fest, dass es sich bei der Sicherungsverwahrung unabhängig von ihrer Bezeichnung und formellen Konstruktion um eine Strafe i. S. von Art. 7 I EMRK handele. In der Folge handhabten die Oberlandesgerichte diese Rechtslage sehr unterschiedlich, sodass sich der Gesetzgeber 2010 gezwungen sah, in § 121 II GVG bei Fällen, die die Sicherungsverwahrung betreffen, eine Vorlagepflicht an den BGH bei Abweichungen in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte einzuführen.[46] Insbesondere das OLG Nürnberg vertrat die Auffassung, dass die Entscheidung des EGMR nicht bindend und ihr auch im Übrigen nicht zu folgen sei.[47] Daraufhin entschied der 5. Strafsenat des BGH, dass das Urteil des EGMR nicht zur Folge habe, dass Verurteilte, die wegen vor dem 31.1.1998 begangener Taten seit mehr als zehn Jahren erstmals in der Sicherungsverwahrung untergebracht sind, ohne weitere Sachprüfung zu entlassen seien.[48] Um die Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung zu harmonisieren und Schutzlücken zu schließen, ist am 1.1.2011 das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22.12.2010[49] in Kraft getreten. Hierdurch wurde die nachträgliche Sicherungsverwahrung für die Zukunft weitgehend abgeschafft. Nach den neuen Regelungen muss die Sicherungsverwahrung im Strafurteil angeordnet oder vorbehalten sein. Wenig später entschied der EGMR erneut, dass die nachträgliche Verlängerung einer Sicherungsverwahrung menschenrechtswidrig sei.[50] Zudem erklärte das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 4.5.2011[51] sämtliche Normen für verfassungswidrig, die die Voraussetzung für eine Anordnung von Sicherungsverwahrung regelten. Da die Vorschriften nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts jedoch bis zu einer Neuregelung, längstens jedoch bis zum 31.5.2013, fortgelten sollten, war damit nicht die Konsequenz verbunden, dass alle Sicherungsverwahrten zu entlassen sind.[52] Während im Jahr 2004 vom Bundesverfassungsgericht eine über zehn Jahre hinausreichende Freiheitsentziehung noch als verhältnismäßig eingestuft wurde,[53] ging derselbe Senat nunmehr davon aus, dass es einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung bedürfe. Ausgehend hiervon sei festzustellen, dass die Sicherungsverwahrung das sog. Abstandsgebot zur Strafe nicht einhielt. Denn der Vollzug der Sicherungsverwahrung sei so ausgestaltet, dass kein hinreichender Unterschied, d. h. kein ausreichender Abstand zur Strafe erkennbar sei. Mit Blick auf die Altfälle ging der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts davon aus, dass sich das Gewicht des Vertrauensschutzes einem absoluten Vertrauensschutz annähere.[54] Der legitime Zweck, die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern zu schützen, trete weitgehend hinter den Vertrauensschutz zurück. Nachträgliche Verschärfungen der Sicherungsverwahrung dürften daher auf Altfälle nicht angewandt werden, auch wenn das Rückwirkungsverbot in diesem Bereich nicht unmittelbar gelte. Dennoch sei in Ausnahmefällen von einem Überwiegen der Sicherheitsinteressen auszugehen, falls das Abstandsgebot eingehalten werde und die „hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- und Sexualverbrechen aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist“.[55] Im Übrigen ließ das Bundesverfassungsgericht eine fortgesetzte oder nachträglich verhängte Sicherungsverwahrung zu, wenn eine psychische Störung i. S. von § 1 I Nr. 1 ThUG (Therapieunterbringungsgesetz) vorlag. Die durch die Entscheidung des BVerfG notwendige Reform wurde mittlerweile durch das am 1.6.2013 in Kraft getretene Gesetz zur bundeseinheitlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung umgesetzt.
1. Grundsatz: Territorialitätsprinzip 16 Grundsätzlich gilt das Territorialitätsprinzip, d. h. dem deutschen Strafrecht unterliegen alle im Inland begangenen Straftaten ohne Rücksicht auf die Nationalität des Täters oder Opfers, vgl. § 3 StGB. Bezüglich des Begehungsortes legt § 9 StGB den sog. Ubiquitätsgrundsatz fest. Die Tat ist nach dieser Vorschrift an jedem Ort begangen, an dem der Täter bzw. ein Mittäter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an welchem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte. Erschießt also Täter A von österreichischem Staatsgebiet aus den B, der sich auf deutschem Staatsgebiet befindet, so ist Tatort sowohl Österreich als auch Deutschland. Interessant ist zum Begehungsort folgendes vom BGH entschiedenes 17
Beispiel: Der 1944 in Deutschland geborene Täter A, der seit 1996 australischer Staatsbürger war, stellte in Australien Artikel ins Internet, die den Holocaust leugneten. Als A in Deutschland Freunde besuchte, wurde er festgenommen. Strafbarkeit des A? (Auschwitzlüge-Fall nach BGHSt 46, 212[57]) 18 Lösung: A hat sich wegen Volksverhetzung nach § 130 III StGB strafbar gemacht. Der BGH hat hier eine Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts nicht allein darauf gegründet, dass die Inhalte im Internet auch in Deutschland abrufbar sind. Vielmehr hat er darauf abgestellt, dass die Tat objektiv einen besonderen Bezug zur Bundesrepublik Deutschland aufweist, da die Äußerungen abstrakt geeignet seien, den öffentlichen Frieden in Deutschland zu stören (Hinweis: Ein vom BGH verlangter „Inlandsbezug“ von Internetinhalten wäre etwa bei einfacher verbotener Pornografie sicherlich zu verneinen. Dies zeigt auch § 6 Nr. 6 StGB, der nur für Kinderpornografie das Weltrechtsprinzip für anwendbar erklärt). Letztlich ist das Bemühen des BGH um Einschränkung der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nur auf solche Inhalte, die einen besonderen Inlandsbezug aufweisen, verständlich. Denn ohne diese Einschränkung müssten die deutschen Strafverfolgungsbehörden alle Personen, die weltweit unerlaubte Inhalte ins Netz stellen, strafrechtlich verfolgen.). Sofern die vom Täter verwendeten Formulierungen geeignet sind, das Verfolgungsschicksal der betroffenen Juden, welches Teil ihrer persönlichen Würde ist, verächtlich zu machen (Beleidigung unter Kollektivbezeichnung, s. dazu ausführl. Jäger, BT, Rn. 150 ff.), liegt auch eine Beleidigung nach § 185 StGB vor. Das gilt z. B. bei Äußerungen wie „Gaskammermythos“ und „astronomische Zahlen“. Für § 185 StGB ist hier ausnahmsweise kein Strafantrag erforderlich, vgl. § 194 I S. 2 StGB. Der BGH nimmt schließlich auch einen postmortalen Persönlichkeitsschutz an, der sich aus Art. 1, 2 GG ergibt, sodass bei den dargestellten Formulierungen auch eine Strafbarkeit wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener nach § 189 StGB gegeben ist. Auch hier ist kein Strafantrag erforderlich, vgl. § 194 II S. 2 StGB. A ist damit strafbar nach §§ 130, 185, 189 StGB. Die Taten stehen zueinander in Tateinheit, § 52 StGB. Hinweis: Seit einiger Zeit geht der Senat sogar davon aus, dass es bei abstrakten und abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikten, die durch Einstellen strafbarer Inhalte im Ausland verwirklicht werden, überhaupt keinen inländischen Erfolgsort gebe. Mangels Inlandstatort wäre dann § 130 StGB nicht verfolgbar.[58] 2. Ausnahmen vom Grundsatz 19 Ist eine Tat nicht im Inland begangen, so kann dennoch ausnahmsweise deutsches Strafrecht eingreifen: a) Flaggenprinzip, § 4 StGB b) Aktives Personalitätsprinzip Danach unterliegen dem deutschen Strafrecht unter bestimmten Umständen Straftaten Deutscher auch, wenn sie im Ausland begangen wurden, vgl. §§ 5 Nr. 3a, 5b, 8, 9, 12; 7 II Nr. 1 StGB. c) Passives Personalitätsprinzip (Klausur!) Nach § 7 I StGB gilt das deutsche Strafrecht auch für Taten, die zwar im Ausland begangen wurden, die sich aber gegen einen Deutschen richten, sofern die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder keiner Strafgewalt unterliegt. Achtung Klausur: Wenn überhaupt, dann spielt in der Klausur das passive Personalitätsprinzip eine Rolle. Man erkennt das Problem grundsätzlich daran, dass der Sachverhalt im Ausland spielt und im Bearbeitervermerk z. B. folgender Hinw. zu finden ist: „Es ist davon auszugehen, dass in Nepal in etwa die gleichen Strafvorschriften gelten wie in Deutschland.“ d) Schutzprinzip Dieses gilt bei bestimmten Auslandstaten, die sich gegen inländische Interessen richten, vgl. §§ 5 Nr. 1, 2, 3b, 4, 5a, 6, 7, 10, 11, 13, 14 StGB.