letzteren.
105
Die Existenz von Handelsbeschränkungen lässt sich politökonomisch damit erklären, dass die vom Wettbewerb ausländischer Konkurrenten bedrohten inländischen Produzenten vergleichsweise überschaubare Gruppen bilden, die sich relativ leicht organisieren und ihre Interessen im politischen Prozess schlagkräftig durchsetzen können. Demgegenüber sind Konsumenten in der Regel zu zahlreich, um sich als Gruppe organisieren und im politischen Wettbewerb durchsetzen zu können. Allerdings gibt es auch Produzentengruppen, die an einer Marktöffnung interessiert sind, weil sie ihre profitabelsten Chancen gerade auf den Exportmärkten sehen. Der Zugang zu Auslandsmärkten ist nämlich in der Regel nur um den Preis des entsprechenden Zugangs von Auslandsunternehmen zu den Inlandsmärkten zu haben (Reziprozitätsprinzip). Je stärker also der politische Einfluss der exportorientierten Produzentengruppen, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Außenwirtschaftsverkehr von staatlichen Beschränkungen befreit (liberalisiert) wird. Dies allerdings in der Regel nur auf der Grundlage völkervertraglich abgesicherter gegenseitiger „Konzessionen“ der Staaten, die zu einem gewissen Grad mit Verbindlichkeit auf den Einsatz außenwirtschaftspolitischer Steuerungsinstrumente verzichten müssen. Handelsliberalisierung verlangt daher eine rechtlich-institutionelle Absicherung.
106
Ein Gegenmodell stellt der internationale Zahlungs- und Kapitalverkehr dar. Seine Liberalisierung beruht erkennbar auf einem internationalen Deregulierungswettbewerb, der eine Spirale unilateraler Schritte zur Beseitigung nationaler Beschränkungen und Kontrollen ausgelöst hat. Politökonomisch ist dies dadurch erklärbar, dass – anders als etwa im Bereich des Warenhandels – gerade die Gruppe der an der Marktöffnung interessierten Finanzmittler wie Banken und Versicherungen besonders gut organisierbar und im politischen Wettbewerb durchsetzungsfähig sind, während die an Protektionismus interessierten Gruppen, welche die Kosten der Marktöffnung zu tragen haben, nur schwach ausgeprägt sind, zumal diese Kosten weniger sichtbar sind und sich kaum im Verlust von Arbeitsplätzen niederschlagen.[3] Das Ergebnis kann ein Übermaß an Deregulierung durch Abbau selbst zwingend erforderlicher aufsichtsrechtlicher Regeln sein. Die krisenhaften Erscheinungen an den internationalen Finanzmärkten der letzten Jahre hatten auch darin ihren Grund.
1. Regionale Integration
Literatur:
Viner The Customs Union Issue (1950); Balassa The Theory of Economic Integration (1961); Tinbergen International Economic Integration (1965); Machlup A History of Thought on Economic Integration (1977); Behrens Integrationstheorie – Internationale wirtschaftliche Integration als Gegenstand politologischer, ökonomischer und juristischer Forschung, RabelsZ 45 (1981) 8; Pelkmans European Integration – Methods and economic analysis (3rd ed. 2006); Kirchner Europa als Wirtschaftsgemeinschaft, in: Schuppert/Pernice/Haltern (Hrsg.) Europawissenschaft (2005) 375; Molle The Economics of European Integration – Theory, Practice, Policy (5th ed. 2006); Wagener/Eger Europäische Integration – Wirtschaft und Recht, Geschichte und Politik (3. Aufl. 2014); Baldwin/Wyplosz The Economics of European Integration (5th ed. 2015).
a. Integrationstypologie
107
Die Liberalisierung des zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehrs führt zur Integration bisher gegeneinander abgeschotteter Märkte. Beschränkt sich die gegenseitige Marktöffnung auf eine benachbarte Gruppe von Staaten, so spricht man von regionaler Integration. Die ökonomische Integrationstheorie, zu deren Klassikern die Arbeiten von Viner, Balassa, und Tinbergen gehören, hat dafür eine immer noch gültige Typologie entwickelt. Sie lässt sich auch als eine Theorie der Integrationsstufen begreifen, an denen sich ein Integrationsprozess jeweils orientieren kann. Maßgeblich für die Unterscheidung der Integrationstypen ist das Ausmaß der Liberalisierung des zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehrs durch Abbau von Beschränkungen (sogenannte negative Integration)[4] sowie der Grad der Vergemeinschaftung relevanter Politikbereiche (sogenannte positive Integration). Hiernach werden unterschieden: die Freihandelszone, die Zollunion, der Gemeinsame Markt, die Wirtschaftsunion und die Vollintegration. Diese Typologie lässt sich in folgender Übersicht zusammenfassen:
Übersicht: Integrationstypen
Freiheit von Zöllen und Zollsubstituten | Gemeinsamer Außenzoll | Faktormobilität | Harmonisierung der Wirtschaftspolitiken | Vereinheitlichung der Politiken und Institutionen | |
---|---|---|---|---|---|
Freihandelszone | X | ||||
Zollunion | X | X | |||
Gemeinsamer Markt | X | X | X | ||
Wirtschaftsunion | X | X | X | X | |
Vollintegration | X | X | X | X | X |
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Unterhalb der Schwelle zur Integration bleibt eine rein einseitige (nicht reziproke) Gewährung von Importerleichterungen (etwa in Gestalt niedrigerer Präferenzzölle) für ausländische Waren, denen keine entsprechenden Erleichterungen des Marktzugangs für Inlandswaren im Ausland gegenüber stehen. Solche asymmetrischen Liberalisierungen sind typisch für die Handelspolitik der EU im Rahmen der Assoziierung von Entwicklungsländern (siehe dazu im Einzelnen unten Rn. 206 ff.).
109
Bei den genannten Integrationstypen handelt es sich um Idealtypen.[5] Dies bedeutet, dass die Unterschiede zwischen ihnen in der Realität nicht immer klar und eindeutig sind. Die Übergänge sind vielmehr fließend. So lässt sich für die Europäische Integration feststellen, dass sie zwar an der Errichtung eines Gemeinsamen Markts (Binnenmarkts) ausgerichtet ist und insoweit einer Strategie der „negativen Integration“ folgt. Sie enthält aber durchaus auch gewisse Elemente einer Wirtschaftsunion bzw. Vollintegration und damit einer „positiven Integration“. Bevor darauf näher eingegangen werden kann, sollen im Folgenden zunächst die Idealtypen der wirtschaftlichen Integration vorgestellt werden.
b. Freihandelszone
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In einer Freihandelszone[6] beschränkt sich die Integration auf die Beseitigung von Zöllen und anderen Handelsbeschränkungen zwischen den Partnerstaaten (interne Liberalisierung). Die Integration erfasst somit nur den Handel mit Gütern und auch diesen nur, soweit er zwischen den Partnerstaaten stattfindet. Die Integration erstreckt sich insbesondere