Peter Behrens

Europäisches Marktöffnungs- und Wettbewerbsrecht


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Handlungsspielräume, die von den Mitgliedstaaten vergleichsweise beliebig durch politische Kompromisse ausgefüllt werden können. Ansonsten sind gem. Art. 122 AEUV Hilfsmaßnahmen nur im Fall bestimmter Notlagen möglich.

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II. Spezifische Gemeinschaftspolitiken

      Literatur:

      Viscusi/Vernon/Harrington Economics of Regulation and Antitrust (3rd ed. 2000); Basedow Wirtschaftsregulierung zwischen Beschränkung und Förderung des Wettbewerbs, in: FS Immenga (2004) 3; Fritsch/Wein/Ewers Marktversagen und Wirtschaftspolitik (6. Aufl. 2005).

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      Einer über die allgemeine Wirtschaftspolitik hinausgehenden spezifischen Steuerung (Regulierung) der Wirtschaft im Sinne von konkreten Eingriffen in Wirtschaftsabläufe und Transaktionen können im Prinzip zwei gegensätzliche Zielsetzungen zugrunde liegen: es kann entweder darum gehen, bestimmte Defizite des marktförmigen Allokationsverfahrens (sogenanntes Marktversagen) zu kompensieren (a), oder darum, die Marktergebnisse im Interesse anderer Ziele als des wirtschaftlichen Effizienzziels zu korrigieren (b).

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      Vier Erscheinungsformen des Marktversagens stehen im Vordergrund:

Asymmetrische Information. Der Markt gewährleistet eine optimale Allokation der Ressourcen nur, wenn die an Markttransaktionen beteiligten Vertragsparteien jeweils im Hinblick auf Leistung und Gegenleistung optimal informiert sind; sobald eine Vertragspartei einen Informationsvorsprung hat (also Informationsasymmetrie vorliegt), ist nicht mehr gewährleistet, dass die Transaktion beide Parteien gemessen an ihren persönlichen Bedürfnissen (Präferenzen) besser stellt als sie vorher standen und so zu einer Verbesserung der Ressourcenallokation führt (Beispiel: Der Käufer eines Gebrauchtwagens ist typischerweise schlechter informiert als der Verkäufer; Lösung: Regulierung durch Einführung von Aufklärungspflichten).
Externe Effekte. Des Weiteren kann der Markt allein nicht gewährleisten, dass bestimmte Transaktionen keine Drittwirkungen zu Lasten oder zu Gunsten Außenstehender haben (sogenannte externe Effekte), die nicht durch entsprechende Gegenleistungen kompensiert werden, weil die Betroffenen an der jeweiligen Transaktion nicht beteiligt sind oder nicht beteiligt werden können. (Beispiel: Verwendung gesundheitsgefährdender Substanzen bei der Herstellung von Gütern; Lösung: Regulierung durch Auflagen für den Herstellungsprozess bzw. durch Produktstandards).
Öffentliche Güter. Der Markt stellt keine Güter bereit, für die es keine individuelle Zahlungsbereitschaft gibt, obwohl viele oder gar alle an diesen Gütern interessiert sind. Es handelt sich um Güter, im Hinblick auf deren Nutzung keine Konkurrenz unter den Konsumenten besteht, weil sie von vielen gleichzeitig genutzt werden können und weil sie nicht einem Regime von Eigentumsrechten mit seinen immanenten Nutzungsbeschränkungen unterworfen sind. (Beispiel: Die natürliche Umwelt als Müllentsorgungsreservoir; Lösung: Regulierung der Müllentsorgung).
Natürliche Monopole. Es ist denkbar, dass der Anbieterwettbewerb um die Befriedigung der Nachfrage auf einem bestimmten Markt zwangsläufig zu Entstehung der Monopolstellung eines einzigen Anbieters führt. Das ist dann der Fall, wenn die Produktionskosten pro Stück mit zunehmender Stückzahl fallen, und zwar mindestens so lange, bis die zur Befriedigung des Gesamtnachfrage erforderliche Stückzahl erreicht ist. In diesem Fall trägt der Markt nicht mehr als einen einzigen Anbieter, weil mehrere Anbieter nur zu höheren Kosten produzieren könnten. Mit dieser Situation sind aber alle Nachteile eines Monopols verbunden. (Beispiel: Der Eigentümer eines Verteilungsnetzes für Energie kann als natürlicher Monopolist – wie jeder Monopolist – Preise verlangen, die weit über den Produktionskosten liegen und so eine Monopolrente abschöpfen; Lösung: staatliche Preisaufsicht).

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      Marktversagen beeinträchtigt das Effizienzziel. Soweit staatliche Regulierung sich auf die zur Korrektur von Marktversagen erforderlichen Maßnahmen beschränkt und die marktförmige Allokationsordnung im Übrigen nicht außer Kraft setzt, fördert sie demgemäß das Effizienzziel. So kann es beispielsweise durchaus effizient sein, wenn die industrielle Produktion bestimmten