Александр Дюма

Die Mohicaner von Paris


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Carmelite lächelnd, »so muß es, obgleich sehr frühzeitig für ihn, für uns sehr spät sein.«

      »Spät?« versetzte Colombau.

      »Ja . . . Wie viel Uhr mag es sein?«

      »Ungefähr zwei Uhr,« antwortete Colombau mit einem gewissen Zögern.

      »Oh! nie bin ich so spät zu Bette gegangen!« rief das Mädchen die Hände zum Himmel erhebend. »Morgens um zwei Uhr, mein Gott! Oh! Geschwinde, gute Nacht, Herr Colombau! . . . Ich danke Ihnen für die lehrreichen Stunden, die Sie mich haben zubringen lassen, und an einem Abend,« fügte sie leise bei, an einem Abend, wenn alle Nachbarn zu Bette gegangen sind, werde ich Sie um Ihren Arm bitten, um einen Rosenstock auszugraben.«

      »Wir-werden nie eine schönere Nacht finden, als diese, mein Fräulein, sagte der junge Mann, der sich anstrengte, um nicht beim Sprechen zu zittern.

      »Oh! wenn ich glaubte, ich werde nicht gesehen,« erwiderte offen und treuherzig das Mädchen, »ich würde sogleich gehen.«

      »Von wem sollen Sie zu dieser Stunde gesehen werden?«

      »Ei! einmal von der Portière.«

      »Nein, ich habe ein Mittel, um die Thüre zu öffnen, ohne sie aufzuwecken.«

      »Wie! Sie wollen mit einem Dieterich öffnen?«

      »Oh nein! mit einem Schlüssel, den ich habe machen lassen. Ich komme zuweilen vom Lesecabinet nach Mitternacht nach Hause, und da die Portière kränklich ist, so war es mir ein Bedenken, sie aufzuwecken.«

      »Nun, wenn es sich so verhält, so gehen wir sogleich; ich glaube auch, ich möchte mich immerhin zu Bette legen, ich würde an meinen Rosenstock denkend, nicht einschlafen.«

      War es wirklich Dein Rosenstock, was Dich einzuschlafen verhindert hätte, Carmelite?

      Nein.

      Doch Du glaubtest es, armes Kind, unschuldige Jungfrau, und gerade Deine Unschuld war es, was Dich zu diesem nächtlichen Ausfluge am Arme den jungen Mannes, der so unschuldig als Du, antrieb.

      Carmelite setzte ein Häubchen auf und warf ein Halstuch auf ihre Schultern; der junge Mann nahm seinen Hut, und Beide stiegen mit kleinen Schritten die Treppe hinab: sie gingen sehr sachte, und dennoch machten sie noch genug Geräusch, um die Vögel aufzuwecken, die in den Syringen schliefen, und als diese Vögel sie vorübergehen hörten und den schönen Mond sahen fingen sie an zu singen, glaubten sie nun, es erscheine die Morgenröthe, oder wollten sie Theil nehmen an dem nächtlichen Feste, das der Frühling und die Natur den zwei jungen Leuten gaben.

      Nachdem sie die Rue Saint-Jacques und die Rue du Val-de-Grace durchschritten hatten, gelangten sie in die Rue du d’Enser und zu der großen hölzernen Gitterthüre, welche als Eingang für den ehemaligen Garten der Cameliterinnen diente.

      Sie klingelten.

      Es war sehr früh oder sehr spät, um zu klingeln; der Gärtner zögerte auch einen Augenblick.

      Doch auf den zweiten Ruf der Klingel sah man den Mann und die Laterne sich bewegen; Beide näherten sich; die Laterne erhob sich zur Höhe der Gesichter der zwei Besuche, und der Gärtner erkannte den jungen. Mann, den er alle Tage an seinem Fenster sah, und dessen wohlklingende Stimme er zuweilen, unter seinen Rosensträuchern ausgestreckt, begleitet von den Tönen des Klaviers, hörte.

      Der Gärtner öffnete die Thüre und führte diesen zweiten Adam und diese neue Eva in sein Paradies ein.

      Das war wie gesagt, eine ungeheure Pflanzschule, wo man nur Rosen kultivierte.

      Nichte vermag diesen unendlich süße Gefühl, dieses Gefühl frischer Berauschung auszudrücken, das die zwei jungen Leute erfaßte, als sie in den Rosenharem eindrangen, dessen Sultan, eine Laterne in der Hand, die harmonischen Namen nannte, welche in ihren Ohren klangen wie den Gesängen der Vögel entschlüpfte Noten.

      So Arm in Arm und auf die Benennung der Rosen horchend, gelangten sie vor das Grab oder die Kapelle der Schwester Louise von der Barmherzigkeit.

      Carmelite zögerte, einzutreten, an die Einladung von Colombau entschloß sie sich.

      Doch fast in demselben Augenblicke ging sie mit einer Art von Schrecken wieder heraus, als sie an den Wänden angelehnt oder aufgehängt, – statt religiöser Embleme, die sie zu finden erwartete, – Schaufeln, Spaten, Gießkannen, Schiebkarren und all das Geräthe sah, dessen sich der Gärtner bediente.

      Das Mädchen machte nun neugierig die Runde um das Grab.

      Sechs bis acht Fuß hohe Rosenstöcke umgaben es einförmig.

      »Was für herrliche Rosenstöcke sind das?« fragte Carmelite.

      »Das sind Alexandrien Rosen mit weißen Blüthen,« antwortete der Gärtner; »sie kommen vom Süden Europas oder von den Küsten der Barbarei; aus ihren Blumen macht man die Rosenessenz.

      »Wollen Sie einen solchen Stock an mich verkaufen?«

      »Welchen?« fragte der Gärtner.

      »Diesen,« erwiderte Carmelite.

      Und sie deutete auf den, welcher am nächsten beim Grabe erschloß.

      Der Gärtner trat in die Kapelle ein und nahm einen Spaten.

      Eine Nachtigall sang zwanzig Schritte von da ihr verliebtestes Lied.

      Der Mond war nicht mehr der Mond: es war die Phöbe der Griechen, welche verliebt auf die Erde schaute, ob sie den Schatten von Endymion nicht wiedersehe.

      Die Nachtluft so sanft, daß sie ein vom Munde der Natur gegebene Kuß zu sein schien, zog durch die Haare der jungen Leute.

      Es war in der That eine Scene voll Farbe und Poesie, dieses große Mädchen in Trauerkleidern, dieser schwarz gekleidete, blonde junge Mann, und dieser Gärtner, der die Erde zu dieser Stunde der Nacht, bei dieser kühlen Luft, beim Mondscheine, beim Gesange der Nachtigall ausgrub. Jeder Athem von ihnen schien auch zu sagen: »Oh! welch ein guten Ding ist das Leben! Dank Dir, o Herr, daß Du es uns zu gleicher Zeit gegeben!«

      »Ach!«

      Der erste Spatenstoß den Gärtners wiederhallte schmerzlich im Herzen der beiden jungen Leute; es schien ihnen, diese Erde aufwühlen, in der der Leib der frommen Geliebten jenes königlichen Egoisten ruhte, den man Ludwig XIV. Nannte, heiße etwas wie eine Ruchlosigkeit begehen.

      Sie verließen die Pflanzschule, ihren Rosenstock mitnehmend, doch mit einer Angst, der der Kinder ähnlich, welche eine Rose auf einem Kirchhofe gepflückt haben.

      Sobald sie aus dem Garten waren, vergaßen sie diese traurigen Gedanken, und einen letzten Blick auf die Pflanzschule werfend, die ihnen nur noch eine Art Wolke von Wohlgerüchen zusandte, die Sterne anschauend und alle Auströmungen des Lebens, die sich um sie her erhoben, so zu sagen, einsaugend, dankten sie der Vorsehung für alle Wohlthaten, mit denen sie dieselbe in dieser unbeschreiblichen Frühlingsnacht überhäuft hatte!

       XL

      Colombau

      Das Herz des jungen Bretagners, den wir Colombau genannt haben, war ein reiner Diamant mit vier Kanten: die Güte, die Sanftmuth, die Unschuld und die Redlichkeit.

      Einige starke Geister des Collége hatten ihm den Beinamen Colombau der Einfaltspinsel zum Andenken an gewisse gute Thaten gegeben, wobei er der Bethörte gewesen.

      Seine herculische Stärke hätte ihm wohl erlaubt, die bösen Zungen zum Schweigen zu bringen, doch er hatte für alle diese Kläffer dieselbe Verachtung, welche die Neufundländer und die Molosseu auf dem St. Bernhard für einen türkischen Hund oder einen King-Charles haben.

      Eines Tags jedoch fiel es einem armseligen, streitsüchtigen Bürschchen, einem jungen Creolen von Louisiana, der kürzlich erst ins Collége gekommen, als er sah, mit welcher unstörbaren Geduld Colombau, ohne das Gesicht zu verändern, die Schmähungen anhörte, mit denen er ihn seit einigen Augenblicken überhäufte; es fiel diesem Creolen ein, sagen wir, ihn, auf dem Rücken eines Großen reitend, von hinten an seinen blonden Haarlocken zu ziehen.

      Wäre es eine Schäkerei