Leben des Königs ausmachte,
Es gab ein fürchterliches Mittel, dahin zu gelangen, und Richelieu hatte daher stets gezögert, es anzuwenden; jetzt aber schien ihm die Stunde zu rückhaltlosem Handeln gekommen zu sein. Es galt, Ludwig XIII. den Beweis für die unbestreitbare Mitschuld seiner Mutter bei der Ermordung Heinrichs IV. zu liefern.
Ludwig XIII. besaß die große Eigenschaft, für den König Heinrich IV. eine unbegrenzte Verehrung zu hegen.
Er hatte in Concini, den er eines Tages auf der Louvrebrücke ermorden ließ, mehr den Mitschuldigen des Königsmörders, als den Liebhaber seiner Mutter und Verschwender der französischen Staatsgelder strafen wollen.
Der Kardinal war demnach auch überzeugt, dass in dem Augenblicke, wo dem Könige Gewissheit würde, dass seine Mutter dem Tode seines Vaters nicht ferngestanden habe, diese sofort den Weg in die Verbannung abermals werde antreten müssen.
Als die Uhr auf seinem Schreibtische eine halbe Stunde vor Mitternacht zeigte, nahm Richelieu zwei im Voraus unterschriebene, und mit dem Siegel versehene Papiere, rief seinen Kammerdiener Guillemot, legte mit dessen Hilfe seinen roten Talar, seine Spitzenalba, sein Hermelinmäntelchen ab, und zog dafür eine einfache Kapuzinerkutte an, ähnlich der des Pater Josef, ließ eine Sänfte holen, streifte die Capuze über das Gesicht, verließ den Palast, stieg in die Sänfte und gab den Trägern den Befehl, ihn in die Aue de l'Homme Armé, in das Gasthaus »zum gefärbten Barte« zu bringen.
Bald war man an Ort und Stelle. Der Kardinal machte die Bemerkung und diese Bemerkung erfüllte ihn mit Achtung vor der Tätigkeit des Meister Soleil, dass, obwohl es so eben Mitternacht auf den Türmen der Carmeliter schlug, im Gasthause noch Licht wäre, und Jemand auf etwaige nächtliche Gäste wartete, um sie zu empfangen.
Der Kardinal befahl den Trägern, ihn an der Ecke der Rue du Plâtre zu erwarten; dann stieg er aus der Sänfte und trat in das Gasthaus »zum gefärbten Barte«, wo ihn der wachhaltende Kellnerbursche wegen seiner Capuze für den Bruder Josef hielt und ihn fragte, ob er vielleicht mit Latil, seinem Beichtkind, reden wolle.
Gerade einer solchen Unterredung wegen war der Kardinal gekommen.
Da Latil nicht auf der Stelle getödtet worden war, musste er davon kommen; übrigens hatte er in seinem Leben so viele Degenstöße empfangen, dass man mit ziemlicher Gewissheit sagen konnte, jede neue Wunde träfe eine alte, vernarbte.
Latil war noch sehr krank, aber er sah doch schon hoffnungsvoll dem Tage entgegen, wo er mit der Börse des Grafen von Moret in der Tasche sich würde nach dem Hotel Montmorency bringen lassen können.
Er hatte den Pater Josef nicht wiedergesehen, dem er beichtete, ohne ihn zu kennen, aber er war sehr erstaunt darüber, Besuche von dem Arzte des Kardinals zu erhalten, dem es vom Sekretär Sr. Eminenz eingeschärft worden war, sich die Pflege des Patienten angelegen sein zu lassen, so dass der arme Latil ganz erstaunt war, der Gegenstand so vieler Sorgfalt zu fein.
Man hatte ihn selbstverständlich nicht auf dem Tische in in dem Wirtshaussaale liegen lassen können, er war daher in ein Zimmer des ersten Stockwerkes getragen worden: man hatte ihm Nummer 11 gegeben, welches an das Zimmer Nummer 13 stieß, das von der schönen Marina, oder Frau von Fargis, in monatliche Miete genommen war.
Er erwachte beim Scheine der Kerze, mit welcher der Bursche dem Kardinal-Minister voran leuchtete, und die erste Gestalt. welche sich bei dem Scheine dieser Kerze seinen Blicken darbot, war die lange und hagere Figur eines Kapuziners.
Für Latil gab es tatsächlich keinen anderen Kapuziner in der Welt, als den, welchem er gebeichtet hatte, und wir müssen es gestehen, und sollte es selbst die Begriffe von Frömmigkeit schwachen, welche der Leser an unserem armen Verwundeten geknüpft haben mag, an jenem einzigen Abend der Beichte fingen die Beziehungen, welche Latil mit dieser Kaste' hatte, an und endigten auch zugleich.
Es kam ihm daher in den Sinn, dass der würdige Kapuziner ihn entweder für kränker halle und komme, seine Beichte nochmals zu hören, oder dass er glaube, er sei schon gestorben, und nun die Anstalten zu seinem Begräbnisse treffen wolle.
»Hollah!« rief er daher, »guter Vater, bemüht Euch nicht! Durch die Gnade Gottes und mit Hilfe Eurer Gebete ist meinethalben ein Wunder geschehen, und es scheint, dass der arme Stephan Latil wird fortfahren dürfen, ein ehrlicher Kerl auf seine Art zu sein, trotz der Marquis und Vicomtes, die ihn als Banditen behandelten und Vier gegen Einen mit ihm kämpften.«
»Ich kenne Eure gute Aufführung, mein Bruder, und komme, Euch ihretwegen zu beglückwünschen, indem ich mich mit Euch über Eure Wiedergenesung herzlich freue.«
»Teufel!« rief Latil, »war das so notwendig, dass Ihr mich zu einer solchen Stunde wecken musstet und konntet Ihr mit Euren Komplimenten nicht warten, bis es Tag war?«
»Nein,« antwortete der Kapuziner, »da ich Wichtiges insgeheim mit Euch zu reden habe, mein Bruder.«
»Sind es Staatsgeschäfte?« fragte Latil lachend.
»Es sind wirtlich Staatsgeschäfte.«
»Oho!« fuhr Latil noch immer lachend fort, »sollte ich etwa die »graue Eminenz« vor mir haben?«
»Ich bin mehr als das,« sagte der Kardinal, indem auch er die Lippen zu einem Lächeln verzog; »ich bin die rote Eminenz.«
Und er schlug die Capuze zurück, damit der Klopffechter sehe, mit wem er es zu tun habe.
»O!« sagte Latil und fuhr mit einer unwillkürlichen Bewegung des Schreckens von seinem Lager empor, »bei der Seele meines an dem Thore von Jerusalem gesteinigten Schutzpatron, Ihr seid es selbst, Monseigneur!«
»Ja, und Ihr könnt Euch von der Wichtigkeit der Angelegenheit, über welche ich mit Euch sprechen will, nun einen Begriff machen, da Ihr seht, dass ich die Zufälle, denen ich bei einem nächtlichen Ausgang ohne Garden mich aussetze, nicht scheuend, hierher gekommen bin, um Euch auszusuchen.«
»Monseigneur werden, sobald meine Kräfte es zulassen, in mir einen gehorsamen Diener finden.«
»Nehmt Euch nur Zeit und sammelt Eure Erinnerungen.«
Es entstand nun ein augenblickliches Stillschweigen, wahrend der Kardinal seine Blicke so fest auf Latil richtete, dass es schien, er wolle bis auf den Grund seiner Seele sehen.
»Ihr müsst,« begann Richelieu, »obwohl noch jung, ein sehr guter Freund des verstorbenen Königs gewesen sein, da Ihr Euch weigertet, seinen Sohn zu tödten, trotz der großen Summe, die man Euch für diesen Mord anbot.«
»Ja, Monseigneur, und ich kann auch sagen, dass die Treue, die ich seinem Andenken bewahre, einer der Hauptgründe war, warum ich den Dienst des Herzogs von Epernon verließ.«
»Ihr standet, wie man mich versicherte, während der König ermordet wurde, auf dem Trittbrett seines Wagens. Könnt Ihr mir vielleicht sagen, was von dem Momente des Mordes an in Bezug auf den Mörder vorging und in wie weit der Herzog bei der Katastrophe beteiligt war?«
»Ich war mit dem Herrn Herzog von Epernon im Louvre, d. h. er war in den Appartements und ich wartete im Hofe. Schlag vier Uhr kam der König die Treppe herab.«
»Bemerktet Ihr damals,« fragte der Kardinal, »ob Se. Majestät traurig oder fröhlich war?«
»Sehr traurig, Monseigneur; aber muss ich auch über diesen Punkt Alles erzählen, was ich davon weiß?«
»Alles,« sagte der Kardinal, »wenn Ihr die Kraft dazu in Euch fühlt.«
Was den König betrübte, waren nicht nur Ahnungen, sondern auch Vorhersagungen; ohne Zweifel kennt Ihr deren Inhalt. Monseigneur?«
»Ich war zu jener Zeit nicht in Paris; ich kam erst fünf Jahre später her, weiß also nichts, und erwarte von Euch die Erzählung eines jeden Umstandes.«
»Nun gut, Monseigneur, ich will Alles ausführlich erzählen, denn es scheint mir in der Tat, dass die Anwesenheit Eurer Eminenz mir meine Kräfte wieder gibt und dass die Angelegenheit, über die Ihr mich befragt, dem Herrn gefällt, der es wohl zuließ, dass der große König ermordet wurde, der es aber nicht zulassen wird, dass seine Mörder straflos ausgehen.«
»Mut, mein