mischte und nur daran zu denken schien, und das einzige Zeichen von Aufmerksamkeit, welches er seiner Wunde widmete, war, wie wir bemerkt, sie von Zeit zu Zeit mit Seewasser anzufeuchten, während der Knabe tat, als ob er seine Netze ausbessere.
– Vater, sagte Ali plötzlich, indem er sich in dieser scheinbaren Beschäftigung unterbrach, sieh doch nach der Seile des Landes!
– Was gibt es?
– Ein Haufen von Leuten.
– Wo das?
– Dort, auf dem Wege nach der Kirche.
In der Tat, eine ziemlich zahlreiche Gesellschaft ging den sich windenden Weg hinauf, auf welchen man auf den heiligen Berg gelangte. Bruno erkannte, dass es das Gefolge einer Hochzeit wäre, die sich nach der Kapelle der heiligen Rosalia begab.
– Steuere nach dem Lande und rudere herzhaft, rief er aus, indem er sich völlig aufrichtete.
Der Knabe gehorchte, ergriff mit jeder Hand ein Ruder, und las kleine Boot schien über die Oberfläche des Meeres dahinzufliegen.
In dem Maße, als es sich dem Ufer näherte, nahmen Brunos Züge einen immer schrecklicheren Ausdruck an; endlich, als sie nur noch ungefähr eine halbe Meile entfernt waren, rief er mit dem Ausdrucke kaum zu schildernder Verzweiflung aus:
– Das ist Theresa! Sie haben die Verheiratung beschleunigt, sie haben den Sonntag nicht abwarten wollen, sie haben sich gefürchtet, dass ich sie bis dahin entführen möchte! . . . Gott ist mein Zeuge, dass ich Alles getan habe, was ich vermocht, damit alles ein gutes Ende nähme. . . Sie sind es, die es nicht gewollt, wehe ihnen! Bei diesen Worten spannte Bruno mit Alis Hilfe das Segel der kleinen Barke auf, welche, indem sie sich um den Berg Pellegrino wandte, nach Verlauf von zwei Stunden hinter dem Vorgebirge Gallo verschwand.
IV
Pascal hatte sich nicht geirrt. Aus Furcht vor irgend einem Unternehmen von Seiten Brunos hatte die Gräfin die Verheiratung um drei Tage beschleunigt, ohne Theresa etwas von der Zusammenkunft zu sagen, welche sie mit ihrem Geliebten gehabt hatte, und aus besonderer Frömmigkeit hatten die bellen Gatten für die Feier der Hochzeit die Kapelle der heiligen Rosalie, der Schutzpatronin von Palermo, gewählt.
Das ist wieder einer der charakteristischen Züge von Palermo, einer ganz der Liebe gehörenden Stadt, sich unter den Schutz einer jungen und hübschen Heiligen gestellt zu haben. Die heilige Rosalie ist daher auch für Palermo das, was der heilige Januarius für Neapel ist, die allmächtige Spenderin der Wohltaten des Himmels, aber sie ist mehr als der heilige Januarius, sie ist von französischem und königlichem Geschlecht und sie stammt in gerader Linie von Karl dem Großen1 ab, wie es ihr über der äußern Tür der Kapelle gemalter Stammbaum beweist, ein Baum, dessen Stamm aus der Brust von Wittekinds Besieger emporsproßt, und nachdem er sich in verschiedene Zweige geteilt, diese auf dem Gipfel wieder vereinigt, um den Fürsten Sinebaldo, dm Vater der heiligen Rosalie, entstehen zu lassen. Aber aller Adel ihres Geschlechtes, aller Reichtum ihres Hauses, alle Schönheit ihrer Person vermochten nichts über die junge Prinzessin. Sie verließ im Alter von achtzehn Jahren den Hof Rüdigers, und zu dem beschauenden Leben fortgerissen, verschwand sie plötzlich, ohne dass man wusste, was aus ihr geworden wäre, und erst nach ihrem Tode fand man sie schön und frisch, als ob sie noch lebte, in der Grotte wieder, die sie bewohnt hatte, und in derselben Stellung, in welcher sie in dem keuschen und unschuldigen Schlummer der Auserkorenen entschlafen war.
Diese Grotte war an der Seite des vor alten Zeiten Evita genannten Berges ausgehöhlt, der in dem Laufe der punischen Kriege durch die uneinnehmbaren Stellungen so berühmt war, welche er den Carthaginensern lieferte;, aber heut zu Tage hat der profane Berg den Namen gewechselt. Sein unfruchtbares Haupt hat die Taufe des Glaubens erhalten und man nennt ihn den Berg Pellegrino, ein Wort, das in seiner doppelten Bedeutung gleicher Weise der kostbare Hügel oder der Berg des Pilgers sagen will. Im Jahre 1624 verheerte Palermo eine Pest; die heilige Rosalie wurde angerufen. Man holte den wunderthuenden Leib aus der Grotte, brachte ihn mit großem Prunke in die Kathedrale von Palermo, und kaum hatten die heiligen Gebeine die Schwelle des halbchristlichen, halbarbarischen, von dem Erzbischof Gauthier erbauten Monumentes berührt, als auf die Bitte der Heiligen, Jesus Christus nicht allein die Pest, sondern auch noch den Krieg und die Hungersnot aus der Stadt verjagte, wie es das von Cannova errichtete Basrelief der Villa-Reale beweist. Damals verwandelten die dankbaren Bewohner von Palermo die Grotte der heiligen Rosalie in eine Kirche, stellten den herrlichen Weg her, der zu ihr führt und dessen Bau in jene Zeiten zurückzugehen scheint, in denen eine römische Kolonie eine Brücke oder eine Wasserleitung, gleich der Granitunterschrift der Mutterstadt, von einem Berge zu dem andern schlug. Endlich wurde die Leiche der Heiligen durch eine liebliche, mit Rosen bekränzte und in der Stellung, in welcher die Heilige entschlafen, an dem Orte selbst, an welchem sie wiedergefunden worden, liegende Marmorstatue ersetzt, und das Meisterstück des Künstlers wurde noch durch ein königliches Geschenk bereichert. Karl III. von Bourbon schenkte ihr ein fünfundzwanzig Tausend Livres geschätztes Kleid von Goldstoff ein Halsband von Diamanten und kostbare Ringe, und da er die ritterlichen Ehren mit den weltlichen Reichtümern vereinigen wollte, so erlangte er für sie das Großkreuz von Malta, das an einer goldenen Kette hängt, und den Orden der Maria Theresia, der in einem mit Lorbeeren umgebenen Stern mit dem Wahlspruch besteht: F o r t i t u d i n i.
Was die Grotte selbst anbetrifft, so ist sie eine, in ein mit Kalklagen bedecktes Urgebirge gehauene Höhle, von deren Gewölbe glänzende Tropfsteine herabhängen; zur Linken befindet sich ein Altar, in dessen unterem Teile die Statue der Heiligen liegt, die man durch ein goldenes Gitter sieht, und hinter dem Altar stießt die Quelle, an welcher sie ihren Durst löschte. Was die Halle dieser natürlichen Kirche anbelangt, so ist sie durch einen Zwischenraum von drei bis vier Fuß von ihr getrennt, durch welchen das Tageslicht hereinfällt und Efeugewinde herabhängen, so dass die Sonnenstrahlen gleich einem lichtvollen Vorhang den Geistlichen von seinen Zuhörern trennen.
In dieser Kirche wurden Theresa und Gaëtano verheiratet.
Als die Feierlichkeit beendigt, begab sich der Hochzeitszug wieder nach Palermo hinab, wo ihn Wagen erwarteten, um die Gäste nach dem Dorfe Carini zu führen, ein fürstliches Lehen, von welchem Rodolfo seinen Namen und seinen Titel hatte. Dort waren durch die Aufmerksamkeit der Gräfin alle Vorbereitungen zu einem Prachtvollen Mahle getroffen worden; die Landleute der Umgegend waren eingeladen, sie waren von zwei bis drei Stunden im Umkreise, von Montreale, von Capaci und von Favarola herbeigeeilt, und unter allen diesen jungen Landleuten, welche ländlichen Prunk gezeigt hatten, erkannte man die von Pinna de Greci an ihren Kostümen von Morea, das sie getreulich beibehalten haben, obgleich die Kolonie, welche es ihnen vermacht und die es von ihren Vätern hatte, seit zwölfhundert Jahren ihr Geburtsland gegen ein anderes Vaterland vertauscht hat.
Tische waren auf einer von grünen Eichen und schirmenden Fichten beschatteten, von Orangen- und Zitronenbäumen duftenden Esplanade gedeckt worden, welche von Hecken von Granat« und indischen Feigenbäumen umgeben war, eine doppelte Wohltat der Vorsehung, die, indem sie an den Hunger und an den Durst des Armen dachte, diese Bäume gleich einer neuen Manna auf der ganzen Ausdehnung von Sizilien ausgesät hat. Man gelangt zu dieser Esplanade auf einem mit Aloes eingefasstem Wege, deren riesenhafte Blumen, die in der Ferne den Lanzen arabischer Reiter gleichen, einen weit glänzenderen und weit festeren Faden als den des Hanfes und des Flachses enthalten, und während im Süden die Aussicht durch den Palast begrenzt war, über dessen Terrasse sich die Gebirgskette erhob, welche die Insel in drei große Regionen trennt, sah man in Westen, in Norden und in Osten, an den äußersten Enden dreier Täler, dreimal dieses herrliche Meer von Sizilien wieder, das man nach seinen verschiedenen Farben für drei Meere gehalten hätte; denn durch ein von der Sonne, welche am Horizonte zu verschwinden begann, hervorgebrachtes Spiel des Lichtes war es nach der Seite von Palermo himmelblau, um die Fraueninsel herum rollte es Silberwellen, während seine Wogen sich wie flüssiges Gold an den Felsen von Saint-Vito brachen.
Im Augenblicke des Nachtisches und als das Hochzeitsfest eben in seiner vollen Freude war, öffneten sich die Thor des Schlosses und Gemma, auf die Schulter des Fürsten gestützt, mit zwei Dienern voraus, welche Fackeln trugen, und von einer Welt von Bedienten gefolgt, ging die Marmortreppe hinab und näherte sich der Esplanade. Die Landleute