aber auch andere Rechtsgüter schützen (Tlbd. 2, §§ 51 ff.).
Überblick über die Versuche zur kriminologischen Systematisierung der Tötungsdelikte und umfangreiches statistisches Material bei Dotzauer/Jarosch: Tötungsdelikte, 1971.
Anmerkungen
Noch weitergehend Hofmann ÖJZ 63, 284: Abtreibung als privilegierter Fall des Totschlags.
Binding I 22 ff. und Eser/Sternberg-Lieben S/S Vor §§ 211 ff. 1 unterscheiden das geborene und das ungeborene Leben.
Hierzu eingehend Baumgarten, Zweikampf – §§ 201–210 a.F. StGB. Reformdiskussion und Gesetzgebung von 1870 bis zur Aufhebung der Zweikampfbestimmungen, 2002.
II. Die „Absolutheit“ des Lebensschutzes
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Das Strafrecht betrachtet das menschliche Leben als eine biologisch-soziologisch untrennbar verbundene Erscheinung; es sieht in ihm einen Vorgang, dessen einzelne Phasen vom Beginn der Menschwerdung bis zum Ende des Lebensprozesses gleichwertig sind. Hieraus folgt der Grundsatz des absoluten Lebensschutzes: das Leben wird in jeder Phase als Rechtsgut anerkannt; es ist schutzwürdig ohne Rücksicht auf das Lebensgefühl, das Lebensinteresse des Einzelnen; es wird ebenso absolut geschützt ohne Rücksicht auf die Wertschätzung, welche die Gesamtheit dem Leben des Einzelnen als sozialer Funktion entgegenbringt.
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Gegenüber dieser Absolutheit des Lebensschutzes tritt die bei anderen Rechtsgütern wichtige Frage nach dem Rechtsgutsträger in ihrer praktischen Bedeutung zurück: Wird die Gemeinschaft als Träger des Rechtsguts betrachtet, so folgt dessen Unverzichtbarkeit gerade aus diesem Verhältnis. Betrachtet man dagegen wie hier den einzelnen als Rechtsgutsträger, so liegt ein zwar personengebundenes, aber der Disposition des Inhabers entzogenes Rechtsgut vor.
Aus dieser komplexen Natur eines der Verfügungsgewalt schlechthin entzogenen Gutes folgt die Beurteilung der zahlreichen streitigen Grenzfälle (u. III–VII).
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Der absolute Lebensschutz zeigt sich auch in der Abschaffung der Todesstrafe durch Art. 102 GG (zust. BGH 41, 325). Eine indirekte Auswirkung des Grundsatzes des absoluten Lebensschutzes liegt darin, dass das jugendliche Alter eines Tötungsopfers nicht strafschärfend berücksichtigt werden darf[4].
Der von Maurach entwickelte Grundsatz der Absolutheit des Lebensschutzes[5] hat dazu provoziert, die Ausnahmen von diesem Grundsatz aufzulisten (Selbsttötung, Notwehrrecht, Tötung und Kriegsrecht)[6]. Diese Ausnahmen, die im Übrigen geringer sind als bei anderen Rechtsgütern, sollten aber nicht dazu führen, die Absolutheit des Lebensschutzes durch dessen Relativität zu ersetzen[7] oder die rechtspädagogisch eindrucksvolle Formulierung Maurachs zu einer „nur noch verbalen Schablone“ zu erklären[8].
Anmerkungen
BayObLG NJW 74, 250 m. Anm. Schroeder.
Zust. Wessels/Hettinger 2; Hassemer Theorie und Soziologie des Verbrechens, 1973, S. 187 f.; Gropp FS Brauneck 285; Arth. Kaufmann FS Roxin 841; Klesczewski § 2 Rn. 2; BGH 41, 325. Weitgehende Übernahme der hiesigen Formulierung bei Laber S. 115. In der Sache übereinstimmend, aber im materiellen Recht nicht recht passend der von Chatzikostas behauptete Grundsatz „in dubio pro vita“ (Die Disponibilität des Rechtsgutes Leben …, 2001, S. 175 ff.).
So zuletzt wieder Dreier JZ 07, 261, 317.
Eser JZ 86, 789.
Merkel in: Hegselmann/Merkel (Hrsg.), Zur Debatte über Euthanasie, 1992, 82. Begrifflicher Rettungsversuch bei Ingelfinger aaO 15 ff.
III. Beginn und Ende des Lebens
Schrifttum:
Bauer-Engisch, Über Rechtsfragen bei homologer Organtransplantation, Der Chirurg 1967, 245; Bottke, Strafrechtliche Probleme am Lebensbeginn und am Lebensende. Selbstbestimmungsrecht versus Lebenserhaltung?, in: Dt. Sektion der Internat. Juristenkommission, Lebensverlängerung aus mediz., eth. und rechtl. Sicht, 1995, 35; Engisch, Der Arzt an den Grenzen des Lebens, 1973; Fritsche, Grenzbereich zwischen Leben und Tod, 1973; Geilen, Neue juristisch-medizinische Grenzprobleme, JZ 68, 145; Geilen, Das Leben des Menschen in den Grenzen des Rechts, FamRZ 68, 121; Geilen, Probleme der Organtransplantation, JZ 71, 41; Geilen, Medizinischer Fortschritt und juristischer Todesbegriff, FS Heinitz 373; Geilen, Rechtsfragen der Organtransplantation, in: Honecker (Hrsg.): Aspekte und Probleme der Organverpflanzung, 1973, 127; Geilen, Legislative Erwägungen zum Todeszeitproblem, in: Eser (Hrsg.), Suizid (vor Rn. 31), 301; Hanack, Todeszeitbestimmung, Reanimation und Organtransplantation, Dt. Ärztebl. 69, 1320; Höfling, Um Leben und Tod: Transplantationsgesetzgebung und Grundrecht auf Leben, JZ 95, 26; Hoff/in der Schmitten, Wann ist der Mensch tot?, 1994; Kaiser, Juristische Probleme des Todesbegriffs, Med. Sachverst. 69, 97; v. Kress/Heinitz, Ärztliche/Rechtliche Fragen der Organtransplantation, 1970; Lüttger, Geburtshilfe und Menschwerdung in strafrechtlicher Sicht, FS Heinitz 1972, 359; Lüttger, Der Tod und das Strafrecht, JR 71, 309; Pribilla, Juristische, ärztliche und ethische Fragen zur Todesfeststellung, Dt. Ärztebl. 68, 2257, 2318, 2396; Saerbeck, Beginn und Ende des Lebens als Rechtsbegriffe, 1974; Samson, Begehung und Unterlassung, FS Welzel 1974, 579; Schönig, Zur Feststellung des Todeszeitpunktes, NJW 68, 189; Stratenwerth, Zum juristischen Begriff des Todes, FS Engisch 1969, 528; Weißbuch Anfang und Ende menschlichen Lebens, hrsg. vom Vorstand der Bundesärztekammer u.a., 1988.
1. Der Beginn des menschlichen Lebens
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Den Beginn des menschlichen Lebens setzt das Strafrecht mit gutem Grund früher an als das bürgerliche Recht; „Vollendung“ der Geburt nach § 1 BGB ist für das Strafrecht nicht erforderlich[9]. Dies ist dadurch gerechtfertigt, dass gerade der Geburtsakt, die Lösung des Kindes aus dem schützenden Mutterleibe, eine Phase erhöhter Gefahr für das Kind bedeutet, innerhalb deren der Schutz durch die Bestimmungen gegen den Schwangerschaftsabbruch (§§ 218 ff., s.u. §§ 5–6) ganz unzureichend bleiben würde und durch die umfassenderen, insbesondere auch fahrlässige Erfolgsverursachung einschließenden Tötungstatbestände ersetzt werden muss.
Dass eine Vollendung der Geburt nicht erforderlich ist, um dem Kinde vollen Lebensschutz zu gewähren, folgt schon aus dem bis 1998 geltenden § 217 (Tötung in der Geburt)[10]. Der Begriff der Geburt und damit des menschlichen Lebens ist im Laufe der Entwicklung immer weiter vorverlagert worden. Die früheren Formeln „Einsetzen der Ausstoßungsversuche des Mutterleibes“ (RG 9, 131; 26, 178; BGH 10, 5) und „Anfang der im weiteren Verlauf zur Ausstoßung führenden Wehen“[11] waren allerdings