stehen. Nun reichte ein Diener einen goldenen Becher hin, Gaëtano füllte ihn mit Wein von Syracus, der Diener bot den Becher Gemma, Gemma sprach einen Wunsch zu Gunsten der Neuvermählten aus, berührte mit ihren Lippen den goldenen Becher und reichte ihn dem Prinzen, der, indem er ihn mit einem Zuge leerte, eine Börse voll Unzen2 hineinschüttete und ihn Theresa überbringen ließ, deren Hochzeitsgeschenk es war; im selben Augenblicke ließen sich die Rufe: Es lebe der Fürst von Carini! es lebe die Gräfin von Castel-Nuovo! hören; die Esplanade erleuchtete sich wie durch einen Zauber, und die edlen Besucher entfernten sich, indem sie, wie eine himmlische Erscheinung, Licht und Freude zurückließen.
Kaum waren sie mit ihrem Gefolge in das Schloss zurückgekehrt, als sich eine heitere Musik hören ließ, die jungen Leute verließen die Tische und eilten noch dem für den Tanz zubereiteten Orte. Gaëtano stand dem Gebrauche gemäß im Begriffe, den Ball mit seiner Braut zu eröffnen, und schon schritt er auf sie zu, als ein Fremder, der auf dem Wege der Aloes ankam, auf der Esplanade erschien; es war Pascal Bruno im calabresischen Kostüme, das wir bereits geschildert haben; nur befanden sich ein Paar Pistolen und ein Dolch in seinem Gürtel, und seine Jacke, wie ein Husarendolman über seine rechte Schulter geworfen, ließ den blutigen Ärmel seines Hemdes sehen. Theresa war die erste, welche ihn erblickte; sie stieß einen Schrei aus, und indem sie ihre entsetzten Augen auf ihn heftete, blieb sie bleich und starr wie bei dem Anblicke einer Erscheinung stehen. Jeder wandte sich nach dem Neu angekommenen um, und diese ganze Menge blieb in schweigender Erwartung, denn sie erriet, dass sich irgend etwas Schreckliches zutragen würde. – Pascal Bruno schritt gerade auf Theresa zu, und indem er vor ihr stehen blieb, schlug er die Arme übereinander und blickte sie fest an.
– Sie sind es, Pascal? murmelte Theresa.
– Ja, ich bin es, antwortete Bruno mit heiserer Stimme; ich habe in Bauso, wo ich Sie erwartete, erfahren, dass Sie sich in Carini verheiraten würden, und ich bin hoffentlich zeitig genug gekommen, um mit Ihnen die erste Tarantella zu tanzen.
– Das ist das Recht des Bräutigams, unterbrach ihn Gaëtano, welcher sich näherte.
– Es ist das Recht des Geliebten, antwortete Bruno. Nun denn, Theresa, wie mir scheint, ist dies das Geringste, was Sie für mich tun können.
– Theresa ist meine Gattin, rief Gaëtano aus, indem er den Arm nach ihr ausstreckte.
– Theresa ist meine Geliebte, sagte Pascal, indem er ihr die Hand reichte.
– Zu Hilfe! rief Theresa aus.
Gaëtano packte Pascal beim Kragen; aber im selben Augenblicke stieß er einen Schrei aus und sank, mit dem Dolche Pascals bis an das Heft in der Brust, zu Boden. Die Männer machten eine Bewegung, um über den Mörder herzufallen, der kaltblütiger Weise eine Pistole aus dem Gürtel zog und sie spannte, dann gab er den Musikanten mit der Pistole einen Wink, die Musik der Tarantella zu beginnen. Sie gehorchten maschinenmäßig; jeder blieb regungslos.
– Vorwärts, Theresa! sagte Bruno.
Theresa schien kein lebendiges Wesen mehr zu sein, sondern ein Automat, dessen Feder die Furcht war. Sie gehorchte, und dieser grässliche Tanz neben einer Leiche dauerte bis auf den letzten Takt. Endlich hörten die Musikanten auf, und als ob diese Musik Theresa allein aufrecht erhalten hätte, sank sie ohnmächtig auf die Leicht Gaëtano’s.
– Ich danke Dir, Theresa, sagte der Tänzer, indem er sie mit trockenem Auge anblickte. Und jetzt, wenn es hier Jemanden gibt, der meinen Namen zu wissen wünscht, um mich anderswo wiederzufinden, ich nenne mich Pascal Bruno.
– Der Sohn Antonio Bruno’s, dessen Kopf an dem Schloss Bauso in einem eisernen Käfig ist? sagte eine Stimme.
– Ganz recht, antwortete Pascal; aber wenn Ihr ihn dort noch zu sehen wünscht, so eilt Euch, denn ich schwöre Euch, dass er dort nicht mehr lange bleiben wird.
Nach diesen Werten verschwand Pascal, ohne dass irgend Jemand Lust hatte, ihm zu folgen, außerdem beschäftigte sich Jedermann entweder aus Furcht oder aus Teilnahme mit Gaëtano und Theresa..
Der eine war tot, die andere war wahnsinnig.
Am folgenden Sonntag fand in Bauso das Kirchweihfest statt; das ganze Dorf war voller Freude, man trank in allen Schenken, man schoss an allen Straßenecken mit Böllern. Die Straßen waren geschmückt und lärmend, und vor allen war die, welche nach dem Schloss führte, voller Menschen, die sich dort aufgehäuft hatten, um die jungen Leute nach der Scheibe schießen zu sehen. Es war dies eine Belustigung, welche von dem Könige Ferdinand IV. während seines gezwungenen Aufenthalts in Sizilien sehr begünstigt worden war, und mehrere von denen, welche sich in diesem Augenblicke dieser Übung widmeten, hatten vor Kurzem in dem Gefolge des Kardinals Russo Gelegenheit gehabt, ihre Geschicklichkeit an den neapolitanischen Patrioten und den französischen Republikanern zu beweisen; aber für den Augenblick war das Ziel eine einfache Karte und der Preis ein silberner Becher geworden. Die Scheibe war gerade unter dem eisernen Käsig angebracht, in welchem sich der Kopf Antonio Bruno’s befand, zu dem man nur über eine Treppe gelangen konnte, welche von dem Innern der Festung zu einem Fenster führte, vor welchem dieser Käfig befestigt war. Die Bedingungen des Schießens waren übrigens höchst einfach; um zu der Gesellschaft zu gehören, hatte man nur nötig, in die gemeinschaftliche Kasse, welche dazu dienen sollte, den silbernen Becher zu bezahlen, die mäßige Summe von zwei Carlins für jeden Schuss zu hinterlegen, den man zu tun wünschte, und man empfing dagegen eine auf den Zufall gezogene stummer, welche die Reihe bestimmte, in welcher man zum Schuß gelangte, die Minder geschickten nahmen bis zu zehn, zwölf und vierzehn Kugeln, die, welche auf ihre Geschicklichkeit rechneten, beschränkten sich auf fünf bis sechs. Unter allen diesen ausgestreckten Armen und allen diesen verworrenen Stimmen streckte sich ein Arm aus, der zwei Carlins hinwarf, und eine Stimme ließ sich hören, welche eine einzige Kugel verlangte. Jedermann wandte sich erstaunt über diese Armut oder über dieses Vertrauen um. Der Schütze, welcher eine einzige Kugel verlangte, war Pascal Bruno.
Obgleich er seit vier Jahren nicht in dem Dorfe erschienen war, so erkannte ihn doch jeder wieder; aber Niemand redete ihn an. Da man ihn aber als den geschicktesten Schützen der ganzen Gegend kannte, so verwunderte man sich nicht, dass er nur eine einzige Kugel genommen: er hatte Nr. 11. Das Schießen begann.
Jeder Schuss wurde mit Gelächter oder Beifallsbezeugungen empfangen, und in dem Maße, als die ersten Kugeln verschossen wurden, wurde auch das Gelächter minder lärmend. Was Pascal anbelangt, so schien er, traurig und tiefsinnig auf seine englische Büchse gestützt, keinen Anteil an dem Entzücken oder an der Lustigkeit seiner Landsleute zu nehmen; endlich kam auch an ihn die Reihe; man rief seinen Namen, er erbebte und erhob den Kopf, als ob er diesen Ruf nicht erwartet; aber indem er sich sogleich wieder fasste, nahm er den Platz hinter dem gespannten Stricke ein, der zur Schranke diente. Jeder folgte ihm voller Angst mit den Augen; kein Schütze hatte solche Teilnahme erregt und eine solche Stille hervorgebracht.
Pascal selbst schien die ganze Wichtigkeit des Schusses zu fühlen, den er zu tun im Begriffe stand, denn er stellte sich fest, das linke Bein vorgestreckt, und indem er seinen Körper auf dem rechten Beine ruhen ließ, legte er sorgfältig an und, seine Linie von unten auf nehmend, er« hob er langsam den Lauf seiner Büchse. Jedermann folgte ihm mit den Augen, und man sah mit Erstaunen, wie die Mündung der Büchse die Höhe der Scheibe überschritt, und indem er sie immer noch erhob, erst in der Richtung des eisernen Käfigs anhalten; jetzt blieben der Schütze und die Büchse einen Augenblick lang regungslos, als ob sie von Stein wären; endlich fiel der Schuss, und der aus dem eisernen Käfig3 fortgerissene Kopf fiel von der Höhe der Mauer zu dem Fuße der Scheibe! . . . Ein Schauder überlief alle Anwesenden, und kein Ausruf empfing diesen Beweis von Geschicklichkeit.
In Mitte dieses Schweigens raffte Pascal Bruno den Kopf seines Vaters auf und schlug, ohne ein Wort zu sagen und ohne ein einziges Mal hinter sich zu blicken, den Fußpfad ein, der nach den Bergen führte.
V
Es war kaum ein Jahr seit den Ereignissen verflossen, welche wir in den vorhergehenden Kapiteln erzählt haben, und ganz Sizilien, von Messina bis Palermo, von Cefalu bis zum Vorgebirge Passaro, war bereits