Matthias Jahn

Die Verfassungsbeschwerde in Strafsachen


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sind – anders als in der fachöffentlichen Wahrnehmung – nicht immer nur in der besonderen Komplexität der Materie oder individuellen Belastbarkeit des Senats, des – ggf. länger akut erkrankten[80] – Berichterstatters oder seiner (regelmäßig[81]) vier Wissenschaftlichen Mitarbeiter vom „Dritten Senat“[82] zu suchen. Sie können durchaus auch strategisch-taktischer Natur sein, etwa dem Zuwarten bis zu einer prognostizierten Gesetzes- oder fachgerichtlichen Rechtsprechungsänderung, aber auch vorhersehbare ausscheidensbedingte (§ 4 BVerfGG) Änderungen der Kammerbesetzung („Kammerpolitik des Liegenlassens“[83]). Auch können gerichtsinterne Abstimmungs- und Diskussionsprozesse einige Zeit in Anspruch nehmen. So mag es im Einzelfall vorkommen, dass dann, wenn nach einer Vorsondierung die Zeichen im Senat ungünstig stehen, doch noch Einstimmigkeit im Kammerformat hergestellt wird.[84] Doch davon mag einmal an anderer Stelle ausführlicher die Rede sein.

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      Anmerkungen

       [1]

      Treffend deshalb der Titel des Buches von Lamprecht Ich gehe bis nach Karlsruhe – Eine Geschichte des Bundesverfassungsgerichts 2011.

       [2]

      Papier DVBl. 2009, 473 (475: „rund 2,5 %“); siehe bereits v. Löbbecke GS Nagelmann, 1984, S. 395 (396), mag auch in Teilbereichen und zu Zeiten der Anteil unzulässiger Verfassungsbeschwerden in Strafsachen rückläufig gewesen sein; so etwa vor einem Jahrzehnt für Verfassungsbeschwerden aus den Bereichen Strafvollzug und Untersuchungshaft Lübbe-Wolff/Lindemann NStZ 2007, 450 (451); eingehendere statistische Angaben speziell zu Verfassungsbeschwerde-Strafsachen bei Jahn FS Widmaier, 2008, S. 821 (827); Reichart Revision, S. 35 ff.

       [3]

      Jestaedt in: Jestaedt/Lepsius u.a., S. 77 (117).

       [4]

      Jestaedt in: Jestaedt/Lepsius u.a., S. 77 (118), allerdings nicht differenzierend nach Straf- und Zivilsachen.

       [5]

      Patzelt in: van Ooyen/Möllers, S. 313 (314), dort auch mit weiteren (gleichsinnigen) statistischen Angaben.

       [6]

      Ähnlich Sommer Rn. 2377 ff. Für polemische Zuspitzungen wie bei (RiBFH) Selder ZRP 2011, 164 (165) – Kostprobe: „Beim BVerfG haben auch Verfassungsbeschwerden Erfolg, die aussichtslos erscheinen, bei anderen Beschwerden wird nach dem Motto ‚je begründeter, desto unzulässiger‘ verfahren, wie es von wissenschaftlichen Mitarbeitern des BVerfG kolportiert worden ist“ – besteht kein hinreichender Anlass (vgl. auch Hömig ZRP 2012, 58 [59]).

       [7]

      So der viel sagende Untertitel eines Aufsatzes zur Verfassungsbeschwerdejudikatur des Gerichts von Lübbe-Wolff AnwBl. 2005, 509; zur „Karlsruher Lotterie“ auch Lamprecht NJW 2000, 3543; Kunig VVdStRL 61 (2002), 34 (49 f.) sowie aus Anwaltssicht zusf. Stüer DVBl. 2012, 751 (756): „Von den 188.187 Verfassungsbeschwerden der letzten 60 Jahre waren 4.401 erfolgreich. Wenn damit nur ein Bruchteil von 2,4 % der Verfassungsbeschwerden ein Erfolg beschieden war – eine etwa gleichhohe Chance, wie beim Lotto zu gewinnen […] dann liegt das nach Aussage der Verfassungsrichter an einer einfachen Erkenntnis: Wir leben eben nicht in einer Republik, in der ein Verfassungsverstoß an der Tagesordnung ist“.

       [8]

      Aufschlussreich wiederum Lübbe-Wolff EuGZR 2004, 669 (682). In dem von Lübbe-Wolff verfassten abweichendem Votum zu BVerfGE 112, 1 (45) = NVwZ 2005, 5650 wurde die Zulässigkeitsrechtsprechung zur Subsidiarität und Substantiierung ausdrücklich als „diskussionsbedürftig“ bezeichnet. In den seither erschienen 29 Bänden der amtlichen Sammlung der Senatsentscheidungen wird diese Forderung an keiner einzigen Stelle aufgegriffen.

       [9]

      Richtig Zuck Verfassungsbeschwerde, Rn. 8a.

       [10]