Regeln, die der Verbesserung der Verbraucherinformation dienen.
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Im Rahmen der grundsätzlich bei den Mitgliedstaaten verbliebenen Zuständigkeiten zur Marktregulierung steht es im Ermessen der Mitgliedstaaten, darüber zu befinden, wie sie die Funktionsfähigkeit von Märkten durch Regulierung sichern wollen. Es kommt daher unvermeidlich zu Regulierungsunterschiedenen. Unabhängig vom Inhalt mitgliedstaatlicher Regulierungen kann sich allein schon ihre Unterschiedlichkeit negativ auf den Binnenmarkt auswirken, weil etwa Waren oder Leistungen, die den Vorschriften des Herstellungs- bzw. Ursprungsstaates entsprechen, in anderen Mitgliedstaaten nicht ohne weiteres verkehrsfähig sind, wenn sie nicht zugleich den Vorschriften des Bestimmungsstaates entsprechen, in den sie exportiert werden sollen. Regulierungsunterschiede können so den freien Verkehr von Produkten und Produktionsfaktoren und damit die Marktöffnung in der EU behindern. Darauf reagiert die EU mit den Mitteln des Unionsrechts (dazu sogleich im Folgenden).
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In der EU ist die Frage der Vereinbarkeit staatlicher Regulierung mit der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes eine Rechtsfrage. Die wirtschaftliche Integration in der EU beruht auf der Bereitschaft der Mitgliedstaaten, im Interesse der Errichtung eines Binnenmarkts auf eine politische Steuerung des zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehrs zu verzichten, die der Marktöffnung zuwiderliefe. Die rechtlichen Maßstäbe für die Vereinbarkeit mitgliedstaatlicher Maßnahmen mit dem Binnenmarkt ergeben sich aus dem AEUV, insbesondere aus den Verkehrsfreiheiten und den Wettbewerbsregeln. Soweit die Mitgliedstaaten auf Befugnisse zur politischen Steuerung der Wirtschaft nach Maßgabe des Unionsrechts verzichtet haben, stellt sich die Frage, ob und inwieweit dieser Verzicht durch entsprechende Befugnisse der Union kompensiert wird, damit das Regulierungsbedürfnis, soweit es der Behebung von Marktversagen dient, befriedigt werden kann.
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Für die Beantwortung dieser Frage ist zunächst einmal darauf hinzuweisen, dass das Unionsrecht den Mitgliedstaaten nach der Cassis de Dijon-Rechtsprechung des EuGH[33] das Recht zur Einflussnahme auf die Wirtschaft insoweit belässt, als es um den Schutz zwingender Allgemeininteressen (Gemeinwohlerfordernissen) im Rahmen der Verhältnismäßigkeit geht (vgl. Art. 36 AEUV).[34] Allerdings wird das, was zwingende Gemeinwohlerfordernisse sind, ebenso wie die Verhältnismäßigkeit der zu ihrem Schutz vorgenommenen mitgliedstaatlichen Eingriffe in den Binnenmarkt vom EuGH anhand unionsrechtlicher Kriterien überprüft. Von wesentlicher Bedeutung ist es insoweit, dass nach der Rechtsprechung des EuGH nur nicht-wirtschaftliche Schutzziele – wie etwa Gesundheitsschutz, Umweltschutz, Arbeitsschutz, Verbraucherschutz, Lauterkeitsschutz oder Kulturschutz – wirtschaftlich relevante Regulierungen legitimieren können. Man kann die genannten Schutzziele als „öffentliche Güter“ ansehen, die der Markt nicht ohne weiteres von selbst hervorbringt. Bei den entsprechenden mitgliedstaatlichen Regulierungen geht es unter diesem Blickwinkel also um Fälle der Kompensation von Marktversagen im erläuterten Sinn, allerdings auf mitgliedstaatlicher Ebene. Soweit regulatorische Eingriffe der Mitgliedstaaten in den zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr nach diesen Grundsätzen des Unionsrechts gerechtfertigt sind, bleibt allerdings der Binnenmarkt notwendigerweise unvollkommen. Denn die Hindernisse für den zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr, die aus der Unterschiedlichkeit der dem Schutz zwingender Gemeinwohlerfordernisse dienenden nationalen Regulierungen und Maßnahmen resultieren, bleiben insoweit grundsätzlich bestehen.
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Damit diese Unvollkommenheiten des Binnenmarkts überwunden werden können, sieht der AEUV als Aufgabe der Union auch die Rechtsangleichung nach Maßgabe der dafür im AEUV enthaltenen Kompetenzen (insbesondere Art. 114 und 115 AEUV) vor.[35] Rechtsangleichungsmaßnahmen seitens der Union setzen voraus, dass die Union selbst entsprechende Vorstellungen über den Schutz von Gemeinwohlerfordernissen entwickelt. In diesem Sinne hat der Binnenmarkt immer schon die Entwicklung bestimmter Unionspolitiken (z.B. in den Bereichen Gesundheitsschutz, Verbraucherschutz, Umweltschutz oder Arbeitsschutz) vorausgesetzt. Die Verkehrsfreiheiten und die Wettbewerbsregeln wirken also nicht nur als Kompetenzbeschränkungen der Mitgliedstaaten sondern zugleich als Kompetenzgrundlagen für die Union. Diese Kompetenzen der Union sind allerdings „funktional“ definiert und nicht gegenständlich. Ihre Ausübung ist im AEUV an das Kriterium der Erforderlichkeit für das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts gebunden (Art. 114 und 115 AEUV).[36] Welche Politikfelder von der Union aufgegriffen werden können, bestimmt sich also danach, inwieweit die entsprechenden mitgliedstaatlichen Politiken und die zu ihrer Durchsetzung ergriffenen einzelstaatlichen Maßnahmen die Errichtung oder das Funktionieren des Binnenmarkts behindern. Eine Verteilung politischer Kompetenzen zwischen der Union und den Mitgliedstaaten, die sich an den unterschiedlichen Sachgebieten hoheitlicher Regulierung orientierte, wäre daher für den Binnenmarkt weder erforderlich noch mit ihm vereinbar. Welche Regulierungsmaterien mit dem Unionsrecht in Konflikt geraten können, lässt sich nicht abstrakt im Voraus definieren, sondern ergibt sich aus dem Entwicklungsprozess der Rechtsprechung des EuGH, der mit seinen Urteilen jeweils auf neu entstehende Problemlagen reagiert und so das Recht fortbildet.
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Der Vorzug des im AEUV normierten Ansatzes besteht nicht zuletzt darin, dass er einen Regulierungswettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten zulässt.[37] Alle mitgliedstaatlichen Maßnahmen zum Schutz zwingender Allgemeininteressen, die nach den rechtlichen Maßstäben der Rechtsprechung des EuGH mit dem Binnenmarkt unvereinbar sind (dh auf den zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr nicht angewendet werden dürfen), stehen angesichts offener und wettbewerbsorientierter Märkte in Konkurrenz miteinander. So können beispielsweise Produkte, die gemäß den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates hergestellt worden sind, grundsätzlich in der ganzen Union vertrieben werden, unabhängig davon, ob sie den Vorschriften des Bestimmungslandes entsprechen.[38] Wenn Produkte und Dienstleistungen unterschiedlicher Herkunft und damit aus unterschiedlichen Regulierungssystemen im gesamten Binnenmarkt in Wettbewerb zueinander stehen, so wird indirekt auch die Qualität der Regulierungssysteme dem Wettbewerb ausgesetzt. Die Wirtschaftssubjekte können unter den Bedingungen offener Märkte in erheblichem Umfang auch selbst wählen, welchem mitgliedstaatlichen Regulierungsregime sie sich hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten unterstellen wollen. Somit gewährleistet das Unionsrecht nach der Cassis de Dijon-Rechtsprechung des EuGH die Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts grundsätzlich trotz der Regulierungsunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten (dh auch ohne Rechtsangleichung).
b. Korrektur von Marktergebnissen
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Staatliche Regulierung geht über die Kompensation von Marktversagen hinaus, sofern sie in den Allokationsprozess eingreift, um seine Voraussetzungen oder Ergebnisse zu korrigieren. Das ist der Fall, wenn staatliche Maßnahmen die Marktposition bestimmter Wirtschaftssubjekte zu Lasten anderer Wirtschaftssubjekte verändern. Dies geschieht gewöhnlich im Interesse von Zielen, die dem Markt als Allokationsverfahren von vornherein fremd sind (Beispiel: Umverteilung zu sozialpolitischen Zwecken). Aber es geschieht in der Wirklichkeit auch zur Verfolgung von Zielen, denen an sich gerade der Markt zu dienen bestimmt ist (Beispiel: die Verteilung der wirtschaftlichen Ressourcen auf die verschiedenen Regionen oder industriellen Sektoren der Union). In solchen Fällen wird häufig nicht ein bestimmtes Marktversagen korrigiert, sondern es werden Allokationsentscheidungen dem Markt entzogen.
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Nach der unionsrechtlichen Kompetenzordnung umfasst die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur wirtschaftspolitischen Steuerung grundsätzlich auch marktkorrigierende Maßnahmen. Allerdings muss sich auch die Vereinbarkeit solcher Maßnahmen mit dem Binnenmarkt im Prinzip an den Verkehrsfreiheiten und den Wettbewerbsregeln messen lassen. Marktkorrigierende Maßnahmen dürfen also die Marktöffnung nicht stärker einschränken als es zum Schutz zwingender Allgemeininteressen erforderlich ist, und die Mitgliedstaaten dürfen kein wettbewerbswidriges Verhalten