Robert Esser

Handbuch des Strafrechts


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die Praxis. Inquisition als Befragung von Amts wegen im Gegensatz zum Parteienverfahren ist aber nicht gleichzusetzen mit der peinlichen Befragung, der Folter. Vor dieser schützen zahlreiche Immunitäten (etwa zugunsten Adliger und Kleriker), und auch die konkrete Gewichtung der Indizien für die Feststellung des die Folter hinreichend rechtfertigenden Verdachts ermöglicht jedenfalls zugunsten der sozial Integrierten eine moderate Anwendung in der Praxis, was durch tendenziöse Darstellungen der aufklärerischen Rechtswissenschaft seit dem Ende des 17. Jahrhunderts verdunkelt wird. Auch die Lehre von den Prozessessentialien, insbesondere dem rechtlichen Gehör, deren Fehlen die Nichtigkeitsbeschwerde eröffnet, entfaltet Schutz. Die Kautelen werden dort beiseite geschoben, wo allerschwerste Verbrechen als Ausnahmedelikte (delicta atrocissima; crimina excepta) nach zeitgenössischem Verständnis ein summarisches Verfahren mit ungehemmter peinlicher Befragung ohne Einreden und Förmlichkeiten, den sprichwörtlichen „kurzen Prozess“ nahelegen. Das betrifft den Hochverrat, auf den das Vierteilen, die Vermögensbeschlagnahme und die Verbannung der Angehörigen stehen, daneben die Ketzerei und die Hexerei.[79]

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      2. Abschnitt: Strafrechtsgeschichte§ 5 Geschichte des europäischen Strafrechts bis zum Reformationszeitalter › Ausgewählte Literatur

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