Retz, man stellte Wachen vor seine Tür, aber man verschloss dieselbe nicht, damit Jedermann eintreten könne; auch ich fand mich ein; es schien mir, als ob der Elende mir gehörte. Unter den Besuchern befand sich auch Pater Cotton, der Beichtvater des Königs.«
»Seid Ihr sicher, ihn dort gesehen zu haben?«
»Er kam dahin, ja, Monseigneur!«
»Sprach er mit Ravaillac?«
»Er sprach mit ihm.«
»Habt Ihr gehört, was er sagte?«
»Gewiss, und ich kann es Wort für Wort wiederholen.«
»Tut dies!«
»Er sagte mit väterlichem Tone zu ihm: Mein Freund —«
»Er nannte Ravaillac seinen Freund?«
»Ja, er sagte also zu ihm: »Wein Freund, hütet Euch wohl, gute Menschen beunruhigen zu lassen!«
»Und wie benahm sich der Mörder?«
»Sehr ruhig, und wie ein Mensch, der sich geborgen weiß.«
»Blieb er im Hotel Retz?«
»Nein, der Herzog von Epernon ließ ihn zu sich bringen, wo er vom 14. bis zum 17. blieb, und wo er allerhand Unterredungen mit ihm gehabt haben soll. Am 17. brachte man Ravaillac in die Conciergerie.«
»Um wie viel Uhr wurde der König ermordet?«
»Genau um vier Uhr und zwanzig Minuten!«
»Und um welche Stunde wurde das Ereignis in der Stadt bekannt?«
»Um neun Uhr erst; doch war um sechs Uhr bereits die Königin zur Regentin proklamiert.«
»Das heißt, eine Ausländerin, die damals nur noch italienisch sprach,« rief Richelieu voll Bitterkeit; »eine Österreicherin, die Großnichte Carl's V., die Cousine Philipps II. – das heißt also.die Ligue! – Doch kommen wir mit Ravaillac zu Ende!«
»Niemand kann Euch besser sagen, als ich, wie Alles zuging, denn ich verließ ihn erst, als er auf dem Rade lag. Ich besaß ein Privilegium, denn man sagte: »Das ist der Page des Herzogs von Epernon; er ist es, der den Mörder festgehalten hat!« – Die Frauen umarmten mich und die Männer schrien wie rasend: »Es lebe der König!« – der war aber todt. Das Volk, welches zu Anfang bei der Neuigkeit ruhig und wie betäubt gewesen war, wurde dann wie toll vor Wut. Es rottete sich vor der Conciergerie zusammen und da es den Verbrecher nicht steinigen konnte, warf es mit Steinen gegen die Mauer.«
»Ravaillac beschuldigte Niemand?«
»Nein, während der Verhöre nicht. Ich zweifle meinesteils nicht daran, dass er fest darauf rechnete, im letzten Augenblick gerettet zu werden. Er behauptete aber, die Priester in Angoulème, denen er das Geständnis ablegte, er wollte einen ketzerischen König umbringen, und die ihm die Absolution erteilten, statt ihm von seinem Plane abzureden, hätten der Absolution ein kleines Reliquienkästchen hinzugefügt, in welchem sich, ihrer Versicherung nach, ein Stückchen von dem wahren Kreuze Christi befände. Das Reliquienkästchen, welches in seiner Gegenwart durch den Gerichtshof geöffnet wurde, enthielt indes gar nichts. – Gott sei Dank hatten die Menschen es nicht gewagt, den Herrn Jesus zum Mitschuldigen eines so abscheulichen Verbrechens zu machen.«
»Was sagte er, als er sah, dass er betrogen worden war?«
»Er begnügte sich damit, zu sagen: »Der Betrug wird auf die Betrüger zurückfallen.
Der Kardinal sagte darauf:
»Ich sah einen Auszug des Protokolls, welches veröffentlicht wurde. Es heißt darin: »Was bei der Tortur vorging, ist das Geheimnis des Hofes.«
»Ich war bei der Tortur nicht zugegen,« antwortete Latil, »aber ich stand bei dem Rade an der Seite des Scharfrichters. Das Urteil lautete, der Verbrecher sollte mit glühenden Zangen gezwickt und gevierteilt werden. Aber man blieb dabei nicht stehen. Der königliche Procurator, Herr Lagarde, trug darauf an, der Vierteilung auch noch geschmolzenes Blei hinzuzufügen, sowie siedendes Oel und Pech, gemischt mit Wachs und Schwefel. Das Alles wurde mit Enthusiasmus genehmigt. Hätte man es dem Volke überlassen, die Sache in die Hand zu nehmen, so wäre sie binnen fünf Minuten zu Ende gewesen: es hätte Ravaillac in Stücke gerissen. – Als er das Gefängnis verließ, um nach dem Gréveplatze zu gehen, erhob sich ein solcher Sturm des Wutgeschreies, der Verwünschungen, der Drohungen, dass der Mörder da erst die Größe des von ihm begangenen Verbrechens erkannte. Auf dem Schafott wendete er sich zu dein Volke und bat mit kläglicher Stimme um die Gnade, dass man ihm, der so viel erdulden sollte, den Trost eines Salve Regina gewähren möchte.«
»Wurde die Bitte erfüllt?«
»Ei ja doch! Wie mit einer Stimme heulte es auf dem ganzen Gréveplatze: »Zur ewigen Verdammniß mit dem Judas!«
»Fahrt fort!« sagte Richelieu. »Ihr waret also, wie Ihr sagtet, neben dem Scharfrichter auf.dem Blutgerüst?«
»Ja. Man erwies mir diese Gunst,« erwiderte Latil, »weil ich den Mörder festgenommen, oder doch wenigstens zu seiner Festnehmung wesentlich beigetragen hatte.«
»Nun wohl,« bemerkte der Kardinal, »man hat mir die Versicherung gegeben, dass er gerade auf dem Schafott Geständnisse ablegte.«
»Höret, Monseigneur, was geschah: Eure Eminenz begreifen wohl, wenn man einem solchen Schauspiele beigewohnt hat, so können viele Tage, Monate und Jahre vergehen und man erinnert sich desselben doch noch immer mit der größten Deutlichkeit. – Nach dem ersten Anziehen der Pferde, welches fruchtlos blieb, da die Tiere kein Glied loszureißen vermochten, goss mau fortwährend in die Wunden, welche die glühenden Zangen in die Arme, die Brust, die Schenkel des Verurteilten gerissen hatten, geschmolzenes Blei, siedendes Öl, brennenden Schwefel. Da konnte der Körper, der nur noch eine einzige blutende Wunde war, dem Schmerze nicht länger widerstehen, Er rief dem Henker zu: »Halt ein! Halt ein! Ich will sprechen!«
»Der Henker hielt an. Der Gerichtsschreiber, welcher am Fuße des Schafotts stand, erstieg dasselbe und schrieb auf ein abgesondertes Blatt Papier das, was der Verurteilte ihm diktierte.«
»Und was gestand er in diesem äußersten Augenblicke?« fragte der Kardinal lebhaft.
»Ich wollte nähertreten,« entgegnete Latil, »doch man hinderte mich daran und es kam mir nur vor, als hörte ich den Namen des Herzogs von Epernon und den der Königin.«
»Habt Ihr von dem Protokoll und diesem fliegenden Blatt niemals bei dem Herzog sprechen hören?«
»Im Gegenteil, Monseigneur; es war davon sehr oft die Rede.«
»Was sagte man darüber?«
»Was das Protokoll über die Hinrichtung betrifft, so sagte man, dass der Berichterstatter es in ein Kästchen getan hätte, welches er am Kopfende seines Bettes in einer Mauervertiefung aufbewahrte; das fliegende Blatt, hieß es, sollte von der Familie Joly von Fleury in Verwahrung genommen sein, die den Besitz zwar ableugnete, die es jedoch zur großen Verzweiflung des Herzogs von Epernon einigen befreundeten Personen zeigte, welche wegen der schlechten Handschrift des Gerichtsschreibers große Mühe hatten, es zu entchiffren. die zuletzt aber doch die Namen des Herzogs und der Königin herauslasen.«
»Und nachdem das fliegende Blatt geschrieben war?«
»Das Verfahren hatte darauf seinen Fortgang. Die Pferde, welche die Prevotei geliefert hatte, waren elende, magere Mähren und hatten nicht die Kraft, ein Glied von dem Körper zu trennen. Ein Edelmann bot das Pferd an, auf dem er saß, und es riß dem Verurteilten gleich auf den ersten Ruck einen Schenkel aus. Da der Mörder noch immer lebte, wollte der Scharfrichter ihm den Gnadenstoß geben; aber die Lakaien all der vornehmen Herren, welche der Hinrichtung beiwohnten, und die ringe um die Schranke herstanden, übersprangen dieselbe, stürzten sich auf den verstümmelten Körper und durchbohrten ihn mit Degenstößen. Nun warf auch das Volk sich auf den Königsmörder, zerriss ihn in kleine Stücke und verbrannte das Fleisch auf allen Kreuzstraßen. – Als ich nach dem Louvre zurückkehrte, sah ich die Schweizer, welche unter den Fenstern der Königin einen Schenkel rösteten. Und nun bin ich zu Ende.«
»Das ist Alles, was Ihr wisst?«
»Ja,