des damit verbundenen Eingriffs in die körperliche Integrität (§ 223, s.u. § 8) unzulässig, wenn der Patient sie ablehnt[84] (§ 34 StGB kommt wegen der fehlenden Angemessenheit, S. 2, nicht zum Zuge).
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Als Unterlassen wurde wegen des sozialen Sinngehalts auch der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen, insbesondere das Abschalten eines Reanimationsgerätes und die Einstellung der Sondenernährung bei irreversibler Schädigung des Gehirns (aber vor Eintritt oder jedenfalls Nachweis des vollständigen Gehirntods, vgl. o. Rn. 12), angesehen[85].
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5. Bei nicht erlangbarer Stellungnahme des Patienten hatte BGH 40, 257 in dem vieldiskutierten „Kemptener Fall“ einer irreversibel schwerst cerebralgeschädigten Patientin einen Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen auch schon vor Einsetzen des Sterbevorgangs bei Vorliegen eines tatsächlichen oder mutmaßlichen Einverständnisses oder nach allgemeinen Wertvorstellungen (Nähe zum Tod, Unwiederherstellbarkeit eines menschenwürdigen Lebens) zugelassen (aber zusätzlich eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nach § 1904 BGB verlangt[86]).
Daraufhin „entdeckte“ das Zivilrecht die Sterbehilfe[87]. 2009 wurde in das BGB § 1901a eingefügt. Nach Abs. 1 kann der Patient für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit festlegen, dass er in bestimmte ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie ablehnt („Patientenverfügung“). Der gerichtlich bestellte Betreuer hat diesem Willen Geltung zu verschaffen oder den mutmaßlichen Willen aufgrund früherer mündlicher oder schriftlicher Äußerungen, ethischer oder religiöser Überzeugungen oder sonstiger persönlicher Wertvorstellungen des Betreuten festzustellen. Bei der Gefahr schwerer Folgen der Maßnahme ist eine Genehmigung des Betreuungsgerichts einzuholen; diese ist jedoch wiederum nicht erforderlich, wenn zwischen dem Betreuer und dem behandelnden Arzt Einvernehmen besteht (§ 1904 BGB). Die gewonnene Entscheidung ist bindend, die Nichtbeachtung kann zu Strafbarkeit wegen Körperverletzung führen. Ein Behandlungsabbruch ohne die Voraussetzungen der §§ 1901a ff. BGB führt wegen des maßgeblichen Patientenwillens nicht zwingend zur Strafbarkeit[88].
2010 erweiterte der BGH das bisher nur für die passive Sterbehilfe anerkannte Recht auf Unterlassen weiterer Behandlung auf einen aktiven Behandlungsabbruch (BGH 55, 191[89]). Die naturalistische Unterscheidung sei unter normativen Gesichtspunkten nicht sachgerecht. Der Behandlungsabbruch sei durch Einwilligung gerechtfertigt, die sich aus dem aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 folgenden Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen ergebe. Dieses legitimiere die Abwehr gegen nicht gewollte Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit und in den unbeeinflussten Fortgang des Lebens und Sterbens[90].
Diese Begründung erscheint allerdings mit § 216 StGB kaum vereinbar, der schon das ernstliche Verlangen nach einer Tötung für unbeachtlich erklärt. Andere wollen daher mit dem Zylinderhut der „teleologischen Reduktion“ des § 216 argumentieren[91].
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6. Bei schwer missgebildeten Neugeborenen, die demnächst einen qualvollen Tod zu erwarten haben, sind nach den unter Rn. 34, 36 entwickelten Grundsätzen ein Sterbenlassen und sogar eine aktive Abkürzung oder gar Tötung zur Verhinderung dieses Leids gerechtfertigt, sog. Früheuthanasie[92]. Hier ist aber besonders darauf zu achten, dass sich nicht eine Nichtrettung oder gar eine Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ einschleichen (s.u. VII).
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7. Die Unterlassung lebensverlängernder Maßnahmen wegen begrenzter Ressourcen der Intensivmedizin ist nach den Grundsätzen der Pflichtenkollision zu behandeln[93]. Ein bereits an die lebensverlängernden Geräte angeschlossener Patient darf nicht zugunsten eines Neuankömmlings abgehängt werden[94]. Allerdings kann der Grundsatz „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ nicht uneingeschränkt gelten; Differenzierungen nach der Lebenserwartung sind geboten.
Nach verschiedenen Vorläufern gelten jetzt die „Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung“ von 2011[95]. S.a. Die deutschen Bischöfe: Das Lebensrecht des Menschen und die Euthanasie, 1975.
Rechtsvergleichung bei Giesen JZ 90, 929; Muschke aaO 189 ff.; Eser/ Koch aaO; Nußbaum aaO; Baumgarten aaO; Wernstedt, Sterbehilfe in Europa, 2004; Lindemann ZStW Bd. 117, 208 (Niederlande). ZStW Bd. 128, 1ff. Weit. Nachw. bei Fischer Vor § 211 73.
Anmerkungen
Dagegen mit Recht die Beschlüsse des 56. DJT; Langer aaO 103 ff.; Arzt JR 86, 309, der jedoch seinerseits die Euthanasie eigenwillig auf ein Handeln gegen den Willen des Sterbenden beschränkt. Bedenklich auch, dass BVerfGE 76, 252 in der Ablehnung der Verfassungsbeschwerde gegen die Untersagung einer Tötung auf Verlangen den vom Antragsteller verwendeten Begriff „Sterbehilfe“ unkritisch übernimmt.
Dazu Verrel DJT-Gutachten C, 2006; Schreiber NStZ 06, 473; Schroth GA 06, 549; Ingelfinger JZ 06, 821; Beschlüsse 66. DJT JZ 07, 235; Bericht Arbeitsgruppe BMJ „Patientenautonomie am Lebensende“, www.bmj.bund.de/media/archive/695.pdf. – Früheres Reformschrifttum 9. Aufl. § 1 Rn. 40.
Näher zu diesem grundlegenden Problem Ingelfinger aaO 88 ff.
BGH 42, 301 m. Anm. Dölling JR 98, 160; Schöch NStZ 97, 409. Der Fall war in der Beweislage schwierig, da ein überschuldetes Arztehepaar eine vermögende hochbetagte Patientin in ihr Haus aufgenommen und mindestens auch die Absicht hatte, sie mittels eines gefälschten Testaments beerben zu können. BGH 46, 284 f. Scharf abl. gegen diese Einschränkung Merkel FS Schroeder 06, 314 ff.
Engisch aaO 5; Goetzeler aaO 404; Eser aaO 88 ff.; v. Dellingshausen 236; Roxin bei Blaha 86 ff.; Möllering aaO 33. Zu abw. Begründungen (Tatbestandsausschluss, rechtfertigender Notstand) Dölling MedR 87, 7; Herzberg NJW 96, 3043; Merkel JZ 96, 1147, aaO 93 ff. und FS Schroeder 06, 299 ff. Für Rechtmäßigkeit aufgrund Einwilligung Maatsch, Selbstverfügung als intrapersonaler Rechtspflichtverstoß (StrAbh. n.F. 135), 2001, 236 ff.
So Buschendorf 55, 58, 60, 61.
So Simson 109 ff.; Wimmer FamRZ 75, 439.
Unzureichende Begründung auch bei Otto ZStW 83, 73.
Vgl. auch Hanack Euthanasie S. 132 ff.; Hirsch FS Welzel 796; Herzberg NJW 86, 1639; Merkel 93 ff.; de lege ferenda Engisch Der Arzt … S. 52; Geilen Euthanasie S. 30; AE-Sterbehilfe § 216 Abs. 2 (anders AE Sterbebegl., GA 05, 582 f!); Hoerster NJW 86, 1792; ZRP 88, 4; Merkel vor Rn.