alt="Icon_Warnung.jpg"/>Populäre Grammatikratgeber, die schon einmal den Tod des Genitivs herbeireden und den Anspruch erheben, ganz genau zu wissen, was richtiges Deutsch ist, sollten Sie dagegen als das lesen, was sie eigentlich sein wollen: Unterhaltungslektüre. Solche Werke können sprachwissenschaftlich fundierte Grammatiken und Ähnliches nicht ersetzen. Sie vertreten allzu oft Regeln, die dem tatsächlichen Sprachgebrauch bei näherer Betrachtung nicht oder längst nicht mehr entsprechen. Solche Publikationen haben zwar den hehren Anspruch, unsere Sprache vor völliger Verwahrlosung bewahren zu wollen, schießen aber mit ihren Vorschriften weit über das Ziel hinaus und verkennen, dass die deutsche Sprache einem permanenten Wandel unterliegt und auch in ihr, ganz nach Hannes Wader, gilt, »dass nichts bleibt, dass nichts bleibt, wie es war«.
Wenn Sie Ihrem Korrekturprogramm gar nicht trauen, Ihnen ein Blick in die Grammatik auch nicht recht weiterhilft oder Sie im Falle einer Wette (Heißt es wohlgesinnt oder wohlgesonnen?) einen kompetenten Schiedsspruch brauchen, können Sie bei einer der Sprachberatungsstellen anrufen, die landauf, landab ihre Dienste anbieten.
Aber Obacht! Telefonische Sprachberatung ist meistens kostenpflichtig und wird über Ihre Telefonrechnung abgerechnet. Schriftliche Expertisen, wie sie zum Beispiel von der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden zu Vornamen angeboten werden, können sogar richtig ins Geld gehen.
Manche Sprachberatungsstellen bieten auch einen kostenlosen Newsletter oder gar Podcasts zum ebenfalls kostenlosen Download an.
Tabelle E.1: Sprachberatungsstellen in Deutschland
Die wichtigsten grammatischen Fachbegriffe im Überblick
In Tabelle E.2 sind zum Einstieg nur die wichtigsten grammatischen Fachbegriffe zusammengestellt. Wo Fachwörter im Text genannt sind, wird beim ersten Vorkommen immer auch der deutsche Begriff in Klammern ergänzt. So fahren Sie zweigleisig und haben es leichter, die grammatische Terminologie im Kopf zu behalten.
Tabelle E.2: Grammatische Fachbegriffe und was sie bedeuten
Deutsch heute – oder: Warum Herr Thierse keine Wecken mag
Man – »frau auch« – sollte es nicht meinen: Die deutsche Sprache hat viele Namen. Mal heißt sie Hochdeutsch, dann Standarddeutsch, wenn nicht gerade Gegenwartsdeutsch oder Schriftdeutsch. Nicht genug, dass sie sich in drei Nationalsprachen mit ihren je eigenen Besonderheiten aufteilt, nämlich in (»deutschländisches«) Deutsch, österreichisches Deutsch (für unsere alpenländischen Vettern schlicht: Österreichisch) und Schweizerdeutsch. Auch in sich gliedern sich diese Erscheinungsformen des Deutschen in vielfältiger Hinsicht. Da gibt es regionale Unterschiede, soziale Unterschiede, Unterschiede des Stils und andere mehr. Wer glaubt, diese ließen sich klar voneinander abgrenzen, irrt. Alles beeinflusst im sprachlichen Kontinuum, man könnte auch sagen: Brei, alles. Es wird in alle Himmelsrichtungen und von unten nach oben und von oben nach unten und hin und her und her und hin gerempelt und gedrängelt wie auf den Straßen von Shanghai, worüber sich dort übrigens nur »die Fremden« aufregen.
Wörter wie geil, die vor drei Jahrzehnten noch tabu waren, sind heute täglich im Fernsehen zu hören. Wo gestern noch klar war, dass derjenige dämlich ist, der wegen mit dem Dativ verbindet, wird heute heftig über die Zulässigkeit ebendieses Dativs gestritten. Alteingesessene Wiener regen sich darüber auf, dass die Jugend der Kaiserstadt das heimische Servus durch den Import Tschüs aus Piefkeland ersetzt hat, sagen aber wie die Schweizer lieber Goalkeeper statt Torwart, was eingefleischte Fremdwortgegner nördlich der Donau auf die Palme treiben sollte. Kein Wunder, wenn es vielen nicht ganz leichtfällt, dieses brodelnde Gemenge zu verdauen und sich sogar der sonst so besonnene Herr Thierse aus Berlin darüber ereifert, dass auf dem Prenzlauer Berg der Wecken die Schrippe verdrängt wie bundesweit das Grauhörnchen unser heimisches Eichhörnchen. Aber immerhin der Wecken, nicht das Weckle! Von der Sache her ist das natürlich ziemlich »Brötchen«. Hauptsache ist doch, das Teil schmeckt.
Das Wecken-Schrippen-Beispiel zeigt, wie wichtig uns unsere Sprache unter dem Strich dann doch ist. Irgendwie fühlen wir uns in ihr zu Hause und wie von einem Nachbarn gestört, der samstags nach 19.00 Uhr noch seinen Rasen mäht, wenn sich in ihr etwas ver ändert. Doch nur in ihrer sich ständig wandelnden Vielfalt ist die deutsche Sprache eins. Diese Vielfalt ermöglicht es erst, dass jeder von uns in ihr seine Nische findet, in der er – sie auch – sich mit dieser Sprache und über diese Sprache identifiziert. Noch ein Grund, sich mit ihren Grundlagen und Gesetzmäßigkeiten zu befassen.
Fragt sich abschließend, was das nun heute ist: Standarddeutsch? Der Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg plädierte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung am 17.05.2010 dafür, »das geschriebene Deutsch in der überregionalen Presse … als den geschriebenen Standard« anzusehen. Dieses, nennen wir es: »Journalistendeutsch« lässt sich anhand großer elektronischer Datenmengen gut erforschen und ist letztendlich schon heute Grundlage der meisten Gebrauchsgrammatiken. Demnach verstehen wir unter (geschriebenem) Standarddeutsch das, was uns die Zeitungen schon morgens zum Frühstück präsentieren, abzüglich diverser Schreib- und Trennfehler, die ein ordentliches Korrektorat, so nicht wegrationalisiert, jederzeit gefunden hätte. Und mehr soll zum Thema Standarddeutsch gar nicht gesagt werden.
Teil I
Wie aus Lauten und Buchstaben Wörter werden
erfahren Sie, was Sie über die Aussprache des Deutschen wissen sollten, welche Vokale (Selbstlaute) und Konsonanten (Mitlaute) wir auseinanderhalten müssen und warum es gut ist, Silben erkennen zu können. Dass der Ton die Musik macht, gilt nicht nur beim Singen. Deshalb erläutere ich Ihnen in diesem Teil zudem das Wichtigste zur Wort- und Satzbetonung (Intonation). Und weil wir unsere Sprache nicht nur sprechen, sondern auch schreiben, werden Sie hier den Zusammenhang zwischen Rechtschreibung und Grammatik erklärt finden. Außerdem geht es um die Frage, was eigentlich ein Wort ist und wie sich Wörter im konkreten Gebrauch verändern. Zu diesen Grundlagen der Formenlehre (Morphologie) gehören die Beschreibung der Wortarten und die Erklärung der Wortbildung. Deshalb werde ich Sie in diesem Teil auch hiermit vertraut machen.
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Von Lauten und Buchstaben
In diesem Kapitel
▶ Was Sie ganz allgemein über die Laute und die Buchstaben wissen sollten
▶ Vokale (Selbstlaute) und Konsonanten (Mitlaute) und wie wir sie verschriften
▶ Das Wichtigste über die Silbe
▶ Wortbetonung und Satzbetonung im Überblick
Mit der Lautlehre ist das so eine Sache: Einerseits ist das Thema komplex. Andererseits spielt es für Muttersprachler im alltäglichen Sprachgebrauch eine eher untergeordnete Rolle. Wir mögen uns zwar gelegentlich fragen, ob wir »Chemie«, »Schemie« oder »Kemie« sagen sollten. Da die Aussprache des Deutschen aber ohnehin landschaftlich mehr oder weniger stark voneinander abweicht, halten wir uns mit derartigen Problemen in der Regel nicht lange auf, zumal die unterschiedliche Aussprache die Verständigung in den meisten Fällen nicht stört. Schwieriger ist es da schon, die gesprochenen Laute in geschriebene Buchstaben umzuwandeln. Gut also, hierzu das Wichtigste