Die beiden Jugendlichen sind nicht strafbar nach § 221 Abs. 1 StGB. Die 1. Var. scheitert bereits daran, dass die Jugendlichen den Bekannten nicht selbst in die hilflose Lage versetzt haben, sondern diese auf dessen eigenverantwortlichen Alkoholkonsum zurückzuführen ist. Im Hinblick auf die 2. Var. fehlt es zunächst an der erforderlichen Garantenstellung. Allein aus gemeinschaftlichem Alkoholkonsum folgt keine Obhutspflicht für die körperliche Unversehrtheit eines anderen am Alkoholkonsum Beteiligten. Ferner folgt eine Garantenpflicht auch nicht aus der Verbringung des anderen Jugendlichen in den Bahnhof, da durch diese Hilfeleistung seine Situation nicht wesentlich verändert und andere Rettungswillige nicht vom Einschreiten abgehalten wurden. Unabhängig hiervon erscheint aber auch fraglich, ob die Jugendlichen den Hilfsbedürftigen im Stich gelassen haben, da sie zwar davon abgesehen haben, die optimalste Rettungsmaßnahme in Form der unverzüglichen Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe zu ergreifen, sie sich aber gleichwohl um ihren Bekannten gekümmert haben.

      |68|II. Körperverletzungsdelikte (Lea Voigt)

      1. Einleitung

      145Die Körperverletzungsdelikte spielen in der Praxis und in der universitären Lehre gleichermaßen eine große Rolle. Den Grundtatbestand bildet die »einfache« Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB, in den §§ 224ff. StGB werden Tatbestands- und Erfolgsqualifikationen sowie die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit geregelt. Nicht ohne weiteres in diese Systematik passt die Beteiligung an einer Schlägerei gem. § 231 StGB, da die Strafbarkeit hier nicht erst durch das Verletzen einer anderen Person, sondern schon dadurch ausgelöst wird, dass der Täter sich an einer Schlägerei beteiligt, die wiederum zu einer schweren Verletzung oder gar zur Tötung eines Menschen führt. Es genügt also gewissermaßen ein mittelbarer Erfolg. Hauptanknüpfungspunkt der Strafandrohung ist nicht die Verletzung, sondern das mit einer Schlägerei verbundene Risiko, dass es zu einer solchen kommt. Ebenfalls einen Sonderfall bildet die Körperverletzung im Amt gem. § 340 StGB. Danach macht sich strafbar, wer als Amtsträger im Rahmen seiner Amtstätigkeit eine Körperverletzung gem. §§ 223ff. StGB begeht. § 340 StGB stellt folglich eine Qualifikation des § 223 StGB und zugleich ein Sonderdelikt dar. Wegen der Anknüpfung an die Amtsträgereigenschaft wird § 340 StGB in dem Kapitel über die Amtsdelikte erläutert, vgl. Rn. 669ff.Ebenfalls in einem eigenständigen (Verbrechens-)Tatbestand geregelt ist neuerdings die Verstümmelung weiblicher Genitalien (§ 226a StGB).

      146Das Schutzgut der Körperverletzungsdelikte ist die körperliche Unversehrtheit und das körperliche Wohlbefinden eines anderen.[237] Eine Selbstverletzung ist folglich nicht strafbar. In Ermangelung einer strafbaren Haupttat ist in der Folge auch die Beihilfe zur Selbstverletzung straflos (vgl. die Ausführungen zur Beihilfe zum Suizid unter Rn. 115). Es gibt allerdings eine Reihe von Grenzfällen, bei denen sich die Frage stellt, ob tatsächlich noch Beihilfe vorliegt, oder ob die Schwelle zur (mittelbaren) Täterschaft überschritten ist. Das Landgericht Berlin[238] war beispielsweise mit dem folgenden Sachverhalt konfrontiert: Ein Kneipenwirt veranstaltet mit einem 16-jährigen, aber alkoholgewöhnten Gast ein Wetttrinken. Derjenige, der zuerst aufhört zu trinken oder sich übergibt, verliert. Der Gast fällt nach 44 Gläsern ins Koma und verstirbt später. Der Wirt hatte sich während des Wettbewerbs heimlich statt Tequila Wasser in sein Glas gießen lassen und bleibt deshalb unversehrt. Das Landgericht hat den Wirt wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Der Verstorbene hat sich zwar autonom zu dem Wetttrinken entschlossen, war über die Wirkung von Alkohol informiert |69|und hat auch gewusst, wie viele Gläser er bereits getrunken hatte. Durch die Wettbewerbsmanipulation des Wirts habe er jedoch irrig angenommen, sein Konkurrent habe bereits ebenso viel getrunken. Dieser bewusst gesetzte Irrtum begründe eine Tatherrschaft des Wirts, weshalb eine eigenverantwortliche Selbstschädigung ausscheide. Der Wirt war nach der Ansicht des LG Berlin mittelbarer Täter.[239]

      147Über den Begriff des Körpers gibt es einige Meinungsverschiedenheiten. Sie werden festgemacht an der Frage, ob künstliche Körperteile (z.B. Beinprothesen), implantierte Hilfsmittel (z.B. Herzschrittmacher) und vom Körper getrennte Körperbestandteile (z.B. entnommenes Blut oder Organe) Gegenstand eines Körperverletzungsdelikts sein können, oder ob deren Beschädigung unter § 303 StGB (Sachbeschädigung) fällt. Die meisten Stimmen stellen bei der Beurteilung solcher Fälle darauf ab, ob es (noch oder schon) eine dauerhafte Verbindung mit dem Körper gibt. Durch diese Verbindung verlieren Prothesen ihre Sacheigenschaft und werden Körperbestandteile. Andersherum werden natürliche Körperteile zu Sachen, wenn sie nicht nur vorübergehend vom Körper getrennt werden.[240]

      148In § 230 Abs. 1 StGB ist für die einfache Körperverletzung (§ 223 StGB) und die fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) vorgesehen, dass diese nur auf Antrag des Verletzten verfolgt werden, wenn die Strafverfolgungsbehörden kein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejahen (Antragsdelikt).[241] Abs. 2 berechtigt bei Körperverletzungshandlungen gegen Amtsträger (z.B. Polizisten) auch den Dienstherrn dazu, Strafantrag zu stellen.

      2. (Einfache) Körperverletzung (§ 223 StGB)

      a) Tatbestand

      149Der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB ist schnell zu überblicken: Objektiv verlangt er eine üble und unangemessene Behandlung, die den anderen in seiner körperlichen Unversehrtheit oder seinem körperlichen Wohlbefinden nicht nur |70|unerheblich beeinträchtigt[242] (= körperliche Misshandlung)[243] bzw. das Hervorrufen, Steigern oder Unterhalten eines krankhaften Zustandes[244] (= Gesundheitsschädigung). Subjektiv ist mindestens bedingter Vorsatz erforderlich. In Abs. 2 ist auch der Versuch einer Körperverletzung unter Strafe gestellt.[245]

      150Eine seelische Beeinträchtigung kann für § 223 StGB genügen,[246] wenn sie zumindest vorübergehend das Niveau einer psychischen Erkrankung (z.B. Depression, Angststörung) erreicht