Peter Behrens

Europäisches Marktöffnungs- und Wettbewerbsrecht


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Ziele nicht ohne weiteres in gleichem Maße verfolgt werden könnten, sondern dass Zielkonflikte möglich seien. Die nationalen Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten der EWG bzw. EG unterschieden sich daher nicht unerheblich hinsichtlich der relativen Gewichtung dieser Ziele sowie der Instrumente, die zu ihrer Verfolgung eingesetzt werden.

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      Dieser grundlegende Wandel des Verständnisses von Wirtschaftspolitik hat ganz erhebliche Auswirkungen auf die Instrumente, mit denen das erwähnte Zielbündel bestehend aus Geldwertstabilität, möglichst hoher Beschäftigung, ausgewogenem Wirtschaftswachstum und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht zu verwirklichen ist. Wachstum im Sinne der ständigen Erhöhung des Einkommens und Vermögens der Bevölkerung sowie ein möglichst hoher Grad an Beschäftigung sind hiernach die Ergebnisse eines funktionsfähigen marktwirtschaftlichen Systems. Das außenwirtschaftliche Gleichgewicht stellt sich ein, wenn die marktwirtschaftlichen Grundsätze auch im Außenverhältnis zur Geltung kommen. Die Geldwertstabilität gehört hingegen – ebenso wie ein rechtlich- institutioneller Rahmen – im Grundsatz zu den Funktionsvoraussetzungen dieses Systems.

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      Hiernach hat die Wirtschaftspolitik in der EU die Aufgabe, zum einen den institutionellen Rahmen optimal zu gestalten, innerhalb dessen sich die marktförmigen Austauschprozesse vollziehen, denen Art. 120 S. 2 AEUV als wesentliche Wirkung den „effizienten Einsatz der Ressourcen“ zuschreibt; diesem Zweck dienen die Ordnungspolitik (dazu im Folgenden 2.) sowie in gewisser Hinsicht auch die Geldpolitik (dazu im Folgenden 3.). Zum anderen geht es um den Abbau von Hemmnissen, die dem effizienten Ablauf der Wirtschaftsprozesse im Wege stehen können, durch wirtschaftspolitische Steuerung; diesem Zweck dient in gewisser Hinsicht ebenfalls die Geldpolitik, vor allem aber die Wachstums- und Beschäftigungspolitik sowie die Finanz- und Haushaltspolitik (dazu im folgenden 4.–5.). Das alles gilt im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen sowohl für die Mitgliedstaaten als auch die Union.

      Literatur:

      Mestmäcker Auf dem Wege zu einer Ordnungspolitik für Europa, in: Mestmäcker/Möller/Schwarz (Hrsg.) FS von der Groeben (1987) 9; van Scherpenberg Ordnungspolitik im EG-Binnenmarkt: Auftrag für die Europäische Union (1992); Wohlgemuth Europäische Ordnungspolitik (2008); Hatje Wirtschaftsverfassung im Binnenmarkt, in: Bogdandy/Bast (Hrsg.) Europäisches Verfassungsrecht (2. Aufl. 2009) 826.

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      Literatur:

      Selmayr Die Wirtschafts- und Währungsunion als Rechtsgemeinschaft, AöR 1999, 357; Heine/Herr Die Europäische Zentralbank (3. Aufl. 2008); Chaloupek/Kromphardt (Hrsg.) Finanzkrise und Divergenzen in der Wirtschaftsentwicklung als Herausforderung für die Europäische Währungsunion (2009); Häde Die Europäische Währungsunion in der internationalen Finanzkrise, EuR 2010, 854; Horn Die Reform der Europäischen Währungsunion und die Zukunft des Euro, NJW 2011, 1398; Oppermann Euro-Stabilisierung durch EU-Notrecht, in: FS Möschel (2011) 909; Europäische Kommission Die Geldpolitik der EZB (3. Aufl. 2011); Seester Die Rolle der EZB in der europäischen Staatsschuldenkrise, EWS 2012, 80; Siekmann (Hrsg.) Kommentar zur Europäischen Währungsunion (2013); Görgens/Ruckriegel/Seitz Europäische Geldpolitik (6. Aufl. 2013); di Fabio Die Zukunft einer stabilen Wirtschafts- und Währungsunion (2013); Oppermann/Classen/Nettesheim Europarecht (6. Aufl. 2015) § 19: Währungsunion, 318; Bieber/Epiney/Haag/Kotzur Die Europäische Union (12. Aufl. 2016) § 21: Wirtschafts- und Währungsunion, 507.

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      Von gleichermaßen elementarer ordnungspolitischer Bedeutung für die Wirtschafverfassung der EU ist neben der Wettbewerbsordnung die Geldverfassung. Der Bezug zur marktwirtschaftlichen Verfassung der EU besteht darin, dass die Funktionsfähigkeit des Preismechanismus notwendige Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit von Wettbewerbsmärkten ist. Von ihr hängt die Fähigkeit der Marktteilnehmer ab, ihre individuellen wirtschaftlichen Pläne zu entwerfen und zu koordinieren, dh auch über längere Zeiträume hinweg deren Kosten und Nutzen zu kalkulieren. Das setzt die Stabilität des Geldwertes voraus, der seinerseits wiederum entscheidend von der Liquidität der Wirtschaftssubjekte