Patricia Vandenberg

Familie Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman


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wußte gar nicht, daß sie einen Freund hat.« Fee wunderte sich, doch Daniel wußte längst Bescheid, denn auch damit hatte Jenny nicht hinter dem Berg gehalten. Kurz klärte er seine Frau auf. »Es scheint mir, als stünde uns wieder einmal eine Arztehe ins Haus«, bemerkte sie daraufhin und sah ihn lächelnd an.

      »Wie kann man nur einen Arzt heiraten?« ging Daniel sofort auf ihren scherzhaften Ton ein.

      »Das frage ich mich auch!« murmelte sie noch, bevor er ihr den Mund mit einem langen, zärtlichen Kuß verschloß.

Wenn ein Herz verwundet ist

      Wie bei anderen Familien auch gab es bei den Nordens hin und wieder schlechte Tage, ohne daß sich ein plausibler Grund dafür gefunden hätte. So ein Tag schien dieser Montag im August zu werden.

      Schon seit Tagen herrschte kühles Regenwetter, womit sich besonders die Kinder nicht abfinden wollten. Daran konnte selbst die Tatsache, daß sie sich auf der Insel der Hoffnung befanden, nichts ändern.

      »So was Blödes, es hat ja immer noch nicht aufgehört zu regnen. Dann hat der Wetterbericht wieder nicht recht gehabt«, nörgelte Felix, als er zum Frühstück in der gemütlichen Küche des Ferienhauses erschien, das die Familie während ihres Aufenthaltes auf der Roseninsel zu bewohnen pflegte.

      »Kannst du eigentlich noch

      was anderes als meckern?« entgegnete sein älterer Bruder Danny schlechtgelaunt.

      »Müßt ihr beiden euch immer streiten?« mischte sich Daniel gereizt ein. Er hatte schlecht geschlafen in der Nacht, weil er sich Gedanken über einen schwierigen Patienten auf der Insel machte, und sein Nervenkostüm war nicht das beste.

      »Dan, bitte, wenn du dich einmischst, machst du es nur noch schlimmer«, bat Fee, doch schon diese Bemerkung war heute zuviel für ihn.

      »Dann sag’ ich halt gar nichts mehr, wenn meine Meinung hier nicht erwünscht ist!« Erbost sprang er auf, warf die Serviette auf den Tisch und verließ mit einem kurzen Gruß den Raum. Die drei kleinen Kinder sahen ihm betreten nach, doch Danny konnte sich einen weiteren Angriff auf seinen Bruder nicht verkneifen.

      »Da siehst du, was du ewiger Nörgler angerichtet hast!« zischte er böse. Da schlug Fee mit der flachen Hand auf den Tisch.

      »Jetzt reicht es aber wirklich, Danny! Das ist ja wie im Kindergarten. Ihr beiden geht jetzt zu Omi und fragt, was ihr helfen könnt. In der Küche gibt es Arbeit genug!« Mit einem zornigen Blick schaute sie ihren beiden Ältesten nach, die sich ohne ein weiteres Wort aus dem Staub machten. Ihre Mutter war selten wütend, und wenn es doch einmal so war, hielt man besser den Mund.

      »Warum habt ihr denn alle so schlechte Laune?« erkundigte sich Dési vorsichtig, nachdem am Tisch einige Zeit betretenes Schweigen geherrscht hatte.

      Fee seufzte. »Es gibt manchmal solche Tage, da wäre man am besten im Bett geblieben.«

      »Och, das ist aber auch langweilig«, stellte Jan mit langem Gesicht fest.

      »Ich mag es gar nicht, wenn gestritten wird.« Anneka saß traurig auf ihrem Stuhl. Schon ihre zarte Statur ließ ahnen, daß sie ein sehr sensibles Kind war, das sich immer alles sehr zu Herzen nahm. »Das gehört einfach zum Leben«, versuchte Fee ihre älteste Tochter zu trösten. »So wie es Sonnenschein und Wolken gibt, so gibt es in einer Familie eben viel Spaß und Freude und manchmal eben auch Ärger.«

      »Du hast ja recht, Mami«, antwortete Anneka und kuschelte sich an Fee, nachdem sie eine Weile angestrengt nachgedacht hatte.

      »Wenn wir uns nie streiten würden, wüßten wir auch nicht, wie schön es ist, wenn wir miteinander gut sind.«

      Fee sah sie verwundert an. Manchmal erstaunte sie dieses ungewöhnliche Kind schon sehr. Mit einem Seufzer nahm sie Anneka fest in die Arme und drückte sie an sich, worauf auch die Zwillinge sofort eifersüchtig aufsprangen und sich an die geliebte Mami drängten.

      »Halt, halt! Ihr erdrückt mich ja vor lauter Liebe!« Lachend umarmte sie die drei, und zumindest für einen Teil der Familie Norden war die Welt damit wieder in Ordnung.

      Nachdenklich hatte sich Daniel auf den Weg zum Büro gemacht. Es nieselte leicht, doch er bemerkte es kaum. Schon tat ihm, seine heftige Reaktion leid. Er wollte gerade umdrehen, um sich mit seiner Familie zu versöhnen, als eine Schwester auf ihn zugeeilt kam.

      »Herr Dr. Norden, gut, daß Sie da sind!« rief sie ihm schon von weitem aufgeregt zu. »Wir haben einen Notfall!« Atemlos blieb sie vor ihm stehen.

      »Wer ist es, und was ist geschehen?« erkundigte sich Daniel.

      »Eduard von Steinert. Mehr weiß ich nicht«, entgegnete Schwester Karin nur. Beide gingen schnell davon und erreichten kurze Zeit später das heimelige Haus, das das Ehepaar von Steinert seit zwei Wochen auf der Insel bewohnte.

      Paula von Steinert saß wie gelähmt in einem Sessel in der Ecke des Zimmers und blickte auf das Bett, in dem ihr Mann regungslos und mit geschlossenen Augen lag. Sein Gesicht war merkwürdig friedlich, wie selten zuvor in seinem Leben. Dennoch weigerte sie sich, den Gedanken anzunehmen, der nahe lag. Statt dessen kreiste ihre Erinnerung um die Geschehnisse des Morgens. Paula war schon früh aufgestanden, wie es auch zu Hause ihre Gewohnheit war. Sie genoß es immer, die ersten Stunden des Tages ganz für sich allein zu haben und war trotz des Nieselregens hinaus an die frische Luft gegangen, um durch die graue, aber dennoch reizvolle Landschaft am See zu spazieren. »Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung«, war schon lange ihr Motto und so ließ sie sich nur selten von dieser Gewohnheit abbringen. Sie hatte sich pudelwohl gefühlt, als sie erfrischt und mit roten Wangen wieder zurückkam.

      Das war nicht selbstverständlich in letzter Zeit. Paula hatte keine Affäre daraus gemacht, doch konnte sie nicht länger leugnen, daß der Schwindel und besonders die Brustschmerzen, die sie vor ein paar Wochen zum ersten Mal gespürt hatte, immer öfter und intensiver auftraten. Zuerst hatte sie von diesen Beschwerden keine Notiz genommen, da sie aber kein leichtsinniger Mensch war, hatte sie sich vorgenommen, nach dem Aufenthalt auf der Roseninsel eine gründliche Untersuchung durchführen zu lassen.

      Als sie jetzt einen Blick in das Schlafzimmer warf, schlief Eduard noch immer tief und fest. Es erstaunte sie etwas, da er gewöhnlich um diese Zeit schon auf war, doch Paula machte sich zunächst keine Gedanken darüber. Eduard holte sicher nur den versäumten Schlaf nach. Er hatte am Abend zuvor ein paar Gläser über den Durst getrunken, wie so oft in letzter Zeit. Bevor er ausfallend wurde, war Paula zu Bett gegangen.

      Nach einer weiteren Stunde, in der sie in ein Buch vertieft gewesen war, hatte sie doch begonnen, sich Gedanken zu machen und war an sein Bett getreten, um ihn zu wecken. Erst jetzt war ihr sein merkwürdiger Gesichtsausdruck aufgefallen, friedlich, fast heiter, aber nicht von dieser Welt. Sie hatte ihn kurz geschüttelt, um dann zum Telefon zu gehen und, äußerlich ruhig, Hilfe zu rufen. Dann hatte sie sich in den Sessel gesetzt und durch das Gesicht des Mannes hindurchgeschaut, der sie so viele Jahre lang gegängelt hatte. Ich bin frei! ging es ihr durch den Kopf und ihre Gedanken verloren sich in der Erinnerung an die Demütigungen, die sie all die Jahre stumm ertragen hatte.

      »Frau von Steinert, hören Sie mich?« Eine männliche Stimme drang an ihr Ohr und durchbrach ihre Gedanken. Langsam wandte sie den Blick ab von ihrem Mann und schaute Daniel verständnislos an.

      Doch dann kehrte sie in die Gegenwart zurück.

      »Ja, Herr Doktor?« erwiderte sie leise und erhob sich mühsam aus dem Sessel. Sie war so sehr mit ihren inneren Bildern beschäftigt gewesen, daß sie nicht bemerkt hatte, wie Daniel zusammen mit der Schwester das Haus betreten und ihren Mann untersucht hatte, obwohl auch ihm klar war, daß hier jede Hilfe zu spät kam.

      »Geht es Ihnen gut?«

      »Ich weiß nicht. Mein Mann, was ist mit meinem Mann?«

      »Es tut mir leid!« Mühsam kamen Daniel die Worte über die Lippen. Obwohl er diese traurige Nachricht schon