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Strafrecht Besonderer Teil


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»Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, daß durch das Unterlassungsdelikt der Gesundheitsbeschädigung infolge böswilliger Vernachlässigung der Sorgepflicht die Strafbarkeit des Quälens und des rohen Mißhandelns eingeschränkt sein soll […].«[380] Die ausdrückliche Regelung eines (echten) Unterlassungsdeliktes bedeutet demnach nicht, dass nicht auch die beiden erstgenannten Begehungsvarianten durch Unterlassen verwirklicht werden können (unechtes Unterlassungsdelikt[381]). Die Garantenstellung ist dann jeweils durch die Fürsorgepflicht gem. Abs. 1 Nr. 1 bis 4 gegeben.

      220»Quälen bedeutet das Verursachen länger dauernder oder sich wiederholender Schmerzen, wobei dieses Tatbestandsmerkmal typischerweise durch Vornahme mehrerer Handlungen verwirklicht wird und gerade die ständige Wiederholung für sich den besonderen Unrechtsgehalt dieser Form der Körperverletzung auszeichnet […]. ‚Roh’ ist eine Misshandlung i.S.d. Tatbestandes, wenn sie aus einer gefühllosen gegen die Leiden des Opfers gleichgültigen Gesinnung heraus erfolgt, wobei die Gefühllosigkeit keine dauernde Charaktereigenschaft zu sein braucht […] und deshalb das Merkmal ›roh‹ auch das ›Wie‹ der Misshandlung betrifft […].«[382] Die Fürsorgepflicht vernachlässigt böswillig, »wer die Pflichtverletzung aus besonders verwerflichem Motiv, nicht aber […] aus Gleichgültigkeit oder Schwäche begeht […].«[383]

      221Es wird darüber gestritten, ob der Begriff des Quälens bei § 225 StGB auch durch rein seelische Beeinträchtigungen erfüllt sein kann. Der alltägliche |100|Sprachgebrauch legt eine solche Auslegung nahe.[384] Geht man davon aus, stellt die Begehungsvariante des Quälens im Gegensatz zu den sonstigen Varianten des § 225 StGB keine Qualifikation des § 223 StGB dar, sondern einen eigenständigen Tatbestand.[385] Dagegen wird eingewandt, dass § 225 StGB Teil des Abschnitts der Körperverletzungsdelikte ist und daher Quälen hier nur dann vorliegen könne, wenn die psychische Einwirkung auch körperliche Folgen hat.[386] Beide Ansichten sind gut vertretbar.

      c) Konkurrenzen

      222Die Frage der Eigenständigkeit der Begehungsvariante des Quälens wirkt sich bei den Konkurrenzen aus. Nimmt man an, dass der Schutzbereich des § 225 StGB weiter geht als der des § 223 StGB und auch die seelische Integrität erfasst, dann besteht zwischen § 225 Abs. 1 StGB in der Variante des Quälens und einer Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB Tateinheit, da ihre Schutzrichtungen nicht deckungsgleich sind.[387] Subsumiert man hingegen nur körperliche Beeinträchtigungen unter den Begriff des Quälens, dann wird § 223 StGB wie bei den anderen Begehungsvarianten des § 225 StGB konsumiert und tritt deshalb gesetzeskonkurrierend zurück.[388]

      d) Erfolgsqualifikation

      223Es ist schließlich zu beachten, dass in Abs. 3 zwei Erfolgsqualifikationen geregelt sind, die durch ein Mindeststrafmaß von einem Jahr Freiheitsstrafe einen Verbrechenstatbestand darstellen. Es gelten die allgemeinen Regeln für Erfolgsqualifikationen[389].

      7. Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB)

      a) Einleitung

      224Jede Schlägerei ist eine Mehrzahl von wechselseitigen Körperverletzungshandlungen. Schlimmstenfalls kommen versuchte oder vollendete Tötungshandlungen hinzu. Für beide Tatgruppen gibt es jenseits von § 231 StGB differenzierte Straftatbestände (§§ 223ff.; §§ 211ff. StGB). Dennoch hat der Gesetzgeber sich entschieden, dem Phänomen der Schlägerei eine eigene Norm zu widmen. Dies wird damit gerechtfertigt, dass die besondere Dynamik von Schlägereien, die sich schnell verselbstständigen kann, Anknüpfungspunkt für die Strafandrohung |101|ist. Die Norm ist daher ein »reines Gefährdungsdelikt«[390], der Täter wird »allein ›schon wegen‹ der Beteiligung an einer solchen Schlägerei bestraft. Da Schlägereien erfahrungsgemäß oft schwerwiegende Folgen haben, soll wegen dieser Gefährlichkeit schon der Beteiligung daran entgegengetreten werden, ohne daß es auf den – oft nicht möglichen – Nachweis der Ursächlichkeit gerade dieser Beteiligung für die schweren Folgen der Schlägerei ankäme […].«[391]

      b) Objektiver Tatbestand

      225Es kommt also, anders als etwa bei § 223 StGB, nicht auf die konkrete Verletzungshandlung an.[392] Stattdessen genügt, wenn eine Schlägerei oder ein von mehreren geführter Angriff zu einer schweren Körperverletzung gem. § 226 StGB oder dem Tod eines Menschen führt und der Beschuldigte sich daran beteiligt hat. War ihm diese Beteiligung (als Ganzes)[393] nicht vorzuwerfen – etwa weil er in Notwehr gem. § 32 StGB handelte – ist die Strafbarkeit ausnahmsweise bereits auf Tatbestandsebene ausgeschlossen (§ 231 Abs. 2 StGB).

      226Eine Schlägerei wird definiert als »Streit mit gegenseitigen Körperverletzungen zwischen mindestens drei Personen.«[394] Es soll allerdings nicht erforderlich sein, dass drei Personen gleichzeitig kämpfen: »Eine Schlägerei ist auch dann anzunehmen, wenn nacheinander jeweils nur zwei Personen gleichzeitig wechselseitige Tätlichkeiten verüben, zwischen diesen Vorgängen aber ein so enger innerer Zusammenhang besteht, dass die Annahme eines einheitlichen Gesamtgeschehens gerechtfertigt ist.«[395]

      227Ob die Beteiligten der Schlägerei »durch eigenes Verschulden in den Streit verwickelt wurden, ist dabei ohne Bedeutung. Das folgt aus dem Grundgedanken des § 231 StGB ebenso wie aus dem Wortlaut dieser Bestimmung. Bei tätlichen Auseinandersetzungen zwischen mehr als zwei Personen läßt sich in der Regel nur schwer ermitteln, wer einen bestimmten Verletzungserfolg verursacht und ob er dabei rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat. Der Gefahr, daß deshalb schwerwiegendes Unrecht ungesühnt bleiben müßte, begegnet die Vorschrift des [§ 231] StGB, indem sie schon die Beteiligung an einer tätlichen Auseinandersetzung als solche mit Strafe bedroht, wenn mehr als zwei Personen in den Streit verwickelt sind. Dem Grundgedanken dieser Bestimmung zuwiderlaufen würde es daher, wenn man für die Frage, ob es sich bei einer tätlichen Auseinandersetzung um eine Schlägerei im Sinne des [§ 231] StGB handelt, darauf abheben wollte, ob mindestens drei der mitwirkenden |102|Personen schuldhaft in sie hineingezogen wurden.«[396] Bei der Frage, ob zahlenmäßig überhaupt eine Schlägerei vorliegt, kommt es folglich nicht darauf an, ob die agierenden Personen in vorwerfbarer Weise Beteiligte der Schlägerei wurden (und sich somit strafbar gemacht haben). Auch ein Opfer, das einem der Angreifer in Notwehr einen Tritt verpasst, ist Beteiligter einer Schlägerei. Beschränkt es sich hingegen auf reine Schutzwehr, hält z.B. nur schützend seine Hände vor das Gesicht, ist dies noch kein Beteiligen im Sinne der Norm.[397]

      228Beteiligen setzt aktive Teilhabe voraus, wobei jedoch ein gemeinsames Vorgehen, eine Gleichwertigkeit der Beiträge oder gar ein mittäterschaftliches Verhältnis der Beteiligten nicht erforderlich ist.[398] Ob auch reine Unterstützungshandlungen, z.B. das Anreichen von Waffen oder gefährlichen Gegenständen an die Kontrahenten, für die Erfüllung des Tatbestandes ausreichen, ist umstritten.[399] Es sollte im Einzelfall genau abgewogen werden, ob das Verhalten bereits zur Teilhabe an der Schlägerei führt, oder ob es so weit vorgelagert ist, dass ein Beteiligen im allgemeinen Sprachsinne nicht vorliegt.

      229»Unter ›einem von mehreren gemachten‹ Angriff ist die in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen abzielende Einwirkung von mindestens zwei Personen zu verstehen […]. Voraussetzung ist dabei, daß bei den Angreifenden Einheitlichkeit des Angriffs, des Angriffsgegenstandes und des Angriffswillens besteht […]. Das bedeutet nicht notwendig gemeinschaftliches Handeln als Mittäter […]. Erforderlich ist aber jedenfalls ein Zusammenwirken der Angreifer […].«[400] Es handelt sich folglich um ein Auffangtatbestandsmerkmal für Fälle, in denen zwar mit zwei Angreifern und einem Opfer drei Personen involviert sind, das Opfer allerdings keine Trutzwehr leistet und daher nicht Beteiligter im soeben beschriebenen Sinne ist. Ebenfalls erfasst sind Fälle, in denen es zwar drei oder mehr Angreifer gibt, es aber an der Wechselseitigkeit der Körperverletzung fehlt, da das oder die Opfer sich nicht wehren.[401]

      230Die Schlägerei oder der von mehreren ausgeführte Angriff muss eine schwere Körperverletzung gem. § 226 StGB oder den Tod eines Menschen nach sich ziehen. Diese Voraussetzung ist jedoch kein Merkmal des objektiven Tatbestandes,