In der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V. (Carolina) von 1532 waren am Ende der Vorschriften über das materielle Strafrecht die Sicherungshaft bei Gefährlichkeit, die Teilnahme, der Versuch, die Schuldunfähigkeit und die Gefangenenbefreiung geregelt (Art. 176–180). Notwehr, Notwehrhilfe, Notwehrexzess und Tötung bei einer rechtmäßigen Festnahme waren dagegen im Rahmen der Tötungsdelikte geregelt (Art. 138–150).
Wolf aaO; Tiedemann aaO.
Naucke FS Welzel 770 ff.
Eingehend Nagler ZAkDR 40, 365; Maurach MatStrRReform I 249.
Dazu Schroeder Das Strafgesetzbuch als Straffreistellungsgesetzbuch, FS Eser, 2005, 181 ff.; Schroeder Absehen von der Strafe und Absehen von der Strafverfolgung, FS Fezer, 2008, 543 ff.
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II. Die Systematik des Besonderen Teils
Schrifttum:
Abegg, Beiträge zur Lehre von der systematischen Anordnung des besondern Theils des deutschen Strafrechts, Archiv des Criminalrecht, NF., 1835, 367; Doerr, Die Systematik des besonderen Teils des Strafrechts, GA 64, 29; Maurach, Die Systematik des Besonderen Teils eines neuen Strafgesetzbuches, MatStrRReform I 1954, 231; Oehler, Wurzel, Wandel und Wert der strafrechtlichen Legalordnung, 1950; Schneidewin, Die Systematik des Besonderen Teils eines neuen Strafgesetzbuches, MatStrRReform I 1954, 173; F.-C. Schroeder, Systematische Stellung und Rechtsgut der Sexualstraftaten nach dem 4. StrRG, FS Welzel 1974, 859; v. Weber, Der Dekalog als Grundlage der Verbrechenssystematik, FS Sauer 1949, 44; Würtenberger, Das System der Rechtsgüterordnung in der deutschen Strafgesetzgebung seit 1532, StrAbh. 326, 1933, Neudr. 1973.
1. Die Legalordnung als Rechtsgüterordnung
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Unter einer Legalordnung verstehen wir die durch ein Gesetz vorgenommene Anordnung seiner Strafdrohungen in einer bestimmten Reihenfolge und nach bestimmten Gruppen. Wenn diese Gruppierung an sich auch nach mehreren Gesichtspunkten möglich ist (z.B. nach der Person des Täters, nach dem Mittel des Angriffes), so überwiegt in der Gesetzgebung doch die Einteilung nach der Angriffsrichtung, also dem zu schützenden Rechtsgut, so stark, dass es möglich ist, die Legalordnung als gleichbedeutend mit der vom Gesetz befohlenen Rechtsgüterordnung zu betrachten.
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Legalordnungen können ihrem Wesen nach nur in Kodifikationen des Strafrechts zum Ausdruck kommen; einzelne Gelegenheitsgesetze reichen hierzu nicht aus. Darüber hinaus verlangt das Zustandekommen einer Legalordnung eine bereits fortgeschrittene Systematisierungstechnik des Gesetzgebers, die ihrerseits auf einem klaren Erfassen der zu schützenden Werte beruhen muss. Denn einerseits ist das Rechtsgut nicht gleichbedeutend mit dem konkreten Angriffsobjekt, andererseits darf es nicht zu einem unbestimmten Begriff zerfließen. Beide Fehlauffassungen haben vor allem die Herausbildung der modernen Staatsverbrechen erheblich gehemmt[1].
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Die deutschen Rechtsaufzeichnungen des Mittelalters lassen noch jede Rechtsgüterordnung vermissen. Der Dekalog des Alten Testaments mit seiner, schon in zwei Tafeln sichtbar werdenden, Einteilung und Rangordnung der Werte (Angriffe auf Gott; Angriffe auf das Menschengeschlecht und die staatliche Ordnung; Angriffe auf den Einzelnen Menschen mit den Abstufungen: Leib und Leben; Familie; Eigentum; Ehre) strahlte noch nicht auf das weltliche Recht aus (v. Weber 46). Die Legalordnung der PGO, des ersten Gesetzes, das eine solche deutlich werden lässt, ist durchaus eigenständig. Bemerkenswert und aus der vorhumanistischen Periode ihrer Entstehung erklärlich (Oehler 68) ist eine noch unscharfe Abgrenzung der gegen den einzelnen gerichteten Straftaten von den Delikten gegen Gemeinschaftswerte; dass sie Schwarzenberg vorgeschwebt hat, lässt der Aufbau des Gesetzes dennoch erkennen. Den Anfang bilden die Religionsdelikte; die Majestätsverbrechen, in der Bambergensis eingehend geregelt, sind aus der PGO herausgenommen. Es folgen Strafdrohungen gegen Fälschung, gegen Angriffe auf die geschlechtliche Sittlichkeit und auf den öffentlichen Frieden; in den Schlusskapiteln (Tötung und Diebstahl) werden vorwiegend gegen den Einzelnen gerichtete Taten erfasst (Textausgabe bei Reclam Bd. 18064).
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In der Folge wirken, einander ablösend, zwei getrennte Gedankenreihen auf die Legalordnungen ein: das Normensystem des Dekalog, das insbesondere die kursächsischen Konstitutionen (1572) und die preußischen Landrechte von 1620 und 1721 beeinflusste, und die Wertordnung des Naturrechts. Versuche, eine Synthese beider herzustellen (Pufendorf, Grotius), bleiben ohne Auswirkungen; im Laufe des 18. Jhdts. räumt die Systematik des Dekalog durchweg das Feld; an ihre Stelle tritt die Herrschaft einer säkularisiert-naturrechtlichen Wertung.
Allerdings eilt die naturrechtliche Lehre der praktischen Gesetzgebung weit voraus. Die großen landesrechtlichen Kodifikationen des 18. Jhdts. lösen sich noch nicht von der hergebrachten Rechtsgüterordnung; so die Theresiana (1768) mit ihrer Wertstufenordnung: Straftaten gegen Gott und die Religion; Straftaten wider den Landesfürsten, die Hoheitsrechte, das Regiment und die Landesverfassung; Straftaten wider die guten Sitten; Straftaten wider den Einzelnen. Ausgesprochen naturrechtlich beeinflusst ist dagegen der an sich ältere Codex juris bavarici criminalis Kreittmayrs (1751). Er eröffnet die Reihenfolge mit Diebstahl, Raub und Tötung als den Delikten gegen den Einzelnen. Es folgen die Straftaten gegen die überstaatlichen Werte, Sittlichkeit, Ehe und Religion, und erst dann die Staatsverbrechen, zu denen auch die Fälschungsstraftaten, als gegen die staatlich geschützte fides publica verstoßend, zu zählen sind (Würtenberger 130). Die abstrahierend-verallgemeinernde Wirkung des Naturrechts äußert sich auch darin, dass der Codex als erste deutsche Rechtsquelle einen den einzelnen Verbrechen vorangestellten Allgemeinen Teil enthält.
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Eine volle Durchdringung der Gesetzgebung durch die Forderungen des Naturrechts verhinderte im Übrigen schon die Maßlosigkeit der Letzteren. Die angebliche Errechenbarkeit jedes Rechtssatzes und der Gesetzesautomatismus, beides die Folge einer Verzerrung des säkularisierten Naturrechtes zu einem reinen Vernunftrecht, waren für die Praxis unannehmbar. Das galt sowohl für die „mathematische“ Methode des Aufbaues und der Ableitung von Gesetzen nach Chr. Wolff (1730) als auch für die Anmaßung Benthams, Gesetzbücher aus den Schlüssen der Logik mit universaler Wirkung, unvorbelastet durch Erfahrung und Geschichte, auszuarbeiten. Gegen diese Auswüchse wandte sich das Naturrecht der späteren Aufklärungszeit selbst. Es begann, die praktischen Grenzen seines Vermögens zu erkennen und begnügte sich mit der Lösung des Individuums aus den Verbänden der mittelalterlichen Anschauung sowie mit der Umwandlung des früher absoluten Religionsschutzes in einen solchen der staatlichen Friedensordnung. Freilich war damit der Ansatzpunkt zur Preisgabe der überstaatlichen Gemeinschaftswerte überhaupt gewonnen; die Dreiteilung der Delikte verwandelte sich in eine Zweiteilung (gegen den Staat und gegen den Einzelnen), wie sie in der Legalordnung des preuß. ALR (1794) zutage tritt: zu den Staatsverbrechen gehören auch die Religionsdelikte als Friedensstörungen; die Staatsverbrechen gehen den Angriffen gegen den Einzelnen voran.
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Immerhin waren im ALR die Spuren geschichtlichen Wachsens der Legalordnung nicht ausgetilgt. Ganz anders dagegen das vollrationalisierte bayerische StGB