der Gesellschaft immer darnach strebt, das nach unten zurückzuweisen, was unten geboren ist, und wo die Seele keine Flügel hat, um den Körper zu erheben, wird ein überwiegender Verstand gar häufig ein Unglück für eine niedrige Geburt; da er immer aus dem politischen und geistigen Kreise hervorzutreten trachtet, in den der Zufall ihn eingeschlossen hat, da er beständig einem Ziele zuschreitet, von dem ihn Tausend Hindernisse trennen, da er ohne Unterlass das Licht sieht, das er nicht bestimmt ist, zu erreichen, so fängt er damit an, zu hoffen, und endigt damit, zu verwünschen. Dann empört er sich gegen diese Gesellschaft, welche Gott seiner Meinung nach so blind in zwei Hälften geteilt hat, die eine für das Glück, die andere nur zu Leiden; er lehnt sich gegen diese himmlische Parteilichkeit auf, und macht sich aus eigener Macht zum Verteidiger des Schwachen und zum Feinde des Mächtigen. Deshalb ist der spanische und der italienische Bandit zugleich so poetisch und so volkstümlich, weil es zuvörderst fast immer ein großer Schmerz ist, der ihn von der rechten Bahn abgebracht, und weil später sein Dolch und seine Büchse das Göttliche durch die menschlichen Satzungen verfälschte Gleichgewicht wieder herzustellen streben.
Man wird sich daher nicht verwundern, dass Pascal Bruno mit seinen Familienschicksalen seinen verwegenen Charakter, seiner außergewöhnlichen Geschicklichkeit und Stärke, die wunderliche Person geworden ist, welche er werden wollte. Es kam dies daher, weil er sich, wenn man so sagen darf, zum Richter der Gerechtigkeit gemacht hatte, es kam daher, weil in ganz Sizilien, und besonders in Bauso und seiner Umgegend, kein Act der Willkür begangen wurde, der seinem Richterstuhle zu entgehen vermochte; und da seine Urteile fast immer die Starken trafen, so hatte er alle Schwachen für sich. So, wenn ein übertriebener Pacht von einem reichen Herrn irgend einem armen Pächter auferlegt worden war, wenn eine Heirat auf dem Punkte stand, durch die Habgier einer Familie fehl zuschlagen, wenn ein ungerechtes Urteil einen Unschuldigen treffen sollte, so nahm Pascal Bruno auf die Nachricht, welche er davon erhielt, seine Büchse, ließ vier korsische Hunde los, welche seine einzige Bande bildeten, bestieg sein Pferd von Val-de-Noto, das wie ein halber Araber und ein halber Gebirgsbewohner war, verließ die kleine Feste Castel-Nuovo, die er zu seiner Residenz gemacht hatte, suchte den Herrn, den Vater oder den Richter auf, und die Pachtsumme ward verringert, die Heirat ward geschlossen, der Gefangene freigegeben. Man wird daher leicht einsehen, dass alle diese Leute, denen er zu Hilfe gekommen war, ihm ihr Glück durch treue Ergebenheit vergalten, und dass jedes gegen ihn gerichtete Unternehmen an der dankbaren Wachsamkeit der Landleute scheiterte, welche ihn durch verabredete Signale sogleich von den ihn bedrohenden Gefahren benachrichtigten.
Dann begannen wunderliche Erzählungen in dem Munde aller zu kreisen, denn je schwächer der Verstand ist, desto mehr ist er geneigt, an das Wunderbare zu glauben. Man sagte, dass Pascal Bruno in einer Gewitternacht, in welcher die ganze Insel gebebt, ein Bündnis mit einer Hexe geschlossen und von ihr gegen seine Seele erlangt hätte, unsichtbar zu sein, die Gabe zu haben, sich in einem Augenblicke von einem Ende der Insel zu dem andern zu begeben, und weder durch Blei, noch durch Eisen, noch durch Feuer besiegt werden zu können. Das Bündnis sollte, wie man sagte, drei Jahre dauern, da es Bruno nur eingegangen war, um eine Rache zu vollziehen, zu welcher dieser Termin genügte, so beschränkt er auch schien. Weit davon entfernt, diesen Verdacht zu zerstören, sah Pascal ein, wie günstig er ihm sei, und trachtete im Gegenteil, ihm Glaubwürdigkeit zu geben. Seine vielfachen Verbindungen hatten ihm so oft Mittel geliefert, an seine Unsichtbarkeit glauben zu lassen, indem sie ihn mit Umständen bekannt machten, von denen man annehmen musste, dass sie ihm gänzlich unbekannt waren. Die Schnelligkeit seines Pferdes, mit dessen Hilfe er sich am Morgen in unglaublichen Entfernungen von den Orten befand, wo man ihn am Abend zuvor gesehen, hatte von seiner Gabe, den Ort zu wechseln, überzeugt, endlich hatte ein Umstand den er mit der Geschicklichkeit eines Mannes von höherem Verstand benutzt, durchaus keinen Zweifel über seine Unverwundbarkeit mehr übrig gelassen. Es war folgender:
Der Mord Gaëtanos hatte großes Aufsehen gemacht, und der Fürst von Carini hatte allen Hauptleuten Befehle erteilt, dass sie sich des Mörders bemächtigen sollten, der übrigens durch die Verwegenheit seines Benehmens denen ein leichtes Spiel bot, welche ihn verfolgten. Sie hatten dem zu Folge diese Befehlt ihren Untergebenen mitgeteilt, und der Landrichter von Spadafora wurde eines Morgens benachrichtigt, dass Pascal Bruno die Nacht in dem Dorfe zugebracht hatte, um nach Divicto zu gehen. Er legte die beiden folgenden Nächte Männer an der Straße in den Hinterhalt, in der Hoffnung, Pascal werde auf demselben Wege zurückkehren, den er eingeschlagen hatte, um hinzu« gehen, und für seine Rückkehr die Dunkelheit benutzen.
Ermüdet, zwei Nächte gewacht zu haben, versammelten sich am Morgen des dritten Tages, der ein Sonntag war, die Soldaten in einer zwanzig Schritte weit von der Straße gelegenen Schenke; sie waren eben mit ihrem Frühstück beschäftigt, als man ihnen meldete, dass Pascal Bruno ruhig den Berg auf der Seite von Divicto herab käme. Da sie nicht mehr Zeit hatten, sich wieder in ihren Hinterhalt zu legen, so erwarteten sie ihn da, wo sie waren, und als er nur noch fünfzig Schritte weit von dein Wirtshaus entfernt war, stellten sie sich vor der Tür auf, ohne dass sie indessen auf ihn zu achten schienen. Bruno sah alle diese Angriffsvorbereitungen, ohne sich scheinbar darum zu bekümmern, und statt wieder umzukehren, was ihm ein Leichtes gewesen wäre, setzte er sein Pferd in Galopp, ohne seinen Weg zu unterbrechen. Als die Soldaten sahen, was seine Absicht war, bereiteten sie ihre Waffen vor und die ganze Compagnie begrüßte ihn in dem Augenblicke, wo er vor ihr vorüberkam, mit einer allgemeinen Salve, aber weder das Pferd noch der Reiter wurden davon getroffen, und Mensch und Tier verließen unversehrt den Dampfwirbel, in den sie einen Augenblick lang gehüllt gewesen waren. Die Soldaten sahen sich einander kopfschüttelnd an, und erzählten dem Landrichter von Spadafora, was ihnen begegnet war.
Das Gerücht von diesem Abenteuer verbreitete sich am selben Abend in Bauso, und einige weit erfinderische Köpfe, als die andern, begannen zu glauben, dass Pascal Bruno bezaubert wäre, und dass Blei und Eisen, wenn es gegen ihn gerichtet wäre, sich abplatteten und stumpf würden. Am folgenden Tage wurde diese Behauptung durch einen unverwerflichen Beweis bestätigt, man fand an der Tür des Richters von Bauso die Jacke Pascal Brunos aufgehängt, die von dreizehn Kugeln durchbohrt war, und die in ihren Taschen die dreizehn abgeplatteten Kugeln enthielt. Einige Freigeister behaupteten wohl, und unter diesen war Cäsar Alletto, Notar von Calvaruso, aus dessen Munde wir diese Umstände haben, dass der dem Gewehrfeuer wundervoller Weise entkommene Bandit, indem er diesen Umstand benutzen wollte, selbst seine Jacke an einen Baum gehängt, und die dreizehn Schüsse auf sie getan, deren Spuren sie trug, aber die Mehrzahl blieb nichtsdestoweniger von der Bezauberung überzeugt, und die Furcht, welche Pascal bereits einflößte, vermehrte sich dadurch beträchtlich. Diese Furcht war so groß, und Bruno war so überzeugt, dass sie von den unteren Klassen zu den höheren übergegangen wäre, dass, da er einige Monate vor der Zeit, zu welcher wir gelangt sind, für eines seiner philanthropischen Werke (es handelte sich um die Wiederaufbauung eines abgebrannten Wirtshauses) zwei Hundert Unzen Gold nötig hatte, er sich an den Fürsten von Butera wandte, um diese Summe von ihm zu entleihen, indem er ihm einen Ort des Gebirges andeutete, wo er es abholen würde und ihn aufforderte, es dort pünktlich zu vergraben, damit er es während einer Nacht, die er dem Fürsten bezeichnete, abholen könnte; im Falle der Nichtausführung dieser Aufforderung, welche für einen Befehl gelten konnte, benachrichtigte Bruno den Fürsten, dass es zum offenen Kriege zwischen dem Könige des Gebirges und dem Herrn der Ebene kommen würde; wenn aber dagegen der Fürst die Gefälligkeit hätte, ihm diese Summe zu leihen, so würden ihm die zwei Hundert Unzen Gold getreulich von der ersten Summe zurückerstattet werden, die er dem königlichen Schatz nähme.
Der Fürst von Butera war einer jener Männer, wie es deren in unsern modernen Zeiten eben keine mehr gibt, er war ein Überrest des alten sizilianischen Adels, verwegen und ritterlich wie jene Normannen, von denen er abstammte. Er nannte sich Herkules, und schien nach dem Vorbild seines altertümlichen Patrons gebaut. Er schlug mit einem Faustschlag ein widerspenstiges Pferd zu Boden, zerbrach auf seinem Knie eine einen halben Zoll dicke Eisenstange und verbog einen Piaster. Ein Ereignis, in welchem er Beweis von großer Kaltblütigkeit abgelegt hatte, hatte ihn zum Abgott des Volkes von Palermo gemacht. Im Jahre 1770 hatte das Brot in der Statt gefehlt, ein Aufstand war ausgebrochen; der Gouverneur hatte das ultimo ratio geltend machen wollen, eine Kanone war in der Straße Toledo aufgefahren worden, das Volk marschierte gegen die Kanone, und der Artillerist stand, die brennende Lunte in der Hand, im Begriffe, auf das Volk zu schießen, als der Fürst