ganzen Leibe zerstreuten Wunden, – vier mehr, als Cäsar, – und den Kopf gestützt durch ein silbernes Halsband, wieder erscheinen. Sein erster Besuch galt Versailles, wohin ihn der Herr Herzog von Vendome führte, und wo er dem König vorgestellt wurde, der ihn fragte, warum er, da er die Probe von einer solchen Tapferkeit abgelegt, noch nicht Feldmarschall sei. »»Sire,«« antwortete der Marquis Antoine, »»wenn ich, statt auf der Brücke von Cassano zu ihrer Vertheidigung zu bleiben, an den Hof gekommen wäre, um ein leichtfertiges Weib zu bestechen, so hätte ich mein Avancement und weniger Wunden bekommen.«« Ludwig XIV. liebte es nicht, daß man ihm so antwortete; er wandte auch dem Marquis den Rücken zu. »»Jean Antoine, mein Freund,«« sagte zu diesem, als sie weggingen, Herr von Vendome, »»fortan werde ich Dich dem Feinde, aber nie dem König vorstellen.«« Einige Monate nachher heirathete der Marquis mit seinen sieben und zwanzig Wunden, mit seinem gebrochenen Arme und seinem silbernen Halsband Fräulein von Castellane Norante, mit welcher er zwischen sieben Feldzügen sieben Kinder zeugte. Zuweilen, aber selten, wie die wahren Braven, sprach er von der Affaire von Cassano, und wenn er davon sprach, so pflegte er zu sagen: »»Das ist die Schlacht, wo ich getödtet wurde.««
»Sie sagen mir wohl,« sprach Ludwig XVI. der sich sichtbar an dieser Aufzählung der Vorfahren von Mirabeau ergötzte, »Sie sagen mir wohl, mein lieber Doctor, wie der Marquis getödtet wurde, aber Sie sagen mir nicht, wie er gestorben ist.«
»Er ist gestorben im Schlosse Mirabeau, einem auf einem abschüssigen Felsen liegenden, einen doppelten, beständig vom Nordwinde gepeitschten, Paß versperrenden, herben, harten Aufenthaltsorte; er ist gestorben mit jener gebieterischen, rauhen Rinde, die sich auf der Haut der Riquetti, je mehr sie alt werden, bildet, seine Kinder in der Unterwürfigkeit und in der Ehrfurcht erziehend und sie in einer solchen Entfernung haltend, daß der älteste von seinen Söhnen sagte: »»Ich habe nie die Ehre gehabt, die Hand, die Lippen oder das Fleisch dieses ausgezeichneten Mannes zu berühren.«« Dieser älteste Sohn, Sire, war der Vater des gegenwärtigen Mirabeau, ein wilder Vogel, dessen Nest zwischen vier Thürmchen gemacht war, der sich nie, wie er sagte, enversailliren wollte, weshalb ihm ohne Zweifel Eure Majestät, die ihn nicht kennt, keine Gerechtigkeit widerfahren läßt.«
»Doch, mein Herr,« entgegnete der König, »doch, ich kenne ihn; im Gegentheil, er ist einer der Cheff der ökonomischen Schule. Er hatte Theil an der Revolution, welche in Erfüllung geht, indem er das Signal zu socialen Reformen gab und viele Irrthümer und einige Wahrheiten popularisirte, was um so strafbarer von ihm, als er die Lage vorhersah, er, der sagte: »»Es gibt heute keinen Frauenleib, der nicht einen Artevelle oder einen Masaniello trägt.««
»Sire, es ist in Mirabeau etwas, was Eurer Majestät widerstrebt oder sie erschreckt; lassen Sie mich ihr sagen, daß es der väterliche Despotismus und der königliche Despotismus sind, die Alles dies gethan haben.«
»Der königliche Despotismus!« rief Ludwig XVI.
»Allerdings, Sire; ohne den König vermochte der Vater nichts; denn welches Verbrechen hatte am Ende der Abkömmling dieses großen Geschlechtes begangen, daß ihn sein Vater mit vierzehn Jahren in eine Correctionsschule schickte, wo man ihn, um ihn zu demüthigen, nicht unter dem Namen Riquetti von Mirabeau, sondern unter dem Namen Bussières einschrieb? Was hatte er gethan, daß mit achtzehn Jahren sein Vater einen Geheimbrief gegen ihn erhielt und ihn aus der Insel Ré einsperrte? Was hatte er gethan, daß ihn sein Vater mit zwanzig Jahren in die Reihen eines Disciplinar-Bataillon schickte, um den Krieg in Corsica mitzumachen, mit der Weissagung seines Vaters: »»Er wird sich am 16. April auf der Ebene einschiffen, die sich ganz allein durchfurcht; Gott gebe, daß er dort nicht einen Tag rudere.«« Was hatte er gethan, daß nach einer einjährigen Ehe sein Vater ihn nach Manosque verbannte? Was hatte er gethan, daß nach einer Verbannung von sechs Monaten nach Manosque sein Vater ihn nach dem Fort Joux bringen ließ? Was hatte er endlich gethan, um nach seiner Entweichung in Amsterdam verhaftet und in den Thurm von Vincennes eingesperrt zu werden, wo als ganzer Raum ihm, der in der Welt erstickt, die väterliche Milde in Verbindung mit der königlichen Milde einen Kerker von zehn Quadratfuß gibt, wo fünf Jahre seine Jugend sich heftig bewegt, seine Leidenschaft brüllt, zu gleicher Zeit aber sein Geist wächst und sich erhöht und sein Herz sich stärkt? . . .Was er gethan hatte, will ich Eurer Majestät sagen. Er hatte seinen Professor Poisson durch seine Leichtigkeit, Alles zu lernen und Alles zu begreifen, verführt; er hatte tüchtig an der ökonomischen Wissenschaft angebissen; er hatte, da er die militärische Laufbahn ergriffen, sie fortzusetzen gewünscht; er hatte, aus sechstausend Livres Einkommen mit seiner Frau und einem Kinde beschränkt, ungefähr dreißig tausend Franken Schulden gemacht; er hatte seine Verbannung in Manosque gebrochen, um einen unverschämten Edelmann, der seine Schwester beschimpft, zu prügeln; er hatte endlich, – und das ist sein größtes Verbrechen, Sire, – den Verlockungen einer jungen und hübschen Frau nachgebend, diese Frau ihrem alten, hinfälligen, mürrischen, eifersüchtigen Manne entführt.«
»Ja, mein Herr, und zwar, um sie nachher zu verlassen.« sagte der König; »so daß die unglückliche Frau von Monnier, als sie mit ihrem Verbrechen allein geblieben war, sich den Tod gab.«
Gilbert schlug die Augen zum Himmel aus und stieß einen Seufzer aus.
»Sprechen Sie, was haben Sie hierauf zu antworten, mein Herr, und wie vertheidigen Sie Ihren Mirabeau?«
»Durch die Wahrheit, Sire, durch die Wahrheit, welche so schwer bis zu den Königen dringt, daß Sie, der Sie sie suchen, der Sie sie verlangen, der Sie sie herbeirufen, dieselbe beinahe nie kennen. Nein, Sire, Frau von Monnier ist nicht gestorben, weil Mirabeau sie verlassen, denn als er aus Vincennes herauskam, galt sein erster Besuch ihr. Er tritt als Hausirer verkleidet in das Kloster von Gien, wo sie ein Asyl gefordert hatte, ein; er findet Sophie kalt, gezwungen. Eine Erklärung findet statt; Mirabeau bemerkt, daß Frau von Monnier ihn nicht nur nicht mehr liebt, sondern daß sie sogar einen Andern liebt: den Chevalier von Raucourt. Diesen Andern ist sie, durch den Tod ihres Gatten frei geworden, zu heirathen im Begriffe. Mirabeau ist zu frühe aus dem Gefängniß gekommen; man zählte aus seine Gefangenschaft, man wird sich damit begnügen müssen, daß man seine Ehre tödtet. Mirabeau tritt den Platz seinem glücklichen Nebenbuhler ab, Mirabeau zieht sich zurück; Frau von Monnier ist, wie gesagt, im Begriffe, Herrn von Raucourt zu heirathen: Herr von Raucourt stirbt plötzlich! Die arme Frau hatte ihr ganzes Herz und ihr ganzes Leben in diese letzte Liebe gelegt. Vor einem Monat, am 9. September, schließt sie sich in ihr Cabinet ein und erstickt sich. Dann schrieen die Feinde von Mirabeau, sie sterbe, weil ihr erster Liebhaber sie verlassen, während sie aus Liebe für einen zweiten stirbt . . .. Oh! die Geschichte, die Geschichte, so schreibt man sie!«
»Ah!« sagte der König, »darum hat er also diese Nachricht mit so großer Gleichgültigkeit aufgenommen?«
»Wie er sie ausgenommen, kann ich Eurer Majestät auch sagen, Sire, denn ich kenne denjenigen, welcher sie ihm mitgetheilt hat: es ist eines der Miglieder der Nationalversammlung. Fragen Sie ihn selbst, er wird es nicht wagen zu lügen, denn es ist ein Priester; es ist der Pfarrer von Gien, der Abbé, Vallet; er sitzt auf den Bänken, welche denen entgegengesetzt, wo Mirabeau seinen Platz einnimmt. Er durchschritt den Saal und setzte sich zum großen Erstaunen des Grafen zu diesem. »«Was Teufels wollen Sie hier«« fragte ihn Mirabeau. Ohne zu antworten, übergab ihm der Abbé Vallet einen Brief, der die unselige Kunde in allen ihren Einzelheiten mittheilte. Der Graf öffnete ihn und las lange, denn ohne Zweifel konnte er nicht an das Geschehene glauben. Dann las er ihn zum zweiten Mal, und während dieses zweiten Males entfärbte sich von Zeit zu Zeit sein Gesicht; er fuhr mit seinen Händen über seine Stirne, wischte sich zugleich die Augen ab, hustete, spuckte aus und versuchte es, wieder Herr über sich zu werden. Endlich mußte er nachgeben. Er stand aus, ging hastig hinaus und erschien drei Tage nicht mehr in der Versammlung. . . Oh! Sire, Sire, verzeihen Sie mir, daß ich in alle diese Einzelheiten eingehe; es genügt, ein Mann von gewöhnlichem Genie zu sein, um in allen Punkten und über jede Sache verleumdet zu werden; um so viel mehr, wenn der Mann von Genie ein Riese ist!«
»Warum ist es denn so, Doctor? und welches Interesse hat man, bei mir Herrn von Mirabeau zu verleumden?«
»Welches Interesse man habe, Sire? das Interesse, das jede Mittelmäßigkeit hat, ihren Platz beim Throne zu behalten, Mirabeau ist keiner von den Menschen, die in den Tempel eintreten können,