Danach entfällt eine Haftung nach Tötungsgrundsätzen zunächst dann, wenn der die Rettung des Selbsttöters Unterlassende diesem gegenüber durch keinerlei Garantenpflicht verbunden war. Bestanden derartige Pflichten, ist die Beurteilung nicht einheitlich. Wer auch in diesem Falle die Haftung des Unterlassenden nach Teilnahmegrundsätzen konstruieren will, muss aufgrund dieser „akzessorischen“ Betrachtung mangels Tatbestandsmäßigkeit der Selbsttötung stets zu einer Straflosigkeit des Unterlassenden gelangen; wer das Problem auf der Ebene eigener Täterschaft des Unterlassenden lösen will und hierbei dem extensiven Täterbegriff den Vorzug gibt, muss regelmäßig die Erfüllung des Tatbestandes der §§ 211 ff. durch den Unterlassenden bejahen. Die richtige Lösung kann auch hier nur mithilfe des Grundsatzes der objektiven Tatherrschaft gefunden werden; im Falle eines echten Freitodes wird dem pflichtgebundenen Unterlassenden eine derartige Tatherrschaft in aller Regel abzusprechen sein, sodass seine Haftung für den Tod des anderen entfällt[64].
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Dieser Grundsatz darf auch nicht dadurch wieder aufgehoben werden, dass man den Garanten wegen seiner nach dem Eintritt der Handlungsunfähigkeit des Selbsttöters eintretenden Tatherrschaft (z.B. der Selbsttöter wird in der Schlinge ohnmächtig, lässt aber noch Lebenszeichen erkennen) nachträglich doch noch haften lässt[65]. Da bei dem Selbsttöter eine actio libera in causa vorliegt, ist eine Tatherrschaft des Garanten nicht möglich[66]. Noch 1983 hat BGH 32, 367 sogar ausdrückliche Anweisungen des Selbsttöters für den Fall seiner Auffindung für unbeachtlich erklärt und eine Straflosigkeit nur bei im Falle der Rettung zu erwartenden schweren Dauerschäden zugelassen[67]. Seitdem lässt die Rechtsprechung jedoch den gebotenen Wandel erkennen[68].
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Unproblematisch ist auch im Falle der Nichthinderung der Selbsttötung die eigene Täterschaft des Unterlassenden dann, wenn es an den Voraussetzungen eines echten Freitodes fehlt (vgl. o. Rn. 20).
So mit Recht schon RG 7, 332: Verurteilung eines Irrenwärters wegen fahrlässiger Tötung einer an Selbsttötungsmanie leidenden Patientin, begangen durch Verletzung der Aufsichtspflicht. Fälle einer unfreien Selbsttötung dürften wesentlich häufiger sein als üblicherweise angenommen[69]; auch hier tritt eine Verschiebung der Grenzen zwischen Teilnahme und Täterschaft zuungunsten des Garanten ein.
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Die Verhinderung eines echten Freitodes ist nicht nur nicht strafrechtlich geboten, sondern kann ihrerseits eine strafbare Nötigung oder Körperverletzung darstellen[70]. Häufig wird allerdings die Annahme der Unfreiheit und damit eines Rechtfertigungsgrundes vorliegen. Für die Polizei bestehen z.T. ausdrückliche Ermächtigungen.
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Für Selbsttötungsversuche in Straf- und Untersuchungshaftanstalten gelten die §§ 101, 178 StVollzG und die entsprechenden Bestimmungen der Bundesländer[71].
Anmerkungen
BGH 13, 162 unter teilweiser Aufgabe von BGH 2, 150; BGH NStZ 83, 117; OLG Düsseldorf NJW 73, 2215 m. Anm. Geilen 74, 570; Niese JZ 53, 175; Kielwein GA 55, 227; Welzel § 38 I 1; Heinitz JR 54, 405 und 55, 105; Sternberg-Lieben S/S 39 ff. Vor § 211; Schroeder Täter 107; Roxin FS Dreher 349. A.M. im Falle fahrlässigen Handelns des Unterlassenden BGH JR 55, 104.
Gallas JZ 60, 688 unter Aufgabe seiner Auffassung in JZ 52, 372; Sternberg/Lieben S/S 39 Vor § 211; Friebe GA 59, 166; Grünwald GA 59, 119; Heinitz JR 54, 405; 55, 105; 61, 29; Dreher JR 67, 269.
Schroeder Täter 176 f. A.M. BGH 2, 150; BGH NJW 60, 1821 (übrigens ein Urteil, das schon eindeutig gegen die subjektive Teilnahmetheorie spricht: die Verurteilung wird auf das Vorliegen der objektiven Tatherrschaft beim Garanten gestützt); für den hinzugezogenen Arzt auch BayObLG NJW 73, 565; Bringewat NJW 73, 543; Geilen JZ 73, 320.
Urteil gegen Dr. Wittig. Abl. Eser MedR 85, 7; Schmitt JZ 84, 866 und 85, 367; Gropp NStZ 85, 97; Kraatz JR 17, 299.
OLG München NJW 87, 2943; BGH NStZ 88, 127. Zust. Kutzer MDR 85, 710. S.a. § 215 AE Sterbehilfe mit Kontroverse Herzberg, Baumann, Schmitt JZ 86, 1021 ff.; 87, 131 ff., 400 ff.; 88, 185. Rückfall dagegen bei OLG Hamburg NStZ 16, 530 m. abl. Anm. Miebach und Kraatz JR 17, 299.
K. Thomas, Menschen vor dem Abgrund, 1970, 33, 138; Geilen JZ 73, 320; 74, 145; NJW 74, 572; weit. Nachw. bei Rosenau LK Vor § 211 98 ff.
Arth. Kaufmann ZStW 73, 368; Wagner aaO 130 ff. A.A. Bottke aaO 127 und JA 82, 356 sowie Arzt/Weber/H/H § 3 47, die regelmäßig § 34 StGB bejahen.
Zu dem durch den Hungerstreik der Baader-Meinhof-Gruppe und den Tod des Häftlings Holger Meins hochgespielten, aber praktisch auch sonst nicht unbedeutenden (Weis ZRP 75, 83) Problem s. Wagner aaO 138 ff.; Geppert, Freiheit und Zwang im Strafvollzug, 1976 und Jura 82, 177; Herzberg ZStW 91, 557 ff.; Baumann ZRP 78, 35; Bottke aaO 201 ff.; Ostendorf aaO; Nöldeke/Weichbrodt NStZ 81, 281; Bemmann FS Klug 1983, 563; Tröndle FS Kleinknecht 1985, 411; OLG Koblenz NJW 77, 1461 m. Anm. Wagner JR 77, 473.
4. Verletzung sonstiger Rechtsgüter
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Unabhängig davon bleibt die Frage, wieweit die Selbsttötung andere strafrechtlich geschützte Werte derart in Mitleidenschaft zieht, dass sie hieraus einen Unrechtsgehalt bezieht. Eine praktische Rolle spielen hier Schwangerschaftsabbruch, Strafvereitelung, Selbstverstümmelung und Gefährdungsdelikte (Selbsttötungsversuche durch Gasvergiftung mit anschließender Explosion oder durch Provozierung eines Verkehrsunfalls). S. hierzu u. § 6 Rn. 29 u. Tlbd. 2, § 87 Rn. 11, §§ 52, 53.
VI. Euthanasie/Sterbehilfe
Schrifttum:
Baumgarten, The Right to Die?, 22000; Blaha u.a. (Hrsg.), Schutz des Lebens – Recht auf Tod, 1978; Bottke, Euthanasie und Sterbehilfe aus der Sicht des Juristen, Zschr. f. evang. Ethik 81, 105; Brenske, Tötungen aus eugenischen Gründen und aus Euthanasiegründen, JR 52, 275 und JR 53, 215; Buschendorf, Die strafrechtliche Problematik der Euthanasie und der Freigabe „lebensunwerten Lebens“ in: Die Euthanasie, hrsg. von F. Valentin, 1969, 43; Dahm, Ärztliche Entscheidung unter Reanimationsbedingungen aus rechtl. Sicht und „passive“ Euthanasie, Diss. Bochum 1978; Detering, Forum: § 216 StGB und die aktuelle Diskussion um die Sterbehilfe, JuS 83, 418; v. Dellinghausen, Sterbehilfe und Grenzen der Lebenserhaltungspflicht des Arztes, 1981; Dölling, Zulässigkeit und Grenzen der Sterbehilfe, MedR 87, 6; Ehrhardt, Euthanasie und Vernichtung „lebensunwerten“ Lebens, 1965; Ehrhardt, Euthanasie, in