[Enzyklopädie Europarecht, Bd. 10] (2014) § 9, 447; Tietje Außenwirtschaftsrecht, in: Ders. (Hrsg.) Internationales Wirtschaftsrecht (2. Aufl. 2015) § 15, 792; Bieber/Epiney/Haag/Kotzur Die Europäische Union (12. Aufl. 2016) § 33: Außenbeziehungen, 642; Bungenberg/Herrmann (Hrsg.) Die gemeinsame Handelspolitik der Europäischen Union. Fünf Jahre nach Lissabon – Quo Vadis? (2016); Herrmann/Müller-Ibold Die Entwicklung des europäischen Außenwirtschaftsrechts, EuZW 2016, 646.
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Außenwirtschaftspolitik betrifft die institutionelle Ausgestaltung und Steuerung des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs mit Drittstaaten. Dabei lässt sich generell beobachten, dass Wirtschaftssysteme ihre im Inneren geltenden Grundsätze auch auf die wirtschaftlichen Außenbeziehungen anwenden: Planwirtschaften unterwerfen daher auch den Außenwirtschaftsverkehr staatlicher Lenkung (es gilt das Prinzip des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt); Marktwirtschaften gestalten auch ihre Außenbeziehungen nach dem Prinzip des von staatlichen Interventionen freien Austauschs von Wirtschaftsgütern und öffnen sich dem externen Wettbewerb (es gilt das Prinzip der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt). Dem entspricht im Grundsatz auch die Außenwirtschaftspolitik der EU. Sie steht gem. Art. 206 AEUV unter der Zielsetzung, einer „schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr und bei den ausländischen Direktinvestitionen“. Somit verfolgt auch die Außenwirtschaftspolitik der EU das Ziel der Marktöffnung und damit der Öffnung des Binnenmarktes für den internationalen Wettbewerb (siehe speziell zu diesem Aspekt unten Rn. 184 ff.).
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Allerdings behält sich die EU die Möglichkeit des Einsatzes handelspolitischer Instrumente zur Steuerung des Wirtschaftsverkehrs mit Drittstaaten durch Einflussnahme auf die Preise (insbesondere mittels Erhebung von Zöllen auf Einfuhren bzw. finanzielle Förderung von Ausfuhren) oder die Mengen (mittels Einfuhr- oder Ausfuhrverboten bzw. Maßnahmen gleicher Wirkung) vor. Von dieser Möglichkeit macht die EU Gebrauch, um sich beispielsweise Erleichterungen des Zugangs von Ausländern zum Binnenmarkt in Verhandlungen mit Drittstaaten durch entsprechende Marktöffnungsmaßnahmen des Auslands „erkaufen“ zu können (man denke etwa an wechselseitige Zollkonzessionen). Teils geht es aber auch um die Abwehr unfairer Handelspraktiken wie Dumping oder ausländische Exportsubventionen im Bereich des Warenhandels durch entsprechende Ausgleichszölle, oder um Maßnahmen zum Schutz des Funktionierens der Wirtschafts- und Währungsunion im Bereich des Kapitalverkehrs (Art. 66 AEUV). Darüber hinaus ist auch die EU nicht frei von politisch motivierten Beschränkungen des Außenwirtschaftsverkehrs. Das gilt etwa im Fall der Verhängung von Embargos als Kampfmittel gegen bestimmte Drittstaaten. Es gilt aber im weiteren Sinne auch für mancherlei protektionistische Regulierungen insbesondere auf mitgliedstaatlicher Ebene im Bereich der Dienstleistungen oder Niederlassungen von Drittstaatsangehörigen. Sie sind industriepolitisch motiviert und sollen bestimmte Wirtschaftszweige vor Wettbewerb schützen. Dies alles ändert aber nichts Grundsätzliches an der Freiheit des Außenwirtschaftsverkehrs zwischen der EU und Drittstaaten (sie impliziert die entsprechende Freiheit von Unternehmen und Konsumenten, sich am grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr zu beteiligen, dh auch: mit Marktteilnehmern von außerhalb der EU zu konkurrieren). Diese Freiheit ist der Grundsatz und die Regel, die durch spezifische Ausnahmen nur bestätigt wird.
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Außenwirtschaftsrechtliche Regelungen werden im Rahmen ihrer Kompetenzen teils autonom von den einzelnen Mitgliedstaaten bzw. von der EU – gem. Art. 207 Abs. 2 AEUV im Wege von Verordnungen – erlassen („autonome Handelspolitik“); solche Regelungen sind aber anderenteils auch Gegenstand bi- oder multilateraler völkerrechtlicher Übereinkommen, in denen sich die Mitgliedstaaten bzw. die EU (gem. Art. 207 Abs. 1 AEUV) – abweichend vom allgemeinen Völkerrecht – Drittstaaten gegenüber zu einer mehr oder weniger weit gehenden Marktöffnung durch Abbau bestehender Beschränkungen rechtsverbindlich verpflichten („konventionelle Handelspolitik“). Damit stellt sich die Frage nach der Zuständigkeit der EU bzw. der Mitgliedstaaten. Eine umfassende Vergemeinschaftung der Außenwirtschaftspolitik, die es der EU erlauben würde, im Außenverhältnis stets als Einheit aufzutreten, ist im Unionsrecht nicht angelegt. Vielmehr ergibt sich aus dem AEUV ein differenziertes System unionaler, gemischter und einzelstaatlicher Zuständigkeiten. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Handel (1.) und Investitionen (2).
1. Außenhandel
Literatur:
Arnold Außenhandelsrecht, in: Dauses (Hrsg.) Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts (Loseblatt) Abschnitt K.I.; Schwarze Europäisches Wirtschaftsrecht (2007) 181 ff.; Bungenberg/Herrmann (Hrsg.) Die gemeinsame Handelspolitik der Europäischen Union nach Lissabon (2011); Boysen Das System des Europäischen Außenwirtschaftsrechts, in: von Arnauld (Hrsg.) Europäische Außenbeziehungen [Enzyklopädie Europarecht, Bd. 10] (2014) § 9, 447; Weiß Vertragliche Handelspolitik der EU, in: von Arnauld (Hrsg.) Europäische Außenbeziehungen [Enzyklopädie Europarecht, Bd. 10] (2014) § 10, 515; Bieber/Epiney/Haag/Kotzur Die Europäische Union (12. Aufl. 2016) § 34: Handelspolitik und Entwicklungspolitik, 658.
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Zu den Tätigkeiten der Union gehört gem. Art. 207 AEUV seit jeher eine „gemeinsame Handelspolitik“. Art. 3 Abs. 1 lit. a und e AEUV weisen der Union dafür eine ausschließliche Zuständigkeit zu. Der unionsrechtliche Begriff der Handelspolitik im Sinne der ursprünglichen Art. 3 lit. b und 113 EWG [aufgrund des Vertrages von Nizza seit 2002: Art. 133 EG] umfasste nach der Rechtsprechung des EuGH[52] zunächst einmal den internationalen Warenverkehr. Der internationale Dienstleistungsverkehr war dem Warenverkehr hingegen nur insoweit gleichgestellt, wie er nicht mit dem Grenzübertritt von Personen, dh der Einreise von Drittstaatsangehörigen oder gar mit deren Niederlassung in der EG, verbunden war, weil Art. 3 lit. d EWG diesen Aspekt der Personenfreizügigkeit bzw. der Niederlassungsfreiheit von der Handelspolitik getrennt hielt. Auch der Schutz geistigen Eigentums fiel nicht in den Anwendungsbereich der gemeinsamen Handelspolitik.[53] Insoweit hatten also die Mitgliedstaaten ihre außenwirtschaftspolitische Autonomie behalten, vorbehaltlich allerdings der „AETR-Rechtsprechung“ des EuGH[54] zu den der Gemeinschaft stillschweigend verliehenen auswärtigen Kompetenzen (implied powers). Sie erstrecken sich auf diejenigen Rechtsgebiete, auf denen unionsintern eine Regelungszuständigkeit besteht, sofern sie auch tatsächlich ausgeübt worden ist. Um zu vermeiden, dass entsprechende unionsinterne Regelungen durch Verpflichtungen der Mitgliedstaaten gegenüber Drittstaaten beeinträchtigt werden, hat der EuGH eine stillschweigende ausschließliche Kompetenz der Union angenommen (siehe dazu jetzt die Kodifikation in Art. 3 Abs. 2 AEUV). Erst der Vertrag von Nizza von 2001 hatte den Art. 133 EG dahingehend ergänzt, dass die gemeinsame Handelspolitik auch den internationalen Dienstleistungshandel sowie die Handelsaspekte des Schutzes geistigen Eigentums erfasst, soweit sie nicht bereits von der bisherigen Regelung des Vertrages abgedeckt waren. Insoweit hat aber auch der Vertrag von Nizza der Gemeinschaft keine ausschließliche Kompetenz zugestanden; vielmehr behielten die Mitgliedstaaten eine konkurrierende Zuständigkeit, soweit die von ihnen abgeschlossenen Abkommen mit Drittstaaten „mit den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften und anderen einschlägigen internationalen Abkommen in Einklang stehen“ (Art. 133 Abs. 5 UAbs. 4 EG). Darüber hinaus hatte Art. 133 Abs. 6 UAbs. 2 EG für bestimmte (insbesondere kulturelle und audiovisuelle) Dienstleistungsbereiche ausdrücklich eine gemischte Vertragsabschlusskompetenz der EG und ihrer Mitgliedstaaten vorgesehen.
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Der Vertrag von Lissabon hat nun eine grundlegende Revision dieser tradierten Regelungen vorgenommen. Der Bereich der gemeinsamen Handelspolitik, der gem. Art. 3 lit. a und e AEUV von der ausschließlichen Zuständigkeit der EU