Baugenehmigung schriftlich zu bestätigen ist[740], soll – zusätzlich[741] – die Verpflichtungsklage auf Erteilung der Bestätigung der statthafte Rechtsbehelf sein, da die Bestätigung einen feststellenden Verwaltungsakt darstelle[742]. Bei näherem Hinsehen fehlt der Bestätigung der fingierten Baugenehmigung aber mangels Regelungsgehalt die Verwaltungsaktqualität, so dass die Verpflichtungsklage ausscheidet. Teilweise wird in diesem Fall – neben der Feststellungsklage – dann tatsächlich die Leistungsklage anstelle der Verpflichtungsklage bejaht[743]. Aber auch das kann nicht überzeugen: Stellt ein Gericht das Bestehen der Baugenehmigung fest, besteht kein weiteres Rechtsschutzbedürfnis mehr für eine Klage auf schriftliche Bestätigung der eingetretenen Baugenehmigungsfiktion.
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In der Praxis ruft die Fiktionswirkung des vereinfachten Verfahrens ein weiteres Problem hervor. Bisweilen wird von den Bauaufsichtsbehörden die Genehmigungsfiktion nämlich verkannt oder schlicht übersehen. Versagt die Behörde in einem solchen Fall nach ausführlicher Prüfung die Baugenehmigung, sieht sich der Bauherr angesichts der fingierten sowie der später versagten Baugenehmigung mit zwei sich widersprechenden Verwaltungsakten konfrontiert. Regelmäßig ist in solchen Fällen zu klären, wie der Versagungsbescheid zu interpretieren ist[744]. In Betracht kommt, ihn als eine Rücknahme nach § 48 (L)VwVfG auszulegen, wenn es sich bei der durch Fiktion erlangten Baugenehmigung um einen rechtswidrigen Verwaltungsakt handelte[745]. Zu Unrecht verneinen die Gerichte teilweise eine derartige Auslegung, weil der erforderliche Wille der Behörde zur Rücknahme nicht klar aus dem Bescheid hervorgehe[746].
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Im Genehmigungsfreistellungsverfahren (Kenntnisgabe- oder Anzeigeverfahren) sowie bei verfahrensfreien Vorhaben kann seitens des Bauherrn umgekehrt ein Interesse bestehen, festzustellen, dass er keine Baugenehmigung benötigt, wenn die Bauaufsichtsbehörde dies bestreitet. In diesem Fall ist die Feststellungsklage statthaft[747].
2. Die Abwehr von Eingriffen durch die Bauaufsichtsbehörde
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Macht die Bauaufsichtsbehörde von ihren Eingriffsbefugnissen Gebrauch[748], kommt für den Bauherrn (ggf. nach einem Anfechtungswiderspruch) grundsätzlich die Anfechtungsklage mit aufschiebender Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO in Betracht; sämtliche Standardmaßnahmen der Bauaufsichtsbehörden wie die Einstellungs- oder die Abrissverfügung[749] sind unproblematisch als Verwaltungsakte zu kategorisieren. Besonderheiten ergeben sich allerdings, wie bereits ausgeführt, hinsichtlich der maßgeblichen Sach- und Rechtslage[750]. Auch an Ersatzansprüche des Bauherrn ist zu denken[751].
3. Ersatzansprüche des Bauherrn
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Im Laufe des Baugenehmigungsverfahrens können der Baugenehmigungsbehörde wie auch anderen beteiligten Stellen, etwa der Gemeinde, Fehler unterlaufen. Dies wirft die Frage nach möglichen Ersatzansprüchen des Bauherrn auf. Zunächst ist an Verzögerungen bei der Entscheidung über den Bauantrag zu denken[752]. Insoweit kommen vor allem Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung in Betracht[753]. Nach der Rechtsprechung kann die Verzögerung einer „positiv zu bescheidenden, entscheidungsreifen Bauvoranfrage“ daneben auch einen enteignungsgleichen Eingriff darstellen, also einen Anspruch auf Entschädigung für den erlittenen „Substanzverlust“ begründen[754]. Wird die Baugenehmigung rechtswidrig versagt, gilt dies erst recht[755]. Versagt die Gemeinde rechtswidrig das Einvernehmen, soll dennoch nicht die Gemeinde, sondern nur der Rechtsträger der Bauaufsichtsbehörde haften, wenn dieser eine Ersetzungsbefugnis zukommt, da es dann an der Drittgerichtetheit der Amtspflicht der Gemeinden fehle[756].
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Diffizil ist die Rechtslage auch dann, wenn die Behörde dem Antragsteller eine rechtswidrige Baugenehmigung erteilt, dieser auf die Durchführbarkeit des Bauvorhabens vertraut und entsprechende Vermögensdispositionen trifft, die Baugenehmigung aber schließlich aufgehoben wird (etwa auf eine Nachbarklage hin). Die behördliche Prüfung von Baugenehmigungen wird vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung als drittgerichtet angesehen[757]. Danach obliegt der Bauaufsichtsbehörde die Prüfung der Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften gerade auch gegenüber dem Bauherrn, der auf die Baugenehmigung vertrauen und entsprechende wirtschaftliche Investitionen tätigen können soll[758]. Dementsprechend kann dem Bauherrn ein Amtshaftungsanspruch zustehen[759]. Der Bauherr muss aber wegen § 839 Abs. 1 S. 2 BGB beweisen, dass er von seinem Architekt nicht anderweit Ersatz erlangen kann[760].
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Veränderungen ergeben sich freilich durch die Deregulierung im Bauordnungsrecht[761]. Da die drittschützende Amtspflicht der Behörde nicht weiter reichen kann als ihr Prüfprogramm[762], scheidet auch die Haftung aus[763], soweit die Prüfpflicht – wie im Falle der Genehmigungsfreistellung – entfällt oder – wie im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren – reduziert ist[764]. Damit einher geht eine Haftungsverlagerung von der Bauaufsichtsbehörde auf die von dem Bauherrn beauftragten Architekten, Ingenieure und Sachverständigen, sofern diese nach ihren Berufsvorschriften verpflichtet sind, die Einhaltung des Baurechts zu überprüfen. Entsprechend höher ist auch das Haftungsrisiko für die beauftragten Dienstleister[765]. Konsequenz dieses erhöhten Risikos ist in der Praxis die regelmäßige Ablehnung des vereinfachten Verfahrens dort, wo entsprechende Wahlmöglichkeiten bestehen[766].
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Die Frage, ob der Bauherr Schadensersatzansprüche geltend machen kann, stellt sich auch bei rechtswidrigen Maßnahmen der repressiven Bauaufsicht, etwa bei ungerechtfertigter Baueinstellung. Auch hier wird ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG bejaht, solange die Behörde aus eigenem Antrieb gehandelt hat und nicht eine gerichtliche einstweilige Anordnung befolgt hat[767]. Die Deregulierung hat freilich dazu geführt, dass die Behörde häufig erst tätig wird, wenn ein Nachbar das Einschreiten über die einstweilige Anordnung erwirkt hat. In der Praxis hat das die Frage aufgeworfen, ob der Bauherr in diesem Fall vom Nachbarn Schadensersatz verlangen kann[768]. Das ist zu verneinen[769].
II. Die Dreiecksbeziehung Bauherr – Nachbar – Staat
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Eines der zentralen Probleme des Bau(ordnungs)rechts betrifft Nachbarrechtsstreitigkeiten. Das hängt damit zusammen, dass eine Begünstigung für den Bauherrn, insbesondere die Baugenehmigung, typischerweise zugleich eine Belastung für einen Dritten, den Nachbarn, bedeutet[770]. Im Bauordnungsrecht liegt daher der eigentliche Anwendungsbereich des Verwaltungsakts mit Doppelwirkung[771]. Während die Interessen des Bauherrn darauf gerichtet sind, eine Baugenehmigung (ggf. im vereinfachten Verfahren) zu erhalten – soweit das Vorhaben überhaupt noch genehmigungspflichtig ist –, sind die Interessen des Nachbarn gerade gegenläufiger Natur. Traditionell, d.h. vor dem teilweisen Abbau der präventiven Kontrollen im Baurecht, stand dementsprechend der Verpflichtungsklage des Bauherrn auf Erteilung der Baugenehmigung die Anfechtungsklage des Nachbarn gegenüber.
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Öffentlich-rechtliche Nachbarrechtsstreitigkeiten sind in folgenden Konstellationen denkbar: Entweder greift der Nachbar die Baugenehmigung des Bauherrn an (dazu 1.) oder er begehrt das Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde – typischerweise dann, wenn keine Baugenehmigung erteilt wurde, etwa beim Schwarzbau, aber auch bei genehmigungs- und verfahrensfreien Vorhaben (dazu 2.).
1. Anfechtung einer Baugenehmigung durch den Nachbarn
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Will der Nachbar gegen die Baugenehmigung (und/oder den Bauvorbescheid, dazu im Einzelnen unter Rn.