Александр Дюма

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4


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schaute den König mit einem, tiefen Gefühle von Schwermuth an.

      »Ist dies nicht Ihre Ansicht, Herr Gilbert?« fragte Ludwig XVI.

      »Meine Ansicht, Sire, ist, daß Eure Majestät erst in den Kampf eingetreten, und daß der 14. Juli und der 6. October nur die zwei ersten Acte des erschrecklichen Dramas sind, welches Frankreich im Angesichte der Nationen spielen wird.«

      Ludwig XVI. erbleichte leicht.

      »Ich hoffe, daß Sie sich täuschen, mein Herr,« sagte er.

      »Ich täusche mich nicht, Sire.«

      »Wie können Sie über diesen Punkt mehr wissen, als ich, der ich meine Polizei und meine Gegenpolizei habe?«

      »Sire, ich habe allerdings weder Polizei, noch Gegenpolizei, aber durch meine Stellung bin ich die natürliche Mittelsperson zwischen dem, was den Himmel betrifft, und dem, was sich noch in den Eingeweiden der Erde verbirgt. Sire, was wir erfahren haben, ist nur das Erdbeben, wir haben noch das Feuer, die Asche und die Lava des Vulkans zu bekämpfen.«

      »Sie haben gesagt zu bekämpfen, mein Herr; würden Sie nicht richtiger gesprochen haben, wenn Sie zu fliehen gesagt hätten?«

      »Ich habe gesagt, zu bekämpfen, Sire.«

      »Sie kennen meine Ansicht in Betreff des Auslandes. Ich werde die Fremden nie nach Frankreich rufen, wenn nicht, ich sage nicht mein Leben, – was liegt mir an meinem Leben, ich habe es zum Opfer gebracht, – wenn nicht das Leben meiner Frau und meiner Kinder eine wirkliche Gefahr läuft.«

      »Ich möchte mich zu Ihren Füßen niederwerfen, Sire, um Ihnen für solche Gefühle zu danken. Nein, Sire, es bedarf der Fremden nicht. Wozu sollen die Fremden nützen, so lange Sie nicht Ihre eigenen Mittel und Quellen erschöpft haben? Sie befürchten von der Revolution überflügelt zu werden, nicht wahr, Sire?«

      »Ich gestehe es.«

      »Nun, es gibt zwei Mittel, zugleich den König und Frankreich zu retten.«

      »Nennen Sie dieselben, mein Herr, und Sie werden sich um Beide verdient gemacht haben.«

      »Das erste ist, Sire, daß Sie sich an die Spitze der Revolution stellen und sie lenken.«

      »Sie würden mich mit sich fortreißen, Herr Gilbert, und ich will nicht dahin gehen, wohin sie gehen.«

      »Das zweite ist, ihr ein ziemlich solides Gebiß anzulegen, um sie zu bezähmen.«

      »Wie wird dieses Gebiß heißen, mein Herr?«

      »Die Volksbeliebtheit und das Genie.«

      »Und wer wird der Schmied sein?«

      »Mirabeau!«

      Ludwig XVI. schaute Gilbert in’s Gesicht, als ob er schlecht gehört hätte.

       XIX

      Mirabeau

      Gilbert sah, daß er einen Kampf zu bestehen hatte, doch er war vorbereitet.

      »Mirabeau,« wiederholte er, »ja, Sire, Mirabeau.

      « Der König wandte sich gegen das Portrait von Karl I. um und fragte dieses poetische Gemälde von Van Dyck:

      »Was würdest Du geantwortet haben, Karl Stuart, wenn in dem Augenblicke, wo Du die Erde unter Deinen Füßen zittern fühlest, man Dir vorgeschlagen hätte, Dich auf Cromwell zu stützen?«

      »Karl Stuart würde sich geweigert haben, und er hätte wohl daran gethan,« sagte Gilbert, »denn es findet keine Aehnlichkeit zwischen Cromwell und Mirabeau statt.«

      »Ich weiß nicht, wie Sie die Dinge ansehen, Doctor. Für mich gibt es keine Stufe beim Verrath: ein Verräther ist ein Verräther, und ich kann keinen Unterschied zwischen dem machen, der es ein wenig ist, und dem, der es sehr ist.«

      »Sire,« erwiederte Gilbert mit tiefer Ehrsurcht, aber zugleich mit unüberwindlicher Festigkeit, »weder Cromwell, noch Mirabeau sind Verräther.«

      »Was sind sie denn?« rief der König.

      »Cromwell ist ein rebellischer Unterthan, und Mirabeau ist ein unzufriedener Edelmann.«

      »Unzufrieden, worüber?«

      »Ueber Alles  . . .über seinen Vater, der ihn in das Schloß If und in den Thurm von Vincennes hat einsperren lassen, über den König, der sein Genie verkannt hat und es noch verkennt.«

      »Das Genie des Politikers ist die Ehrlichkeit, Herr Gilbert,« versetzte lebhaft der König.

      »Die Antwort ist schön, Sire, würdig eines Titus, eines Trajan, eines Marcus Aurelius; leider gibt ihr die Erfahrung Unrecht.«

      »Wie so?«

      »War es ein ehrlicher Mann, dieser Augustus, der die Welt mit Lepidus und Antonius theilte, und Lepidus verbannte und Antonius tödtete, um die Welt für sich allein zu haben? War es ein ehrlicher Mann, dieser Karl der Große, der seinen Bruder Karlmann, um hier zu sterben, in ein Kloster schickte, und um ein Ende mit seinem Feinde Witekind zu machen, welcher ein beinahe ebenso großer Mann als er, den Sachsen alle Köpfe abschnitt, welche die Höhe seines Schwertes überragten? War es ein ehrlicher Mann, dieser Ludwig XI., der sich gegen seinen Vater empörte, um ihn zu entthronen, und der, obgleich er scheiterte, dem armen Karl VII. einen solchen Schrecken einflößte, daß er aus Furcht, vergiftet zu werden, Hungers starb? War es ein ehrlicher Mann, dieser Richelieu, der in den Alcoven des Louvre und auf den Treppen des Palais-Cardinal Conspirationen machte, die er aus dem Grève-Platze entwickelte? War es ein ehrlicher Mann, dieser Mazarin, der nicht nur eine halbe Million und fünfhundert Mann Karl II. verweigerte, sondern ihn auch aus Frankreich wegjagte? War es ein ehrlicher Mann, dieser Colbert, der Fouquet, seinen Protector, verrieth, anklagte, stürzte und sich während man diesen lebendig in einen Kerker warf, aus dem er nur als eine Leiche herauskommen sollte, unverschämt und stolz in seinen noch warmen Lehnstuhl setzte? Und dennoch haben, Gott sei Dank, weder die Einen noch die Ändern den Königen oder dem Königthum Eintrag gethan!«

      »Aber, Herr Gilbert, Sie wissen wohl, daß Herr von Mirabeau nicht mir angehören kann, da er, dem Herzog von Orleans angehört.«

      »Ei! Sire, da der Herzog von Orleans verbannt ist, so gehört Herr von Mirabeau Niemand mehr.«

      »Wie soll ich mich einem käuflichen Menschen anvertrauen?«

      »Indem Sie ihn kaufen  . . .Können Sie ihm nicht mehr geben, als irgend Jemand in der Welt?«

      »Ein Unersättlicher, der eine Million fordern wird!«

      »Verkauft sich Mirabeau für eine Million, Sire, so verschenkt er sich. Glauben Sie, er sei zwei Millionen weniger werth, als ein oder eine Polignac?«

      »Herr Gilbert!«

      »Der König verzeiht mir das Wort,« sagte Gilbert, indem er sich verbeugte, »ich schweige.«

      »Nein, im Gegentheil, sprechen Sie.«

      »Ich habe gesprochen, Sire,«

      »So lassen Sie uns die Sache erörtern.«

      »Sehr gern. Ich weiß meinen Mirabeau auswendig, Sire.«

      »Sie sind sein Freund?«

      »Leider habe ich nicht diese Ehre; übrigens hat Herr von Mirabeau nur einen Freund, welcher zugleich der der Königin ist.«

      »Ja, ich weiß es, der Herr Graf von der Mark; wir werfen es ihm alle Tage genug vor.«

      »Eure Majestät müßte im Gegentheil bei Todesstrafe verbieten, sich je mit Mirabeau zu entzweien.«

      »Von welcher Bedeutung soll denn beim Gewichte der öffentlichen Angelegenheiten ein Strohjunker wie Herr Riquetti von Mirabeau sein?«

      »Vor Allem, Sire, erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, daß Herr von Mirabeau ein Edelmann und kein Strohjunker ist. Es gibt wenig Edelleute in Frankreich, welche aus dem 11. Jahrhundert datiren, da unsere Könige, um einige um sich zu haben, so nachsichtig gewesen sind, von denjenigen, welchen sie die Ehre bewilligen, in ihre Carrossen zu steigen, nur Proben von 1399 zu fordern. Nein, Sire, man ist kein