eine Kommission der deutschen medizinischen Vereinigungen „Kriterien des Hirntodes“ veröffentlicht, die äußere Befunde mit ergänzenden Untersuchungen kombinieren. Danach müssen sieben Symptome des Ausfalls der Hirnfunktion bei primärer Hirnschädigung mehrmals während 12 Stunden (bei Säuglingen und Kleinkindern bis zum zweiten Lebensjahr 24 Stunden), bei sekundärer Hirnschädigung während 3 Tagen festgestellt werden; auf diese Fristen kann bei einem Elektroenzephalogramm mit dreißigminütiger Nulllinie (bei Kindern bis zum 2. Lebensjahr mit Wiederholung nach 24 Stunden) oder einer beiderseitigen Angiografie verzichtet werden[25]. In Fortschreibung kamen als abgekürzte Verfahren 1986 das Erlöschen früher akustisch evozierter Potenziale (DÄBl. 86, 2940 ff.), 1991 die zerebrale Perfusions-Szintigrafie und vor allem die den Patienten nicht belastende Dopplersonografie mit zwei Untersuchungen im Abstand von dreißig Minuten hinzu (DÄBl. 91, C-2417 ff.; 98, A 1863 ff.
Zum anthropologischen Hintergrund Birnbacher u.a. DÄBl. 93, C-1969 ff., 1975 ff. Neuerdings kommt zunehmend Kritik am Hirntodbegriff auf, die dann jedoch aus Gründen der Praktikabilität und der Ermöglichung der Herztransplantation mit einer Einschränkung der §§ 212 ff. StGB (s.u. IV) gekoppelt wird[26].
Wegen der Funktion des Hirnstamms liegt beim Apalliker („Wachkoma“) kein Hirntod vor[27]. Abzulehnen ist das Abstellen auf den Kortikaltod (Funktionsausfall der Großhirnrinde)[28].
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Die Verlagerung der Todesbestimmung vom Herz auf das Hirn hat zwar Herztransplantationen möglich, gleichzeitig aber Hirntransplantationen per definitionem unzulässig gemacht (Trockel Med. Klin. 69, 666), es sei denn, man betrachtet das Gehirn als Empfänger, den Körper als Transplantat![29]
Auch nach dem Tod genießt die Leiche strafrechtlichen Schutz, nunmehr allerdings als „Störung der Totenruhe“ (§ 168 StGB; dazu Tlbd. 2 § 62 III).
Anmerkungen
Journ. of the Amer. Med. Association 68, 337 ff.
Stratenwerth aaO 546; Geilen JZ 68, 151; 71, 41; FS Heinitz 373; Aspekte und Probleme 156; Lüttger JR 71, 309; Hanack DÄBl. 69, 1320 ff.; Heinitz bei v. Kress/Heinitz 14 ff.; Saerbeck 128 ff.; Pribilla DÄBl. 68, 2257 ff., 2318 ff.; Stellungnahmen ausländ. med. Org. bei Penin-Käufer, Der Hirntod, 1969, S. 143; weit. Lit. bei Siegrist MMW 69, 745.
DÄBl. 82, 45 ff. und Weißbuch 125 ff.
Hoff/in der Schmitten aaO; Höfling JZ 95, 26; Beckmann ZRP 96, 219; Schmidt-Jortzig, Wann ist der Mensch tot?, 1999; Tröndle FS Hirsch 779; Rixen Lebensschutz am Lebensende, 1999; Lang ZfL 15, 8. Dagegen u.a. Heun JZ 96, 213; Spittler JZ 97, 747; Merkel Jura 99, 113; Oduncu Schroth/Roxin 189; Ingelfinger aaO 160 ff. Eingehend Weimer, Der tödliche Behandlungsabbruch beim Patienten im apallischen Syndrom (Diss. Hamburg 2002), 2004.
BGH 40, 260 m. Bespr. Merkel ZStW 107, 545.
Zu den unterschiedlichen Hirntodkonzeptionen K. Kloth, Todesbestimmung und postmortale Organentnahme, 1996.
Vgl. Geilen FamRZ 68, 127. Linke, Hirnverpflanzung, 1993, behandelt entgegen seinem Titel nur die Transplantation von Hirngewebe. Zur Organtransplantation s. ferner u. § 8 Rn. 34, Tlbd. 2 § 62 Rn. 12 ff.
IV. Die Unverzichtbarkeit des Lebensschutzes
Schrifttum:
Chatzikostas, Die Disponibilität des Rechtsgutes Leben in ihrer Bedeutung für die Probleme von Suizid und Euthanasie, 2001; Hirsch, Einwilligung und Selbstbestimmung, FS Welzel 1974, 757; v. Hirsch/Neumann, „Indirekter“ Paternalismus im Strafrecht am Beispiel der Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB), GA 07, 671; Hoerster, Rechtsethische Überlegungen zur Freigabe der Sterbehilfe, NJW 86, 1786; Jakobs, Tötung auf Verlangen, Euthanasie und Strafrechtsreform (Sitzungsber. Bayer. Ak. d. Wiss.), 1998; Kargl, Aktive Sterbehilfe im Zugriff der volkspädagogischen Deutung des § 216 StGB, in: Inst. f. Kriminalwiss. u. Rechtsphilos. Frankfurt a.M. (Hrsg.), Jenseits des rechtsstaatl. Strafrechts, 2007, 379; Merkel, Teilnahme am Suizid – Tötung auf Verlangen – Euthanasie, in: Zur Debatte über Euthanasie, hrsg. von Hegselmann und Merkel, 1991, 71; Roxin, Die Abgrenzung von strafloser Suizidteilnahme, strafbarem Tötungsdelikt und gerechtfertigter Euthanasie, 140 Jahre GA, 1993, 177; Schroeder, Beihilfe zum Selbstmord und Tötung auf Verlangen, ZStW 106, 565; Schroeder, Zur Legitimation des § 216 StGB, FS Deutsch 09, 505; Tenthoff, Die Strafbarkeit der Tötung auf Verlangen im Lichte des Autonomieprinzips, 2008; Vöhringer, Tötung auf Verlangen, 2008.
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Das Recht auf Leben ist nach Art. 1 Abs. 2 GG „unveräußerlich“, d.h. unverzichtbar[30]. Aus der Unverzichtbarkeit des menschlichen Lebens folgt die Unerheblichkeit der Einwilligung in die Tötung. Dies ergibt sich insbesondere aus § 216, wonach sogar die Tötung auf Verlangen des Opfers unter – freilich gemilderter – Strafe steht (näher u. § 2 IV B).
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Die Unverzichtbarkeit des menschlichen Lebens wird neuerdings unter dem Einfluss liberalistischen Denkens zunehmend infrage gestellt. Dabei wird § 216 StGB als eine Vermutung der Einwilligungsunfähigkeit (Schmitt FS Maurach 1972, 118), eine Verdachtsstrafe für eine unbeweisbare Einwilligung[31], als „paternalistisch“[32] gedeutet oder als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Krack KJ 95, 60) oder als rational überhaupt nicht begründbar angesehen[33] und dementsprechend seine Abschaffung oder Einschränkung gefordert. Hiergegen Engisch (FS H. Mayer 411 ff.), Hirsch[34] und Otto (FS Tröndle 1989, 158 f.) wegen der Aufrechterhaltung des Tötungstabus, Jakobs aaO wegen der Sicherung der „Vollzugsreife“ des Todeswunsches, Schroeder[35] wegen der Nichtabwälzbarkeit des Vollzugs der Selbsttötung und des Handlungsunwerts, Hoerster (NJW 86, 1789) wegen der Irreversibilität, Roxin (140 Jahre GA 184) wegen des Nachweises der Autonomie des Sterbewilligen[36]. Häufig wird § 216 StGB mit einem Bündel von Argumenten gerechtfertigt[37]. Zahlreiche Vorschläge zur Einschränkung des § 216 gibt es im Rahmen der Euthanasie (u. Rn. 30). Schon de lege lata will Jakobs bei „akzeptablen Gründen“ § 216 entfallen lassen[38].
Allerdings ist in Extremfällen eine Rechtfertigung nach § 34 StGB möglich (s.u. Rn. 34). Diese hier schon seit der 6. Aufl. 1977 vertretene Auffassung wird heute unglücklich als „Rechtfertigungslösung bei der aktiven Sterbehilfe“ bezeichnet[39]. Echte „Sterbehilfe“ als Erleichterung des Sterbens bedarf auch bei aktivem Handeln keiner Rechtfertigung (s.u. Rn. 32). Verzichten kann der Lebensmüde auch auf die Lebensrettung durch einen Dritten, da bei diesem keine Tatherrschaft vorliegt (s.u. Rn. 24,