Martin Lipp

Examens-Repetitorium Familienrecht


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das zentrale Argument des BGH, im Straßenverkehr sei kein Raum für individuelle Sorglosigkeit. Es geht hier nicht um die im Straßenverkehr einzuhaltenden Sorgfaltsanforderungen, die durch Vorschriften des Öffentlichen Rechts und des Strafrechts hinreichend sichergestellt sind, sondern um die Frage der zivilrechtlichen Haftung gegenüber einer bestimmten Person,[60] konkret: dem verletzten Ehegatten. Gegen die Anwendbarkeit von § 1359 spricht zwar, dass sich die gemeinsame Autofahrt oder Freizeitbetätigung in aller Regel nicht als eine spezifische „sich aus dem ehelichen Verhältnis“ ergebende Verpflichtung darstellt, dies ändert aber nichts daran, dass Ehegatten auch im Straßenverkehr – wie generell – einander nach § 241 Abs. 2 zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen verpflichtet sind. Sach- und praxisgerechter erscheint eine teleologische Reduktion von § 1359 in Fällen, in denen Versicherungsschutz besteht. Für die Versicherung realisiert sich in einem Autounfall das versicherte Risiko. Die Privilegierung des Versicherungsnehmers nach § 1359 bei Schädigung des Ehegatten (statt eines sonstigen Dritten) stellt sich für die Versicherung als zufälliger Umstand dar, obwohl sie die Haftung für den (durch einen Verkehrsunfall) eingetretenen Schaden bei einem Dritten (hier: dem Ehegatten) im Grundsatz übernommen hat. Von der – auf dem höchstpersönlichen Verhältnis zwischen schädigendem und geschädigtem Ehegatten beruhenden – Privilegierung soll nach dem Sinn und Zweck der Norm nicht die Versicherung profitieren.[61]

      Anmerkungen

       [1]

      Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 72020, § 17 Rn. 7, die letztlich jedoch Schadensersatzansprüche ablehnt.

       [2]

      Statt vieler Palandt/Brudermüller, BGB, 792020, § 1353 Rn. 3.

       [3]

      Zu weiteren Einzelpflichten mit zahlreichen Nachweisen vgl. Mayer, Haftung und Paarbeziehung, 2017, S. 182.

       [4]

      Zutreffend Röthel, Institution und Intimität, in: Röthel/Löhnig/Helms, Ehe, Familie, Abstammung – Blicke in die Zukunft, 2010, S. 9, 28.

       [5]

      Ausführlich dazu Mayer, Haftung und Paarbeziehung, 2017, S. 154 ff.

       [6]

      Comes, Der rechtsfreie Raum, 1976, S. 90 f.

       [7]

      BGH, NJW 1988, 2032 (2033: Rechtspflicht); zum Meinungsstand allg. vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 792020, Einf. v. § 1353 Rn. 5.

       [8]

      Boehmer, JZ 1953, 345; ders. AcP 155 (1956), 181; ders. FamRZ 1955, 7; Fabricius, AcP 160 (1961), 316; Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, 1971, S. 254 ff.

       [9]

      BGH, NJW 1972, 199 m.w.N.

       [10]

      Das „sonstige Recht“ des § 823 Abs. 1 weist einer Person ein bestimmtes Objekt absolut, d.h. zum alleinigen Haben und Nutzen zu; eine solche, in Anlehnung an das Eigentum abgeleitete Subjekt-Objekt-Beziehung ist dem persönlichen Eherecht aber fremd. Näher zur Kritik Lipp, Die eherechtlichen Pflichten, 1988, S. 203 ff.; so i.E. (insbesondere für das Kindschaftsrecht) auch Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 112016, § 20 Rn. 16.

       [11]

      Grundlegend BGH, NJW 1952, 975; OLG Zweibrücken, FamRZ 1989, 55.

       [12]

      BGH, NJW 1952, 975 (976); BGH, FamRZ 1963, 553.

       [13]

      BGH, NJW 1952, 975 (976); BGH, FamRZ 1963, 553.

       [14]

      BGH, FamRZ 1981, 531; BGH, NJW 1990, 706 (708 f.).

       [15]

      Grundlegend BGH, NJW 1957, 670; dann st. Rspr., etwa BGH, NJW 1972, 199; BGH, FamRZ 1973, 295.

       [16]

      BGH, FamRZ 1981, 531; ferner die bisherige Rspr. noch einmal zusammenfassend BGH, NJW 1990, 706 (dort auch zu den seltenen Fällen einer Haftung nach § 826). Zur anderen Ansicht in der Literatur, die Schadensersatz im Umfang des Abwicklungsinteresses zuspricht und davon das (nicht ersatzfähige) Interesse am Bestand der ungestörten Ehe unterscheidet; MüKoBGB/Roth, 82019, § 1353 Rn. 49.

       [17]

      BGH, NJW 1952, 975; BGH, NJW 1957, 670.

       [18]

      Ersatzfähig wären etwa die Kosten für ein Hotel, solange der oder die Geliebte in die Ehewohnung aufgenommen wurde. Sinnvollerweise wird in solchen Fällen ein Verfahren auf Zuteilung der Ehewohnung nach § 1361b einzuleiten sein (dazu Rn. 347 ff.), weil mit der Aufnahme des/der Geliebten rglm. die Trennung der Eheleute einhergeht.

       [19]

      Zusammenfassend BGH, NJW 1972, 199. Die Entscheidung betraf einen Schadensersatzanspruch (Ehelichkeitsanfechtungskosten), die tragenden Ausführungen sind aber grundsätzlich gehalten: „An dem Rechtsstandpunkt, daß der Bereich der Ehestörungen nicht dem deliktischen Rechtsgüterschutz des § 823 Abs. 1 BGB zuzuordnen ist, ist festzuhalten“.

       [20]

      BGH, FamRZ 1973, 295 (allgemeines Persönlichkeitsrecht).

       [21]

      BGH, NJW 1972, 199.

       [22]

      BGH, NJW 1957, 670; BGH, NJW 1972, 199.

       [23]

      BGH, NJW 1957, 670.

       [24]

      Gut vertretbar erscheint mit Blick darauf auch eine Ansicht, die den Regelungsgehalt in § 1353 Abs. 1 S. 2 auf eine inhaltlich mit § 241 Abs. 2 identische Pflicht reduziert.