Группа авторов

Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten


Скачать книгу

hat. In der juristischen Literatur herrschte zu jener Zeit der Kommentar vor. Mit seinen Werken „Annotationes“, „Paradoxa“, „Dispunctiones“ und „Praetermissa“ führte A. demgegenüber „offene Formen“ (Troje) in die juristische Literatur ein.

      Die Bedeutung von A.s philologisch-historischer Arbeitsweise lag vor allem in der Entwicklung einer neuen Methodik zur Bearbeitung der Rechtsquellen, während die Ergebnisse dieser textkritischen Forschungen selbst schnell überholt waren. Auf welche Quellen A. seine Forschungsergebnisse stützte, ist bis heute nicht völlig geklärt. Als sicher gilt, daß er zum Original der wichtigsten Digestenhandschrift, der in Florenz aufbewahrten „Florentina“, keinen Zugang hatte. Er selbst beruft sich in seinen „Dispunctiones“ auf einen „vetus codex digestorum“, dessen Existenz aber immer wieder in Frage gestellt wurde, so z.B. von → Savigny. OslerSavigny, Friedrich Carl v. (1779–1861) vertritt die Auffassung, A. habe Zugang zu einer Kopie der „Florentina“ gehabt.

      Welche Wertschätzung A. bereits zu seinen Lebzeiten genoß, läßt sich z.B. daraus ablesen, daß er gemeinsam mit → BudaeusBudaeus, Guilelmus (Guillaume Budé) (1467–1540) und → ZasiusZasius, Ulrich (1461–1535) |19|zum „Triumvirat“ (Cantiuncula) der führenden europäischen Juristen gezählt wurde. Sein Ruhm gründete sich aber zu einem großen Teil auch auf seine Lehrtätigkeit. Der Höhepunkt der Universitätslehrerlaufbahn war während der Jahre in Bourges erreicht. Dorthin kamen auch Johann Calvin und Franz I., um den berühmten Italiener zu hören. Nach seiner Rückkehr an verschiedene italienische Universitäten stieß A. mit seiner neuen Methodik im noch ganz der Tradition verhafteten Italien auf weniger Verständnis als in Frankreich.

      A. hat über 700 Rechtsgutachten verfaßt, die allerdings erst nach seinem Tode veröffentlicht worden sind. Besonders erwähnenswert ist ein Gutachten, das A. im Zusammenhang mit seiner Mailänder Anwaltstätigkeit in einem Hexenprozeß erstattet hat. Darin kritisierte er die „Hexenschnüffelei“ eines „Ketzermeisters“ (v. Moeller), ohne aber die Hexenverfolgung grundsätzlich abzulehnen.

      Im übrigen beschäftigte sich der Humanist A. nicht nur mit der Jurisprudenz, sondern ist auch auf anderen Gebieten durch Veröffentlichungen hervorgetreten, etwa durch seine „Emblemata“ und das Lustspiel „Philargyrus“. In seiner „Epistola contra vitam monasticam“ übte er Kirchenkritik. Obwohl seine Kritik in die gleiche Richtung ging wie die Martin Luthers, schloß sich A. nicht dessen Lehren an; in dieser Hinsicht war er noch zu sehr dem traditionellen System verpflichtet (Barni).

      Hauptwerke: Annotationes in tres posteriores Codicis Iustiniani libros, 1515. – Paradoxa iuris civilis, 1518. – Dispunctiones, 1518. – Praetermissa, 1518. – De verborum significatione, 1530. – Emblemata, 1531. – Parerga, 1538. – Contra vitam monasticam ad Bernardum Mattium epistola, 1695 (Erstveröffentlichung). – Opera omnia, 1547–1551 (weitere Ausgaben: 1557/58 (Nachdruck 2004), 1571, 1582, 1616/17).

      Literatur: G. Barni: Andrea Alciato, giureconsulto milanese e le idee della Riforma protestante, in: Rivista di storia del diritto italiano 21 (1948), 169–209. – E. Cortese: Le grandi linee della storia giuridica medievale, 22002, 403–405. – P.M. Daly: Andrea Alciato in England: aspects of the reception of Alciato’s emblems in England, 2013. – H. de Giacomi: Andreas Alciatus, 1934. – M. Gilmore: Humanists and Jurists, 1963. – A. Grimaldi: Oratio funebris (hrsg. v. Green), 1871. – J.F. Jugler: Andreas Alciat, in: J.F. Juglers Beyträge zur juristischen Biographie, Teil 3, 1777, 14–43. – G. Kisch: Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, 1960, 304–316. – J. Köhler: Der „Emblematum liber“ von Andreas Alciatus (1492–1550), 1986. – S. Langer: Rechtswissenschaftliche Itinerarien, 2000, 114–117 u. 149–157. – K. Luig: Staat und Recht in den Emblemen von Andrea Alciato (1492–1550), in: FS f. B. Großfeld, 1999, 727–744. – D. Maffei: Gli inizi dell’umanesimo giuridico, 1956. – G. Mazzuchelli: Alciati, in: ders.: Gli scrittori d’Italia I.1, 1749, 354–371. – J.G. Meusel (Hrsg.): Anekdoten von dem Rechtsgelehrten Andreas Alciat, von der Verfassung der italiänischen Universitäten und von der Ungezogenheit der italiänischen Studenten im XVI. |20|Jahr hundert, in: Johann Georg Meusels historisch-litterarisch-biographisches Magazin, Stück 2, 1790, 104–112. – E. v. Moeller: Andreas Alciat, 1907. – D. Osler: Graecum legitur: A star is born, in: Rechtshistorisches Journal 2 (1983), 194–203. – Ders.: Developments in the text of Alciatus Dispunctiones, in: Ius Commune 19 (1992), 219–235. – Ders.: Andreas Alciatus (1492–1550) as philologist, in: A Ennio Cortese III (2001), 1–7. – J. Otto: Zwang zur Ehe, Andreas Alciat (1492–1550) und die klandestine Ehe, Diss. jur. Frankfurt a.M., 1987. – Ders.: Einleitung, in: A. Alciatus: Opera Omnia, 2004, VII-L. – V. Piano Mortari: Pensieri di Alciato sulla giurisprudenza, in: Studia et documenta historiae et iuris 33 (1967), 210–220. – B. Podestà: Andrea Alciati lettore nello studio di Bologna anni 1537–41, in: Archivio giuridico 3 (1869), 347–355; 4 (1869), 199–208; 11 (1873), 84–92. – A. u. S. Rolet (Hrsg.): André Alciat (1492–1550) un humaniste au confluent des savoirs dans l’Europe de la Renaissance, 2014. – F. Schaffstein: Zum rechtswissenschaftlichen Methodenstreit im 16. Jahrhundert, in: FS f. H. Niedermeyer, 1953, 195–214. – H. Schlosser: Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 102005, 47 u. 71. – Società Storica Comense: Andrea Alciato umanista europeo, in: Periodico della Società Comense LXI (1999), 5–114. – H.E. Troje: Graeca leguntur (= Forsch. z. neueren Privatrechtsgesch. 18), 1971, 217–232. – Ders.: Zur humanistischen Jurisprudenz, in: FS f. H. Heimpel Bd. 2, 1972, 110–139. – Ders.: Alciats Methode der Kommentierung des „Corpus iuris civilis“, in: Der Kommentar in der Renaissance, hrsg. v. A. Beck und O. Herding (= Deutsche Forschungsgemeinschaft Kommission für Humanismusforschung, Mitteilung I), 1975, 47–61. – P. Vaccari: Andrea Alciato, in: Scritti in memoria di A. Giuffrè Bd. 1, 1967, 829–857. – P. Viard: André Alciat, 1926. – Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste (hrsg. v. J.G. Ersch und J.G. Gruber) I. 2 (1818), 418f. (Spangenberg). – DBGI I (2013), 29–32 (A. Belloni u. E. Cortese). – DBI II (1960), 69–77 (R. Abbondanza). – HRG2 I (2008), 139f. (A. Belloni). – Jur., 27–29 (J. Otto). – Jur.Univ. II, 147–150 (R.Rodriguez-Ocaña). – Bibliographie in: DBI II, 76f.

      A. Krauß

       [Zum Inhalt]

      |21|Johannes AlthusiusAlthusius, Johannes (1557–1638)

      (1563–1638)

      A. ist 1563 (1557?) geboren in Diedenhausen (Grafschaft Wittgenstein). Im Jahre 1586 wird er, nach Studien in Basel (Dissertation bei Basilius Amerbach) und Genf (bei → Dionysius GothofredusGothofredus, Jacobus (Jacques Godefroy) (1587–1652)), erster Rechtslehrer am akademischen Gymnasium Herborn. 1604 folgt er einem Ruf als Syndikus der Stadt Emden und bleibt in dieser Stellung bis zu seinem Tode am 12.8.1638.

      A.s erste bedeutende Schrift, die „Jurisprudentiae romanae libri duo“, gehört zu den frühesten Versuchen, ein nicht der „Legalordnung“ der Digesten verhaftetes Rechtssystem aufzustellen. Die ramistische Methode (so benannt nach ihrem Begründer Pierre de la Ramée, lat. Ramus), d.h. Ableitung aller Einteilungen aus fortschreitender Spaltung der Begriffe, ist hier erstmals Grundlage eines Rechtssystems. Der Stoff ist in einen allgemeinen und einen besonderen Teil gegliedert: das erste Buch behandelt das ius primum (materielles Recht), das zweite das ius ortum de primo (Verfahrensrecht). A. hat diese Ansätze weiter ausgebaut in der „Dicaeologica“, die ein vollständiges System des gesamten geltenden Rechts enthält. Der allgemeine Teil behandelt die Begründung des Rechts: Das natürliche Recht wird von der recta ratio communis nach den allgemeinen Bedürfnissen der menschlichen Gesellschaft aufgestellt. Das positive Recht wird von