Peter Behrens

Europäisches Marktöffnungs- und Wettbewerbsrecht


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soll daher so gestaltet sein, dass die größtmöglichen Chancen für die Erreichung dieses Ziels bestehen. Insbesondere muss daher von der Ordnung der Wirtschaft erwartet werden können, dass sie Effizienz und Wachstum gewährleistet. Indem nun Art. 3 Abs. 1 und 3 EUV die Förderung des Wohlergehens der Völker mit dem Konzept des auf wirtschaftlichen Freiheiten basierenden Binnenmarkts verknüpft, zielt die wirtschaftliche Integration insgesamt auf Effizienz im Rahmen einer Ordnung, die auf individuellen Marktfreiheiten beruht.

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      Effizienz bedeutet, dass die vorhandenen knappen Ressourcen von den Produzenten im Interesse der Konsumenten so verwendet werden, dass mit dem geringst möglichen Aufwand möglichst viel von den Gütern hergestellt werden, welche die Konsumenten entsprechend ihren individuellen Präferenzen, die sie durch ihre Zahlungsbereitschaft am Markt zum Ausdruck bringen, kaufen wollen. Es geht also um zweierlei: zum einen um Präferenzgerechtigkeit, dh die Produzenten sollen ihre Produktion an den Konsumentenpräferenzen orientieren (das wird in der Wettbewerbstheorie gewöhnlich als allokative Effizienz bezeichnet). Zum anderen geht es um Kosteneffizienz: die Produzenten sollen diejenige Kombination von Produktionsfaktoren (Produktionstechnologie) anwenden, die den geringsten Ressourcenverbrauch mit sich bringt. Denn ein Zustand A, in dem mehr bzw. bessere Güter und Leistungen zu niedrigeren Kosten (und Preisen) hergestellt werden können, ist aus der Sicht der Konsumenten einem Zustand B vorzuziehen, in dem weniger bzw. schlechtere Güter zu höheren Kosten (und Preisen) produziert werden (das wird in der Wettbewerbstheorie gewöhnlich als produktive Effizienz bezeichnet). Mit sinkenden Preisen steigen die Konsummöglichkeiten der Verbraucher, weil sie mit ihrem stets begrenzten Budget mehr kaufen können.

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      Wachstum bedeutet, dass die Produktivität der Produktionsfaktoren sowie die Qualität der Produkte ständig erhöht werden. Das setzt innovatives Verhalten der Produzenten voraus. Dafür müssen sie einen Anreiz haben, sich um neue wissenschaftliche und technische Erkenntnisse zu bemühen, damit bessere bzw. neue Produkte und Produktionstechnologien entwickelt werden können. Hierin liegt zugleich der dynamische Aspekt des Effizienzziels (dynamische Effizienz). Der Wirtschaftsprozess ist dynamisch effizient, wenn die Investitionen in Innovation (dh in Forschung und Entwicklung) genauso groß sind wie die daraus resultierenden Erträge. Das institutionelle Anreizsystem entspricht den Erfordernissen dynamischer Effizienz dann am besten, wenn es gewährleistet, dass die aus einer Innovation resultierenden Erträge bis zur Höhe der Investition in die Innovation nur demjenigen zugutekommen, der die Investition getätigt hat (beispielsweise durch zeitlich begrenzte ausschließliche Nutzungsrechte wie im Falle des Patenschutzes).

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      Art. 3 Abs. 3 S. 1 EUV sieht nun ausdrücklich vor, dass die Union einen Binnenmarkt errichtet, der nach dem Protokoll Nr. 27 über den Binnenmarkt und den Wettbewerb, „ein System umfasst, das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt“. Damit ist das institutionelle Instrumentarium bezeichnet, mit dem das wirtschaftliche Ziel der Förderung des Wohlergehens der Völker in der Europäischen Union erreicht werden soll. Der AEUV geht also davon aus, dass wirtschaftliche Effizienz und Wachstum im Prinzip gerade unter Wettbewerbsbedingungen optimal erreicht werden können.

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      Dasselbe gilt für die Verfolgung des Ziels der dynamischen Effizienz, dh die wissenschaftlich-technische Innovation. Grundsätzlich – also wiederum abgesehen von bestimmten Fällen des Marktversagens – vermittelt nur ein Wettbewerbssystem den Produzenten die Anreize, die erforderlich sind, damit sie in Forschung und Entwicklung investieren. Der Prozess des Rivalisierens stimuliert die Produzenten, innovative Produkte zu entwickeln, die ihnen in der Gunst der Konsumenten für gewisse Zeit einen Vorsprung vor den Konkurrenten verschaffen, bis die letzteren ihrerseits mit vergleichbaren oder besseren Produktentwicklungen aufwarten können. Und so werden die Produzenten zugleich gezwungen, kostengünstigere Produktionstechnologien zu entwickeln, die es ihnen ermöglichen, die Produkte günstiger anzubieten als die Konkurrenten, bis auch die Konkurrenten entsprechende Technologien anwenden können.

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      „Der in den Artikeln 3 und 85 EWG-Vertrag [jetzt: Art. 3 Abs. 3 EUV iVm Protokoll Nr. 27 über den Binnenmarkt und den Wettbewerb und Art. 101 AEUV] geforderte unverfälschte Wettbewerb setzt das Vorhandensein eines wirksamen Wettbewerbs (workable competition) auf dem Markt voraus; es muss also so viel Wettbewerb vorhanden sein, dass die grundlegenden Forderungen des Vertrages erfüllt und seine Ziele, insbesondere die Bildung eines einzigen