verschwenderischer Lebensstil oder teure Hobbys“ unter Strafe gestellt werden.[74] Einen solch indirekt paternalistischen Vermögensschutz kennt das deutsche Strafrecht allerdings durchaus.[75] So bestraft etwa § 291 StGB (Wucher) denjenigen, der die Schwäche eines anderen zur eigenen unangemessenen Bereicherung ausnutzt.[76] Eine einvernehmliche Vermögensschädigung kann dem Strafrecht also unterfallen, wenn eine strukturelle Ungleichheit zwischen den Beteiligten besteht.[77] Sieht man in den Folgen der Spielleidenschaft eine der Zwangslage, Unerfahrenheit oder der mangelnden Urteils- und Willenskraft vergleichbare Schwäche, so lässt sich das Verbot unerlaubter Glücksspiele – ebenso wie § 291 StGB – mit dem Schutz der unterlegenen Partei vor Ausbeutung legitimieren.
II. Kumulative Schutzzwecke
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Häufig schützen Tatbestände neben dem Vermögen noch weitere, meist kollektive und institutionelle Rechtsgüter. So bezweckt etwa § 265 StGB (Versicherungsmissbrauch) nach verbreiteter Ansicht nicht nur den Schutz des Versicherervermögens, sondern auch den Erhalt der Funktionsfähigkeit der Versicherungswirtschaft.[78] Eine doppelte Schutzrichtung weist die wohl herrschende Meinung auch dem § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug) zu: Geschützt wird das Vermögen der Anleger und zugleich die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes.[79]
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Während in §§ 265, 264a StGB der Vermögensschutz im Vordergrund steht, dienen andere Tatbestände vor- oder zumindest gleichrangig der Wahrung institutioneller Interessen. Mit der Einführung von § 265c StGB (Sportwettbetrug) und § 265d StGB (Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben) sollen nicht nur das Vermögen von Wettanbietern und -teilnehmern bzw. von Sportlern und Vereinen,[80] sondern vor allem auch das Allgemeinrechtsgut der „Integrität des Sports“ geschützt werden.[81]
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Ähnlich verhält es sich mit den Straftaten gegen den Wettbewerb im 26. Abschnitt des StGB. Die §§ 298–300 StGB schützen den freien und lauteren Wettbewerb als Institution des Wirtschaftslebens.[82] Der Wettbewerb wird dabei nicht nur als abstrakte Institution in seiner Bedeutung für Ökonomie und Gesellschaft gewährleistet, sondern zugleich als Raum individueller wirtschaftlicher Handlungsfreiheit.[83] Der Schutz fairer Wettbewerbsbedingungen erfolgt damit auch im Interesse der beteiligten Akteure und dient der Wahrung ihrer Vermögensinteressen.[84] Gegen die Anerkennung individuellen Vermögens als Rechtsgut der §§ 298 ff. StGB wird teilweise vorgebracht, dass die Tatbestände nicht den Nachweis eines Vermögensnachteils voraussetzen.[85] Gerade im Bereich des Vermögensstrafrechts ist der Beleg eines Schadens aufgrund der Unvorhersehbarkeit ökonomischer Prozesse allerdings oft schwierig; der Gesetzgeber tendiert daher zunehmend zur Sanktionierung riskanten und üblicherweise schädlichen Verhaltens durch die Formulierung abstrakter Gefährdungsdelikte (Rn. 40 ff.).[86] Dadurch, dass bereits eine typische Risikohandlung und nicht erst die tatsächlich eingetretene Verletzung unter Strafe gestellt wird, verändert sich jedoch nicht der Rechtsgüterschutz. Die §§ 298 ff. StGB schützen den Wettbewerb nicht allein als institutionellen Selbstzweck, sondern als Basis individuellen Vermögenseinsatzes und richten sich damit unmittelbar auf den Vermögensschutz der Beteiligten (der lauteren Mitbewerber bzw. in § 298 StGB des Veranstalters der Ausschreibung).
III. Vermögensschützende Delikte außerhalb der Abschnitte 19 bis 27
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Während einige Delikte innerhalb der Abschnitte 19 bis 27 nicht oder nicht primär dem Vermögensschutz dienen, finden sich in anderen Abschnitten des StGB wiederum Tatbestände mit vermögensbezogener Schutzrichtung. So ist § 142 StGB (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) nach fast einhelliger Ansicht im Abschnitt über Straftaten gegen die öffentliche Ordnung falsch verortet.[87] Die Strafnorm dient der Dokumentation des Unfallgeschehens im Straßenverkehr zur „Sicherung berechtigter und zur Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche“[88] und somit dem Schutz der privaten Vermögensinteressen von Geschädigten und Unfallbeteiligten.[89]
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Den Schutz von Vermögen und Eigentum bezweckt auch § 316a StGB (Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer).[90] Trotz ihrer deutlichen Nähe zu den Raubdelikten steht die Vorschrift aus historischen Gründen und wegen ihres Bezugs zum Straßenverkehr im Abschnitt über die gemeingefährlichen Straftaten.[91] Ebenso verhält es sich bei § 306 StGB (Brandstiftung), der nach allgemeiner Auffassung das Eigentum an den gesetzlich enumerierten Tatobjekten schützt und als qualifizierte Sachbeschädigung zu deuten ist.[92] Die systematische Einordnung des Deliktes ist auch hier nicht rechtsgutsorientiert, sondern erfolgt nach kriminologischen Gesichtspunkten im Bereich der gemeingefährlichen Straftaten.
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Eine Doppelnatur haben auch solche Delikte des 28. und 29. Abschnitts, die fremde Sachen (von bedeutendem Wert) vor spezifischen Gefahren – wie Explosionen (§ 308 StGB), Strahlungen (§ 311 StGB) oder Luftverunreinigungen (§ 325 StGB) – schützen. Ein praxisrelevantes Beispiel sind die Straßenverkehrsdelikte in §§ 315b und 315c StGB. Ihr zweifacher Schutzzweck bildet sich in der Struktur des Tatbestandes ab: Vorausgesetzt wird zum einen eine abstrakte Gefahr für das Allgemeinrechtsgut der Sicherheit des Straßenverkehrs und zum anderen die konkrete Gefährdung eines Individualrechtsgutes.[93]
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Der 8. Abschnitt (Geld- und Wertzeichenfälschung) schützt das Vermögen nicht als individuelles Rechtsgut, sichert aber das öffentliche Interesse an einem funktionierenden Zahlungsverkehr.[94] Die Gewährleistung der Integrität des Verkehrs mit Geld, Wertzeichen und Wertpapieren sowie des bargeldlosen Zahlungsverkehrs bildet die Basis für wirtschaftliche Transaktionen[95] und steht damit – trotz der kollektiven Schutzrichtung der Tatbestände – in der Nähe des Vermögensschutzes.
8. Abschnitt: Schutz des Vermögens › § 28 Der Schutz des Vermögens im deutschen Strafrecht › D. Systematik und Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes
I. Kategorien strafrechtlichen Vermögensschutzes
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Das Vermögensstrafrecht des StGB lässt sich nach verschiedenen Gesichtspunkten systematisieren.[96] Eine erste Einteilung kann anhand der geschützten Vermögenspositionen vorgenommen werden.[97] Wie oben dargelegt (Rn. 6 f.), kennt das StGB Tatbestände zum Schutz von Eigentum (§§ 242, 303 StGB) und des Vermögens als Ganzen (§§ 253, 263, 266 StGB), zudem von bestimmten Sicherungs-, Nutzungs- und Aneignungsrechten an beweglichen Sachen (§§ 289, 292 StGB).[98] Ferner schützt das Strafrecht das Vermögen und seine Bestandteile vor unterschiedlichen Angriffsformen. Strafbar sind etwa
– | Wegnahme mit (§ 249 StGB) und ohne Gewalt oder Drohung (§ 242 StGB) sowie die schlichte „Aneignung“ (§§ 246, 248c StGB), |
– | unbefugte Nutzung (§§ 248b, 290 StGB), |
– | Drohung (§ 253 StGB), |
– | Täuschung (§ 263 StGB), |
– | Erschleichen (§ 265a StGB), |
– | Missbrauch eingeräumter Befugnisse (§§ 266, 266b StGB), |
– |
Zerstörung
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