„Reichweite des Tatbestandes“ (AT § 11 Rn. 106). Arm. Kaufmann hat der Lehre von der objektiven Zurechnung entgegengehalten, dass die meisten der von ihr behandelten Probleme in den Besonderen Teil gehören (FS Jescheck 269 ff.).
Zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen Teil stehen die allgemeinen Lehren vom Besonderen Teil[2]. Hierher gehören insbesondere die vielen in mehreren Tatbeständen verwendeten Merkmale und die immer mehr zunehmenden gleichartigen Strafschärfungsgründe und Regelfälle für besonders schwere Fälle (Schroeder Gesetzgebungstechnik S. 381 ff., 408 ff.). Erstere werden hier nicht vor die Klammer gezogen, sondern bei dem Delikt behandelt, das am häufigsten vorkommt, so die „Waffe“ und das „gefährliche Werkzeug“ bei der Gefährlichen Körperverletzung (n. § 9 II 2). Für eine Einbeziehung der Straftheorie Kubiciel aaO 127 ff.
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2. Beschreibung und Abgrenzung der einzelnen Straftaten knüpfen nicht nur an die im Allgemeinen Teil entwickelte Tatbestandslehre an, sondern müssen vor allen Dingen die Werte erkennen, um deren strafrechtlichen Schutz es geht. Erstere ist weitgehend eine Frage der juristischen Konstruktion und Technik; so wird eine Darstellung des Besonderen Teils im Endergebnis durch die Meinungsverschiedenheiten über den Begriff der Handlung, die Bestandteile des Tatbestandes, die Eingliederung der Schuld in den Verbrechensaufbau nicht entscheidend berührt: die Erörterung des Diebstahls ist letztlich davon unabhängig, ob man die Zueignungsabsicht zum subjektiven Tatbestand, das Wissen um die Fremdheit der Sache aber zur Schuld rechnet (so die frühere Lehre), oder ob man sämtliche Willensrichtungen des Täters dem subjektiven Tatbestand einordnet und innerhalb der Schuld nur die Erheblichkeit des Willens für die Strafhaftung des Täters prüft (vgl. u. b). Damit soll freilich nicht in Abrede gestellt werden, dass die Einordnung im Allgemeinen Teil wichtige Folgen für die Auslegung der jeweiligen Merkmale haben kann[3]. Jedoch ist die Erkenntnis der vom Strafrecht geschützten Werte, ihres Inhalts, ihrer Rangordnung, ihres Verhältnisses zueinander die weitaus wesentlichste Voraussetzung einer Befassung mit dem Besonderen Teil. Sie steht daher unbedingt im Vordergrund der Erörterung, und zwar nicht nur bei Auslegung des geltenden Rechts, sondern auch in der Schau der Geschichte: die in diesem Lehrbuch gegebenen historischen Rückblicke dienen in erster Linie dazu, den heutigen Stand der Wertvorstellungen zu fixieren. Erst im Anschluss daran darf die praktische Ausgestaltung des Schutzes, d.h. die Typisierung der Rechtsgutsangriffe in den einzelnen „tatbestandsmäßigen Handlungen“, zur Analyse kommen, und erst in dritter Linie rangieren die Fragen der Strafbarkeit.
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Für eine systematische Darstellung ergibt sich damit eine feste Reihenfolge:
a) Die am Rechtsgut orientierte Zusammenfassung bestimmter Deliktsgruppen; die Einordnung dieser Gruppen in eine umfassende Legal- oder Rechtsgüterordnung; s. näher u. II.
b) Die Behandlung der einzelnen Tatbestände innerhalb der Deliktsgruppen. Nach zwei Richtungen hin strahlt die Tatbestandswirkung aus (näher AT § 19 III). Der Tatbestand grenzt die absolut straffreie Sphäre von der Zone des strafbaren Verhaltens ab, und er scheidet die eine Deliktsform von der anderen. Die Erneuerung des Verbots der strafbegründenden Analogie (AT § 10 II) und die Einschränkung der wahldeutigen Tatfeststellung (AT § 10 III) haben beiden Funktionen des Tatbestandes ihre frühere zentrale Bedeutung wiedergegeben. Der Aufbau der Tatbestände ist zwar, wie wir sahen, Sache des Gesetzgebers. Bei ihrer Analyse sind aber Lehre und Praxis unabhängig. Die Verschiedenheit der Theorien über den Aufbau der Straftat wirkt sich auch auf die Wertfüllung des Begriffes Tatbestand aus. Entsprechend der heute h.L. wird der Tatbestand hier nicht nur als äußeres Geschehen („rein objektiv“), sondern komplex, unter Einbeziehung der Willensrichtungen und Tendenzen des Täters begriffen. Demgemäß gliedert sich die vorsätzliche Tat stets in einen objektiven und einen subjektiven Tatbestandsteil, während der Letztere bei fahrlässigen Taten verkümmern oder gänzlich fehlen kann. Der Bedeutung des Vorsatzes entsprechend gliedert sich auch der Irrtum: der Tatbestandsirrtum, der die Kongruenz der vorsätzlichen Delikte vernichtet und entweder eine selbstständig wertbare fahrlässige Tat oder ein strafrechtlich unerhebliches Restbild übrig lässt, gehört in die Materie des Besonderen Teils, während der Verbotsirrtum als eine nur die Zurechenbarkeit interessierende grundsätzliche Frage außerhalb des Zusammenhanges bleibt und nur dank seiner Typizität bei einzelnen Straftaten (z.B. §§ 123, 240, 253, 356) Erörterung findet.
c) Primär nach der Schutzwirkung, sekundär nach der durch Kürzungs- und Vereinfachungsstreben bestimmten Gesetzestechnik entscheidet sich die Beurteilung der sog. abgewandelten Tatbestände, die entweder als eigenständige Straftaten (delicta sui generis) oder als unselbstständige tatbestandliche Abwandlungen eines Grunddeliktes auftreten, und zwar in beiden Fällen mit qualifizierender oder privilegierender Wirkung oder auch als Subsidiärtatbestand (Auffangtatbestand) konstruiert. Die Bedeutung dieser Probleme hat die Diskussion um den Aufbau der vorsätzlichen Tötungsdelikte gezeigt. In Zweifelsfällen wird hier für Unselbstständigkeit der Abwandlung und gegen Sonderdelikt zu entscheiden sein. Dies folgt aus der Konstantheit des geschützten Rechtsgutes, während die technische Formulierung der verschiedenen Tatbestände meist durch das Bestreben veranlasst ist, allen Angriffsarten gegen das (gleichbleibende) Rechtsgut zu begegnen[4].
d) Die objektiven Bedingungen der Strafbarkeit (z.B. die Zahlungseinstellung in § 283 Abs. 6, die Nichterweislichkeit der Tatsache bei der üblen Nachrede in § 186) stehen zwar außerhalb des Tatbestandes, sind aber Deliktselemente. Die Abhängigkeit ihrer Struktur vom Charakter der Tat, deren Strafbarkeit sie begründen, verlangt ihre Einbeziehung in das System des Besonderen Teils.
e) Die Prozessvoraussetzung des Strafantrags gilt nur für einzelne Tatbestände und wird insoweit im Besonderen Teil erörtert.
f) Das gleiche gilt für die Strafausschließungs- und -milderungsgründe (eingehend AT § 35 V B), von denen der Besondere Teil des StGB eine erhebliche Anzahl aufweist, so den notstandsähnlichen Sonderfall des § 157, die Retorsion des § 199 und die Straflosigkeit der Schwangeren nach den §§ 218 Abs. 4 S. 2, 218b Abs. 1 S. 3. Immer mehr nehmen die Möglichkeiten des Absehens von Strafe zu[5].
g) Auch die Strafaufhebungsgründe sind im Allgemeinen Teil nicht erschöpfend geregelt. Weitergehend als in § 24 lässt der Besondere Teil einen strafbefreienden Rücktritt auch nach vollendeter Tat zu, so bei Hochverrat (§ 83a), bei unterlassener Verbrechensanzeige (§ 139), bei den Aussagedelikten (§ 158) und bei Brandstiftung (§ 306e).
h) Bei der Regelung des Strafensystems gibt der Allgemeine Teil nur Vorschriften über das Wesen der Strafen (Höchst- und Mindestmaß; Vollzugsgrundsätze) und eine, zudem nicht erschöpfende, Übersicht der verfügbaren Nebenstrafen und Nebenfolgen besonderen Charakters. Dem Besonderen Teil vorbehalten bleibt dagegen die Darlegung der auf das einzelne Delikt abgestimmten Strafrahmen sowie der Nebenstrafen und -folgen, über die der Allgemeine Teil schweigt, z.B. die Urteilsbekanntmachung (§§ 165, 200). Von den Maßregeln der Besserung und Sicherung ist nur die Führungsaufsicht bei bestimmten Tatbeständen besonders vorgesehen (u.a. §§ 245, 256, 262, 263 Abs. 6), ohne dass damit freilich ihre Anwendung auf diese Tatbestände beschränkt wäre (vgl. § 68 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2); auch bei anderen Maßregeln liegt aber das Schwergewicht der Anwendung bei bestimmten Tatbeständen oder jedenfalls Tatbestandsgruppen (z.B. § 69: Taten bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers).
i) Die Behandlung der Konkurrenzen, grundsätzlich ein Anliegen des Allgemeinen Teils (eingehend AT §§ 54 ff.), kann gleichwohl in ihrer praktischen Auswirkung nicht vom Besonderen Teil getrennt werden. Denn für die Praktikabilität entscheidet der Gesichtspunkt, den wir als vordringlichste Aufgabe des Besonderen Teils erkannt hatten: die Lehre vom konkreten Rechtsgut als Voraussetzung einer Systematik des Strafschutzes.
Anmerkungen