»Oder hat er sie importiert?«
»Soviel ich weiß, kommt sie von ganz wo anders her,« erwiderte Estella.
»So hört mit dem Quatsch auf!« sagte Peter. »Im Grunde wißt ihr ja alle nichts.«
»Jedenfalls habe ich nichts Nachteiliges über sie gesagt,« stellte Estella fest.
»I Gott bewahre, du hast nur geschimpft,« sagte Peter.
»Peter! Ich bitt’ dich!« empörte sich Estella. »Laß deine Scherze!«
»Ich meine auch, die Gnädigste hat nicht ganz unrecht,« vermittelte der Geheimrat. »Unser Interesse zeigt doch nur, wie sehr wir . . .«
»Ah!« sagten alle und sprangen auf, und der Geheimrat setzte hinzu:
»Da sind sie!«
Und Agnes, Carl und der Direktor traten in den Salon.
Estella ging auf Holten zu und sagte:
»Sie glauben gar nicht, was für eine Freude und Ehre es für mich ist, Sie bei mir zu sehen.«
Carl war verlegen und sagte:
»Aber bitte – das ist wirklich sehr freundlich!« und drückte ihr die Hand.
Dann begrüßte sie Agnes, so, daß Carl es sah, küßte sie und sagte:
»Es ist mir direkt unbehaglich, daß ich dich jetzt so wenig sehe.«
»Carl reist morgen,« sagte Agnes – wandte sich zu ihm und sagte: »Leider!«
Der strahlte und reichte ihr die Hand:
»Ich komme wieder!«
»Bald!« bettelte Agnes und zog eine Schnute.
Werner stand neben Peter.
»Was sagst du dazu?« fragte er und wies auf Agnes.
»Also mag sie ihn doch.«
»Sie wird ihre Gründe haben!« erwiderte Peter.
»Wir haben eben von Ihnen gesprochen,« sagte der Geheimrat, als er Agnes begrüßte. Estella gab acht und rief:
»Wo spricht man nicht von ihr? Ganz Berlin spricht von Agnes. In der letzten Nummer der Illustrierten ist das Bild des neuen Präsidenten von Amerika rausgeblieben, um ihrem Bilde Platz zu machen.«
»Mit Recht!« sagte der Direktor. »Das hat für das Publikum auch mehr Interesse.«
Der Geheimrat stimmte bei:
»Nur die neue Mode der langen Röcke sollten Sie nicht mitmachen,« sagte er, betrachtete ihr Kleid und sah sich um den Hauptreiz des Abends betrogen.
»Wissen Sie nicht, daß Fräulein Agnes die Mode mit veranlaßt hat?« sagte Werner.
Estella sah ihn wütend an.
Der Geheimrat schüttelte den Kopf, und der Direktor sagte:
»Was heißt das?«
»Nun, sie hat Fräulein von Pforten beim Zusammenstellen der Kostüme für die Komödie von Shaw geholfen; und wenn Sie sich erinnern, haben die Kostüme mehr Aufsehen erregt als das Stück. Seitdem . . .«
»Sie hatten schon bessere Einfälle,« sagte der Geheimrat.
Agnes lachte und sagte:
»Unhöflicher Mensch. Nehmen Sie bei Ihrer Frau, von der wir übrigens eben kommen,« – Peter und Estella sahen sich an – »Unterricht im Takt.«
»Entschuldige!« sagte Werner leise zu Estella. »Das war eine kleine Lektion für vorhin!«
Estella verzog das Gesicht und sagte:
»Esel!«
Peter, der dabei stand, zeigte die Zähne.
»Ich amüsier’ mich,« sagte er und grinste.
»Herr Holten,« wandte sich Estella an Carl, »denken Sie, Ihre Dame hat mir vor einer halben Stunde abgesagt.«
»Was heißt das, seine Dame?« trat Agnes dazwischen, nahm Carls Hand und lehnte sich an ihn: »Ich bin seine Dame!«
Werner stand sprachlos.
»Was sagst du zu Agnes?« fragte er Peter.
»Gute Schule!« erwiderte Peter.
»Ich sag dir, Agnes verstellt sich nicht.«
»Ein ganz harmloser Mensch!« bestätigte der Direktor.
Peter kniff die Augen zusammen:
»Laßt sie mal erst sich auskennen.«
»Sie meinen, sie tastet noch?«
»Ne, die macht’s mit ’m Instinkt.«
»Ich glaube mit dem Geheimrat,« sagte der Direktor.
Und da er das für einen Witz hielt, so lachte er.
»Wie können Sie das behaupten?« fragte Werner empört.
»Behaupten?« sagte der breit und schüttelte den Kopf.
»Sie wissen, scheint’s, nicht, daß ich mit Holten . . .!«
Peter faßte ihn an die Schulter:
»Sei doch bloß nicht gleich immer so feierlich.«
»Im übrigen,« sagte der Direktor und beugte sich leicht nach vorn. »Ich meinte das natürlich ganz harmlos.«
Werner gab ihm die Hand und Peter sagte:
»Na also!«
Aber die anderen waren aufmerksam geworden.
»Darf man wissen, um was da gestritten wird?« fragte Agnes.
»Um die Dame des Hauses,« sagte Werner.
»Wieso?«
»Wer sie zu Tische führt.«
»Das ist doch klar!« rief Agnes, »soviel verstehe ich auch schon; natürlich der Aelteste!« Sie sah sich um und wies auf den Geheimrat.
»Glaubst du nun, daß die echt ist?« fragte Werner, und Peter erwiderte:
»Zeitweis.«
Der Geheimrat empfand es nicht als Kompliment, und dadurch, daß Estella sagte:
»Du meinst natürlich den Würdigsten,« wurde die Situation noch unangenehmer.
Denn jetzt brauste Agnes auf und rief:
»Na, weißt du, wenn’s danach ginge, dann müßtest du wohl mit Carl zu Tische gehen.«
»Aber Agnes!« sagte Carl beschämt, legte seinen Arm um sie und wandte sich zu den anderen: »Das sagt sie natürlich nur so dahin, ohne sich was dabei zu denken.«
»Ich versteh schon!« sagte der Geheimrat, und auch die übrigen gaben zu erkennen, daß sie die Aeußerung mehr belustigte als kränkte.
»Lächerlich!« rief Agnes. »Was heißt denn das? Als ob einer von euch an ihn heranreicht. Nicht mal alle zusammen!« Dabei sah sie sie der Reihe nach an.
»Ich glaube,« sagte der Geheimrat und rettete geschickt die Situation, »wir tun am besten, in diese spontane Huldigung auf unseren berühmten Dichter mit einzustimmen und zu rufen: Er lebe hoch! hoch! hoch!«
Alle stimmten ein, und Agnes dachte:
Schade, daß die Alte das nicht gehört hat. Sie wäre mit mir zufrieden.
Als der Diener, der Peter gehörte und hier nur aushalf, die Türen zum Speisezimmer aufschob und meldete:
»Es ist serviert,« nahm Agnes Carl unter den Arm und sagte:
»Komm!«
»Dein rechter Tischnachbar kommt später,« sagte Estella, indem sie selbst dem Geheimrat den Arm reichte und den Direktor an ihre rechte Seite bat.
»Wer ist es?« fragte Agnes.
»Der alte Herr Brand.«
Agnes verzog das Gesicht, hatte ein »Bex« auf der Zunge, dachte an die Frau Geheimrat und beherrschte sich.
»Na