ich borge oder ich stehle, aber ich bettle nicht, sagte Bruno.
Nehmen Sie Ihre Börse zurück, gnädiger Herr, ich werde mich an den Fürsten von Ventimille oder von le Cattolica wenden.
– Wohl an! es sei, sagte der Fürst.
Ich habe niemals einen eigensinnigeren Banditen gesehen, als Dich; vier Schelme Deiner Art würden mich um meinen Verstand bringen und um d Leb wohl!
– Leben Sie Wohl, gnädiger Herr, und möge die heilige Rosalie Sie in ihren Schutz nehmen!. . .
Der Fürst entfernte sich, die Hände in den Taschen seiner hirschledernen Weste, und sein Lieblingslied pfeifend. Bruno blieb regungslos, indem er ihn sich entfernen sah, und erst, als er ihn aus dem Gesicht verloren hatte, zog auch er sich nach seiner Seite zurück, indem er einen Seufzer ausstieß.
Am folgenden Tage empfing der abgebrannte Gastwirt aus den Händen Alis die drei Hundert Unzen des Fürsten von Butera.
VI
Einige Zeit nach dem so eben von uns erzählten Auftritte erfuhr Bruno, dass eine von vier Gendarmen und einem Brigadier begleitete Geldsendung von Messina nach Palermo abgehen würde.
Das war das Lösegeld des Fürsten von Moncada-Paterno, welches in Folge einer Finanzberechnung, die der Erfindungsgabe Ferdinands IV. die größte Ehre macht, das neapolitanische Budget rund machen sollte, statt, wie es seine erste Bestimmung war, den Schatz der Casauba zu vergrößern. – Hier ist übrigens die Geschichte, so wie sie mir an Ort und Stelle erzählt worden ist; da sie eben so merkwürdig als authentisch ist, so glauben wir, dass sie der Mühe wert ist, erzählt zu werden; außerdem wird sie einen Begriff von der sonderbaren Weise geben, mit welcher die Auflagen in Sizilien erhoben werden.
Wir haben in dem ersten Teile dieser Geschichte gesagt, wie der Fürst Moncada-Paterno von Seeräubern der Raubstaaten bei dem kleinen Dorfe Fugello gefangen genommen wurde, als er von der Insel Pontellerie zurückkehrte; er wurde mit seinem ganzen Gefolge nach Algier geführt, und der Preis seines Lösegelds und der seines Gefolges wurde in freundschaftlicher Übereinkunft auf die Summe von fünfmal hunderttausend Piaster (2, 500, 000 Franken) festgesetzt, wovon die Hälfte vor seiner Abreise, die Hälfte nach seiner Rückkehr nach Sizilien zahlbar war.
Der Fürst schrieb an seinen Intendanten, um ihm die Lage mitzuteilen, in welcher er sich befände, und dass er ihm so schnell als möglich die zweimal hundert fünfzigtausend Piaster zu senden habe, gegen welche er seine Freiheit wieder erlangen sollte. Da der Fürst von Moncada-Paterno einer der reichsten Gutsbesitzer von Sizilien war, so wurde die Summe leicht zusammengebracht und schnell nach Afrika abgesandt; getreu seinem Versprechen, wie ein wahrer Anhänger des Propheten, setzte der Dey von Algier den Fürsten von Paterno nun auf sein Ehrenwort in Freiheit, vor Ablauf eines Jahres die noch fehlenden zweimal hundert fünfzigtausend Piaster zu übersenden. Der Fürst kehrte nach Sizilien zurück, wo er sich damit beschäftigte, das für seine zweite Zahlung notwendige Geld zusammenzubringen, als ein Befehl Ferdinands IV., der sich auf folgenden Beweggrund stützte, dass, da er mit der Regentschaft von Algier im Kriege wäre, er nicht wolle, dass seine Untertanen seine Feinde bereicherten, er Einspruch in die Hände des Fürsten lege und ihn auffordere, die in Rede stehenden zweimal hundert fünfzigtausend Piaster in den Schatz von Messina, zu bezahlen. Der Fürst von Paterno, der ein Mann von Ehre und zu gleicher Zeit ein getreuer Untertan war, gehorchte dem Befehle seines Gebieters und der Stimme seines Gewissens, so dass das Lösegeld ihm siebenmal hundert fünfzigtausend Piaster kostete, von denen zwei Drittel an den ungläubigen Seeräuber gesandt und das andere Drittel in Messina an den Fürsten von Carini, den Bevollmächtigten des christlichen Seeräubers, ausgezahlt wurden. Diese Summe war es, welche der Vizekönig nach Palermo, dem Sitze der Regierung, unter der Bedeckung von vier Gendarmen und einem Brigadier ab sandte; dieser letztere war außerdem beauftragt, im Namen des Fürsten seiner geliebten Gemma einen Brief zu übergeben, die er aufforderte, zu ihm nach Messina zu kommen, wo Regierungsangelegenheiten ihn noch einige Monate zurückhalten sollten.
An dem Abend, wo die Bedeckung bei Bauso vorüber kommen musste, ließ Bruno seine vier korsischen Hunde los, ging mit ihnen durch das Dorf, dessen Herr er geworden war, und legte sich an der Heerstraße zwischen Divicto und Spadafora in den Hinterhalt, er befand sich ungefähr seit einer Stunde dort, als er das Rollen eines Munitionswagens und den Trab eines Reiterhaufens hörte. Er sah nach, ob die Pfanne seiner Büchse mit Pulver versehen wäre, versicherte sich, dass sein Dolch aus der Scheide ging, pfiff seinen Hunden, die sich zu seinen Füßen legten, und wartete, mitten auf der Heerstraße stehend. Einige Minuten nachher erschien die Bedeckung an der Wendung eines Weges und näherte sich bis auf die Entfernung von ungefähr fünfzig Schlitten demjenigen, der sie erwartete; nun erblickten die Gendarmen einen Mann und riefen: Wer da? – Pascal Bruno, antwortete der Bandit, und auf ein eigentümliches Pfeifen fielen die auf dieses Manöver abgerichteten Hunde über die kleine Schar her.
Bei dem Namen Pascal Bruno hatten die vier Gendarmen die Flucht ergriffen, die Hunde verfolgten aus natürlichem Antrieb die, welche flohen.
Allein geblieben, zog der Brigadier seinen Säbel und sprengte auf den Banditen zu.
Pascal setzte mit derselben Kaltblütigkeit und derselben Langsamkeit, als ob er sich anschicke, nach einer Scheibe zu schießen, seine Büchse an seine Schulter, entschlossen, erst dann Feuer zu geben, wenn der Reiter nur noch zehn Schritte weit von ihm entfernt, wäre, als in dem Augenblicke, wo er den Finger an den Drücker legte, Pferd und Reiter in den Staub fielen, das kam daher, weil Ali Bruno gefolgt war, ohne ihm etwas davon zu sagen, und, als er ihn von dem Brigadier angegriffen sah, wie eine Schlange aus die Straße gekrochen war und mit seinem Yatagan die Kniekehle des Pferdes durchschnitten hatte; was den Brigadier anbelangt, der sich nicht hatte zurückhalten können, so rasch und unerwartet war sein Sturz gewesen, so war er mit dem Kopfe auf das Pflaster gefallen und in Ohnmacht gesunken.
Bruno näherte sich ihm, nachdem er sich versichert, dass er nichts mehr zu fürchten hätte; er brachte ihn mit Hilfe Ali’s in den Wagen, dem er einen Augenblick zuvor zur Bedeckung diente, und indem er den Händen des jungen Arabers die Zügel der Pferde übergab, befahl er ihm, den Wagen und den Brigadier nach der Feste zu führen. Was ihn anbelangt, so ging er nach dem verwundeten Pferde, nahm den Karabiner von dem Sattel, an welchem er befestigt war, suchte in den Halftern, nahm daraus eine Rolle Papier, welche sich darin befand, pfiff seinen Hunden, die mit blutigem Rachen zurückkehrten, und folgte dem Fange, den er gemacht hatte.
In dem Hofe der kleinen Feste angelangt, verschloss er das Thor hinter sich, nahm den noch immer ohnmächtigen Brigadier auf seine Schultern, trug ihn in ein Zimmer und legte ihn auf die Matratze, auf welche er gewohnt war, sich selbst ganz angekleidet zu werfen; hierauf stellte er entweder aus Vergessen oder aus Unvorsichtigkeit den Karabiner, den er von dem Sattel genommen hatte, in eine Ecke und verließ das Zimmer.
Fünf Minuten nachher schlug der Brigadier die Augen wieder auf, blickte um sich, fand sich an einem Orte, der ihm gänzlich unbekannt war, und da er sich unter der Herrschaft eines Traumes glaubte, so befühlte er sich selbst, um zu wissen, ob er wirklich wache. Jetzt, da er einen Schmerz an der Stirn fühlte, legte er die Hand daran, und da er sie voller Blut zurückzog, so wurde er gewahr, dass er verwundet wäre. Diese Wunde war ein Anhaltspunkt der Erinnerung für sein Gedächtnis, nun erinnerte er sich, dass er von einem einzigen Manne angehalten, feiger Weise von seinen Gendarmen verlassen und dass in dem Augenblicke, wo er auf diesen Mann zu sprengte, sein Pferd gestürzt wäre. Was weiter vorgefallen, davon erinnerte er sich nichts mehr.
Dieser Brigadier war ein Tapferer; er fühlte, welche Verantwortlichkeit auf ihm laste, und sein Herz wurde vor Zorn und vor Scham beklommen, er blickte in dem Zimmer um sich, indem er sich zu orientieren versuchte, aber Alles war ihm gänzlich unbekannt. Er stand auf, ging an das Fenster und sah, dass es auf das Feld ginge. Nun fasste er eine Hoffnung, nämlich die, aus diesem Fenster zu springen, bewaffnete Macht zu holen und mit ihr zurückzukehren, um seine Revanche zu nehmen; er hatte das Fenster bereits aufgemacht, um diesen Plan auszuführen, als er einen letzten Blick in das Zimmer warf und seinen Karabiner fast an dem Kopfende seines Bettes stehend erblickte; bei diesem Anblicke klopfte ihm das Herz heftig, denn ein anderer Gedanke, als der der Flucht, bemächtigte sich seiner sogleich, er sah nach, ob