Zweigniederlassung ungehindert gestattet werden muss. Die nachfolgende Überseering-Entscheidung[20] ergab, dass einer Gesellschaft, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats wirksam gegründet worden war, die Parteifähigkeit nicht versagt werden kann, wenn sie ihren Sitz in das Inland verlegt. Streitig blieb die Frage, ob auch eine mit Sitz im Inland nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats gegründete Gesellschaft, die nie in jenem Gründungsstaat tätig geworden war, anzuerkennen ist. Obgleich gute Gründe des Verkehrsschutzes, insbesondere der Schutz des Vertrauens von Verbrauchern, als auch der Schutz von Gläubigern, dafür sprechen, solchen bloß zum Schein ausländischen Gesellschaften im Inland die Rechtsfähigkeit zu versagen, ist nach der Inspire Art-Entscheidung[21] davon auszugehen, dass die Nichtanerkennung solcher Gesellschaften, wenn sie denn wirksam in einem anderen Mitgliedstaat gegründet wurden, gegen Art. 49, 54 AEUV verstieße, da der EuGH selbst die Kennzeichnung solcher Schein-Auslandsgesellschaften im inländischen Rechtsverkehr missbilligt hat. Aus dieser Rechtsprechung des EuGH ergibt sich zwar kein direkter Einfluss auf das IPR. Faktisch aber ist das Gesellschaftsstatut nach der Gründungstheorie zu bestimmen, wenn eine Gesellschaft nach dem Recht eines EU- oder EWR-Mitgliedstaats gegründet wurde.
c) Rechtsmissbräuchliche Zielsetzung
111
Etwas anderes könnte sich nur ausnahmsweise ergeben, wenn die Beklagte mit konkret rechtsmissbräuchlicher Zielsetzung gegründet worden wäre. Dies ist jedoch nicht ersichtlich; insbesondere ist das Gebrauchmachen von einer Gesellschaftsform eines anderen Mitgliedstaates mit dem Ziel, im Vergleich zur GmbH kostengünstig eine Haftungsbeschränkung herbeizuführen, nicht per se rechtsmissbräuchlich. Die Fly High Ltd. ist nach dem hiernach anwendbaren englischen Recht gemäß Sachverhalt wirksam gegründet worden. Damit ist die Beklagte parteifähig.
2. Zuständigkeit
a) Gegen Franz Flug
112
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Klage gegen Franz Flug unterliegt wegen dessen deutschem Wohnsitz (Art. 5 Abs. 1 Brüssel Ia-VO) der Brüssel Ia-VO; sie folgt aus Art. 4 Brüssel Ia-VO, die örtliche Zuständigkeit des AG Augsburg folgt aus §§ 12, 13 ZPO.
b) Gegen FlyHigh Ltd
113
Auch die internationale Zuständigkeit für die Klage gegen die FlyHigh Ltd. bestimmt sich nach der Brüssel Ia-VO (UK-Satzungssitz, deutscher Verwaltungssitz, Art. 63 Brüssel I-VO). Bei mehreren Wohnsitzen des Beklagten (Art. 63 Brüssel I-VO) hat der Kläger die Wahl des Wohnsitzgerichtsstandes (Art. 4 Brüssel Ia-VO). Deutsche Gerichte sind also auch international zuständig (effektive Hauptverwaltung in Augsburg).
c) Örtliche Zuständigkeit
114
Die örtliche Zuständigkeit könnte sich aus §§ 17, 12 ZPO ergeben; jedoch stellt § 17 Abs. 1 S. 2 ZPO nach hM auf den zum Handelsregister angemeldeten Satzungssitz ab, der nicht in Deutschland liegt; nur wenn sich nach materiellem Gesellschaftsrecht kein Sitz ergibt, stellt § 17 Abs. 1 S. 2 ZPO auf den Verwaltungssitz ab. Dieses, durch die alternative Wohnsitzdefinition des Art. 63 Brüssel Ia-VO geschaffene Problem kann auf mehreren Wegen gelöst werden: Da die von der Brüssel Ia-VO bestimmte internationale Zuständigkeit jedenfalls nicht am Fehlen einer örtlichen scheitern darf, bietet sich einerseits die tradierte „Notlösung“ der Zuständigkeit der Gerichte der Hauptstadt, hier des AG Schöneberg (analog § 122 Nr 6 FamFG). Dem Zweck des Art. 63 Brüssel Ia-VO dürfte es freilich eher entsprechen, die alternative Sitzbestimmung in die örtliche Zuständigkeit hinein zu verlängern. Dasselbe Ergebnis ist zu erzielen, wenn man § 17 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 ZPO analog anwendet auf Fälle, in denen sich nach materiellem Recht kein Satzungssitz im Inland ergibt. Danach ergibt sich eine örtliche Zuständigkeit des AG Augsburg.
Ergebnis:
115
Die zum AG Augsburg erhobene Klage ist also zulässig.
Frage 5: Umwandlung der FlighHigh Ltd. in eine GmbH
1. Anwendbares Recht
116
Grundsätzlich bestimmt sich die Umwandlung nach dem Gesellschaftsstatut; da die FlyHigh Ltd. trotz ihres deutschen Verwaltungssitzes ein UK-Gesellschaftsstatut besitzt, der geplante Rechtsformwechsel jedoch zu einer Gesellschaft mit deutschem Sitz und deutscher Rechtsform, somit zweifellos deutschem Gesellschaftsstatut führen soll, muss der Rechtsformwechsel sowohl nach dem vorherigen, als auch nach dem künftigen Gesellschaftsstatut zulässig sein.
2. Europarechtliche Garantie der Umwandlung aus Sicht des Wegzugsstaates
117
Ob UK-Recht die Umwandlung der FlyHigh Ltd. in eine GmbH zulässt, ist dem Bearbeiter nicht bekannt (MAT c). Die Prüfung des UK-Gesellschaftsrechts könnte entbehrlich sein,[22] wenn eine – unterstellte – Bestimmung, welche der FlyHigh Ltd. den identitätswahrenden Wechsel der Rechtsform in eine GmbH verbietet, gegen Art. 49, 54 AEUV verstieße. Hiergegen könnte sprechen, dass der EuGH in der Entscheidung Daily Mail (Rn 89) Bestimmungen des Heimatstaates einer Gesellschaft, die dieser die Sitzverlegung verbieten, europarechtlich gebilligt hat. Dies hält der EuGH zwar auch in der Cartesio-Entscheidung (Rn 89) aufrecht, präzisiert aber den Grund hierfür: Jeder Mitgliedstaat darf nach seinem IPR bestimmen, unter welchen Voraussetzungen eine Gesellschaft nach seinem materiellen Recht gegründet werden kann und damit eine Gesellschaft dieses Staates ist; er darf auch bestimmen, ob er sie „wegziehen“ lässt; erst dies verleiht der Gesellschaft die Voraussetzungen, die erforderlich sind, um nach Art. 49, 54 AEUV Niederlassungsfreiheit zu genießen. Ist die Gesellschaft jedoch zulässiger Weise „weggezogen“, so darf ihr der Heimatstaat nicht mehr untersagen, ihre Rechtsform am Ort des neuen Sitzes zu ändern; er darf in dieser Situation auch nicht die Auflösung der Gesellschaft vorsehen.[23] Da im Fall die FlyHigh Ltd. seit Gründung vom englischen Recht als englische Gesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland behandelt wird, darf sich somit das englische Recht der geplanten Umwandlung nicht widersetzen.
3. Umwandlung im neuen (deutschen) Gesellschaftsstatut
a) Deutsches Umwandlungsrecht
118
Grundlage für die begehrte Umwandlung könnte nur § 1 Abs. 1 UmwG sein. Eine Verschmelzung (§ 1 Abs. 1 Nr 1 UmwG) oder eine Vermögensübertragung (§ 1 Abs. 1 Nr 3 UmwG) würden die vorherige Gründung einer deutschen GmbH erfordern. Auch die aus Anlass des Brexit vorgenommene Erweiterung der §§ 122a, 122b UmwG erstreckt lediglich die Möglichkeit der Verschmelzung einer EU-Kapitalgesellschaft auf eine deutsche Personenhandelsgesellschaft (zB GmbH&Co KG). Hingegen wird der Rechtsformwechsel von einer EU/EWR-Kapitalgesellschaft in eine deutsche Kapitalgesellschaft, den Flug wünscht, weiterhin nicht ausdrücklich geregelt: Dem von Flug verfolgten Ziel entspräche ein Formwechsel (§ 1 Abs. 1 Nr 4 UmwG). Diesen sieht jedoch § 191 UmwG nur als Formwechsel aus einer deutschen Gesellschaftsform in eine andere deutsche Gesellschaftsform vor; Bestimmungen für den Formwechsel von einer Limited zu einer GmbH fehlen.[24]
b) Europarechtliche Garantie der Zuzugsumwandlung
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Dieses Ergebnis könnte jedoch wiederum gegen Art. 49, 54 AEUV verstoßen. Die vormals in Deutschland herrschende Ansicht lehnte einen solchen Verstoß