freiwilliger Sterilisierungen v. 27. Okt. 1964 (Sitzungsber. d. Bayer. Akademie d. Wiss., Philos.-histor. Klasse 1965/4); Eser, Freiwillige Sterilisation und Strafrechtsreform, Die Med. Welt 70, 1751; Eser/Hirsch, Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch, 1980; Hanack, Die strafrechtliche Zulässigkeit künstlicher Unfruchtbarmachungen, 1959; Hanack, Die Sterilisation aus sozialer Indikation, JZ 64, 393; Hanack, Künstliche Eingriffe in die Fruchtbarkeit (Göppinger Arzt und Recht 11); Hanack, Die Sterilisation der Frau in strafrechtlicher Sicht, Dtsch. Med. Journal 71, 638; Hardwig, Sterilisation und Sittlichkeit, GA 64, 289; Hoerster, Grundsätzliches zur Strafwürdigkeit der Gefälligkeitssterilisation, JZ 71, 123; Kienzle, Schwangerschaftsunterbrechung, Sterilisation und Kastration nach geltendem Recht; GA 57, 65; Kohlhaas, Nach wie vor Rechtsunsicherheit in der Frage der Sterilisierung, NJW 68, 1169; Kunz, Die rechtliche Problematik der freiwilligen Sterilisation, JZ 82, 788; Reinhardt, Einverständliche Sterilisation, Niedersächs. Ärzteblatt, 1965, Heft 6, 1; Schwalm, Bilanz nach dem Sterilisationsurteil des Bundesgerichtshofs, Med. Klinik 1966, 32, 72; Urbanczyk, Sind freiwillige Sterilisationen strafbar?, NJW 64, 425; Wulfhorst, Wäre eine Strafbarkeit der freiwilligen Sterilisierung verfassungswidrig?, NJW 67, 649.
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aa) Die Kastration gegen die Auswirkungen eines abnormen Geschlechtstriebs ist im Kastrationsgesetz vom 14.8.69[70] geregelt. Sie ist nur bei Männern vorgesehen, da sie bei Frauen den genannten Zweck nicht erfüllen kann[71], und zwar entweder wegen mit dem abnormen Geschlechtstrieb zusammenhängender schwerwiegender Krankheiten, seelischer Störungen oder Leiden (sexualmedizinische Kastration) oder der Gefahr der Begehung bestimmter Sexualstraftaten und Straftaten gegen das Leben (kriminologische Kastration). Voraussetzung ist dabei, dass der Betroffene über 25 Jahre alt ist und nach eingehender Aufklärung einwilligt. Schließlich ist die Einschaltung einer Gutachterstelle erforderlich (andernfalls nach § 7 KastrG Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe).
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bb) Die Sterilisation wurde nach dem zweiten Weltkrieg z.T. nach dem ErbgesundheitsG vom 14.7.33, z.T. nach § 226a StGB a.F. beurteilt[72]. Dieser Streitstand wurde durch BGH 20, 81 (Dohrnurteil) weitgehend überholt. Nach dieser Entscheidung soll es seit der Aufhebung des § 226b durch KRG Nr. 11 keine deutsche Strafvorschrift mehr geben, die freiwillige Sterilisierung mit Strafe bedroht. Zwar ist die Argumentation des BGH nach den anerkannten Grundsätzen der Rechtsquellenlehre unhaltbar und hat daher insoweit zu Recht völlig einmütige Kritik erfahren[73], aber dem Ergebnis des BGH sind zahlreiche Autoren beigetreten[74]. Dabei ist man sich allgemein darüber im Klaren, dass der „einfache und bequeme“ Weg von BGH 20, 81 nicht gangbar ist, sondern die Lösung von §§ 223 ff. ausgehen muss und an einer Stellungnahme zu § 228 nicht vorbeiführt. Gerade hier hat sich aber ein bemerkenswerter Wandel vollzogen. Die Diskussion hat sich von einer rein strafrechtlichen Argumentation fast ganz auf die verfassungsrechtliche Ebene verlagert. Denn § 228 ist für sich allein zur Lösung nicht ausreichend (insoweit zutr. BGH 20, 85); das Merkmal der „Sittenwidrigkeit“ ist im Strafrecht weitgehend unbrauchbar und verfassungsrechtlich bedenklich (s.o. Rn. 15). Damit ist eine gesetzgeberische Lösung der verworrenen Rechtslage seit Langem überfällig (so schon Kohlhaas NJW 68, 1169) und die „Zurückstellung“ der im RegE des 5. StrRG vorgesehenen Regelung unverzeihlich. Solange die gesetzgeberische Lösung nicht erfolgt ist, ist die Beachtlichkeit der Einwilligung nach § 228 in weitem Umfang anzuerkennen. Sie ist – analog § 2 Abs. 1 Nr. 3 KastrG – in jedem Fall gegeben bei einem Alter der bzw. des Einwilligenden über 25 Jahren, bei eugenischer Indikation und Vorhandensein mehrerer Kinder noch früher[75]. Für geistig Behinderte gilt § 1905 BGB[76]; bei Minderjährigen ist eine Sterilisation völlig ausgeschlossen (§ 1631c BGB) – eine schwere Belastung für die Unterhaltspflichtigen. Bedenkliche Ablehnung des Vorsatzes bei irrtümlich angenommener mutmaßlicher Einwilligung bei BGH 35, 249 (Kritik o. bei Rn. 28).
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g) Die Geschlechtsumwandlung ist als Heileingriff anzusehen, wenn sie zur Beseitigung schwerer seelischer und körperlicher Beeinträchtigungen unerlässlich ist. In diesem Rahmen muss sie, um ihren Zweck zu erreichen, möglichst frühzeitig und ohne Rücksicht auf die Volljährigkeit zulässig sein. Im Übrigen wird sie von der Rechtsprechung als sittenwidrig angesehen[77].
h) Die Beschneidung kann bei Knaben gemäß § 1631d BGB nicht nur aus medizinischen Gründen, sondern mit Rücksicht auf Art. 4 GG auch aus religiösen Gründen gerechtfertigt sein,[78] bei Mädchen ist sie gemäß § 226a stets strafbar, da eine etwaige Einwilligung der Eltern nach § 228 unwirksam wäre.
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i) Die Prozessordnungen gestatten ärztliche Eingriffe zur Feststellung verfahrenserheblicher Tatsachen (§§ 81a, 81c, 81g, 81h StPO, § 372a ZPO). Diese Eingriffsbefugnisse wirken als Rechtfertigungsgründe. Sie finden ihre Grenze in „Nachteilen für die Gesundheit“, also Beeinträchtigungen, die erheblich über die Untersuchungsdauer hinaus fortwirken. Von Verfassungs wegen muss außerdem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden; die zulässige Eingriffsintensität richtet sich deshalb nach Schwere und Stärke des Tatverdachts[79]. Unzulässig ist die Angiographie (str.), ausnahmsweise zulässig sind Liquorentnahme (BVerfGE 16, 194, 201 f.; str.) und Hirnkammerluftfüllung[80]; nach BVerfG StV 00, 1 bestehen gegen die Verabreichung von Brech- und Abführmitteln zur Erlangung von verschluckten Gegenständen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (abl. Naucke u. Rixen NStZ 00, 381). Hypnose und Narkoanalyse zur Herbeiführung von Aussagen verstoßen gegen § 136a StPO und § 343 StGB (Tlbd. 2, § 76 III). Das Abschneiden von Haaren und Bart zur Identifizierung kann auf § 81b StPO gestützt werden[81]. Bei Nichtbeschuldigten gilt außerdem der Grundsatz der Zumutbarkeit (§ 81c Abs. 4 StPO, § 372a ZPO).
Anmerkungen
Hierzu Bruns MDR 87, 353; Janker NJW 87, 2897; Spann/Penning MedR 87, 171; Solbach JA 87, 298; StA Mainz NJW 87, 2946; Michel JuS 88, 8; Sternberg-Lieben GA 90, 292 ff.
BGH NJW 78, 1206 mit Anm. Rogall 2344; Hruschka JR 78, 519; Horn JuS 79, 29 und Bichlmeier JZ 80, 53: Ziehung von 16 Zähnen wegen Kopfschmerzen.
Kritisch Schroth JZ 97, 1153 und bei Roxin/Schroth 271 ff.; Schroeder ZRP 97, 265; Niedermair aaO 225 ff. Zur Verfassungsmäßigkeit BVerfG NJW 99, 3399 m. krit. Anm. Gutmann 3387.
Dazu Hellebrand NStZ 92, 13; Laufs/Reiling JZ 92, 105; Hassemer JuS 92, 110; Helgerth JR 92, 170. S.a. BayObLG NJW 95, 797 m. Anm. 96, 2393.
Kontroverse über die berufsrechtliche Einordnung bei Linck-Franz/Hartl NJW 87, 2547; 88, 2277.
A. Müller aaO 124; weitergehend Linck NJW 87, 2551; Weber FS Baumann 1992, 54. Gegen Strafbarkeit Schild aaO 1986 24; 2002, 157; Kargl JZ 02, 369; tendenziell auch Turner NJW 91, 2944. Zum Doping als Wettbewerbsverzerrung