João de Barros

Heinrich der Seefahrer


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wobei er mit allen Mitteln versuchte, dieses Königreich zu zerschlagen und ihm an möglichst vielen Orten Schaden und Zerstörung zuzufügen. Jahr für Jahr sandte der Prinz seine Flotte gen Süden aus, wobei jedes Mal gewinnträchtige Beutezüge gegen die dortige Negerbevölkerung unternommen wurden. Genau dies stachelte Heinrich an, jedes Jahr weiter nach Süden vorzustoßen. Auf einer dieser Unternehmungen wurde schließlich ein in das Meer hineinragendes Gebirge erreicht, das auf Italienisch »Capo Non« genannt wird, auf Deutsch also »Kap Nichts«, und so heißt es bis zum heutigen Tag. Dieser Ort galt – deshalb sein Name – als das Ende der Welt. Bislang war nämlich davon ausgegangen worden, dass jeder, der dieses Kap zu umsegeln versuchte, niemals wieder zurückkehrte. Ein Sprichwort besagte: »Wer wagt, diesen Ort zu passieren, kommt nimmer heim.«

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      Die besagten Karavellen Prinz Heinrichs landeten schließlich an diesem Ort, über den hinaus aus dem oben genannten Grund eigentlich nicht gefahren werden durfte. In seinem unbändigen Wissensdurst und im Vertrauen auf Gott entschloss sich Heinrich allen Bedenken zum Trotz, im folgenden Jahr ein Schiff über dieses Kap hinaus vorstoßen zu lassen. Da die portugiesischen Karavellen als die besten Schiffe der Welt galten, bestens ausgerüstet mit allen Erfordernissen, glaubte der Prinz, mit ihnen überall, wohin er auch wollte, hinsegeln zu können. Sein Verlangen, neue Dinge über die Bewohner dieser Länder in Erfahrung zu bringen, und auch sein Wunsch, den dortigen Völkern Schaden zuzufügen, ließen ihn denn auch für die geplante Expedition drei Schiffe, bestückt mit allen erforderlichen Waffen, Munition und Lebensmitteln, ausrüsten und mit mutigen Seeleuten bemannen.

      So gerüstet fuhr man schließlich los und passierte nach einiger Zeit das besagte Kap, wobei tagsüber an der Küste entlang weiter nach Süden gesegelt und nachts geankert wurde. Auf diese Weise gelang es den Schiffen Heinrichs, ungefähr 100 Meilen über das »Kap Nichts« hinaus vorzustoßen, um dann wieder, da weder Völker noch Siedlungen, sondern nur sandiges und ausgetrocknetes Land vorgefunden wurde, umzukehren.

      Da die Ausbeute dieser Expedition nicht sehr ergiebig gewesen war, schickte Heinrich im folgenden Jahr erneut Schiffe aus – mit dem Befehl, dieses Mal 150 Meilen, und wenn möglich, noch weiter, über den bislang erreichten Punkt hinauszusegeln. Die neue Expedition erfüllte diesen Auftrag befehlsgemäß, wobei man allerdings erneut nichts anderes als ein menschenleeres, sandiges und trockenes Land zu Gesicht bekam.

      Nichtsdestoweniger sandte der Prinz Jahr für Jahr neue Schiffe aus, bis schließlich einige Wüstensiedlungen entdeckt wurden, die von Arabern bewohnt waren. Noch weiter südlich trafen die portugiesischen Schiffe auf einen Volksstamm, der Azanaghi genannt wird. Es handelt sich dabei um eine dunkelhäutige Menschenrasse, über die später Näheres berichtet werden soll. Auf diese Weise war schließlich und endlich das Land der Neger entdeckt worden. Und auf weiteren Vorstößen dieser Art lernte man noch andere Negervölker verschiedener Sprache, Bräuche und Religion kennen. Aber darüber soll an anderer Stelle ausführlicher geschrieben werden85.

      85 Bei den hier beschriebenen Expeditionen handelt es sich um die von Gil Eanes, der das Kap Bojador umsegelte, und um die von Nuno Tristão, der 1443 den Golf von Argium erreichte.

      Zweites Kapitel

      Dieses Kapitel handelt von den Dingen, die Aloisius Cà da Mosto auf seiner Fahrt in das Land der Neger entdeckt hat.

      Im Jahre unseres Herrn 1454 weilte ich, Aloisius Cà da Mosto, damals 22 Jahre alt, in meiner Geburtsstadt Venedig. Nachdem ich unter venezianischer Flagge schon verschiedene Teile des Mittelmeeres befahren hatte, beschloss ich nun – in der Hoffnung, dort einträgliche Geschäfte tätigen zu können –, nach Flandern zu gehen, wo ich bereits zuvor einmal gewesen war. Mein Sinnen und Streben war zu jener Zeit einzig und allein darauf ausgerichtet, mich auf allen möglichen Wegen auf der Welt umzusehen, nicht nur um Reichtümer zu erwerben, sondern auch um Erfahrungen und Wissen zu sammeln, was mir in späteren Jahren einen guten Ruf und viel Ehre einbringen konnte. Als ich mich hierzu durchrang, besaß ich nur noch sehr wenig Geld. Ich ging an Bord einer flandrischen Galeere, die unter dem Kommando eines Ritters namens Marco Zen stand. Am 8. August des genannten Jahres legten wir zusammen mit zwei anderen flandrischen Schiffen in Venedig ab und segelten im Vertrauen auf Gott in südlicher Richtung, bis schließlich Spanien erreicht war.

      Wegen verschiedener Ungewitter waren wir gezwungen, einige Tage am Kap St. Vinzenz zu ankern. Damit befand ich mich ganz zufällig in der Nähe von Prinz Heinrich, der hier auf seinem Landgut Reposera86 lebte. Als Heinrich unsere Anwesenheit in Erfahrung gebracht hatte, schickte er sofort seinen Sekretär Antonio Conzales zu uns. Dieser war begleitet von Patrizio di Conti, einem Venezianer, der damals Konsul meines Heimatlandes im Königreich Portugal war, wie er mir gegenüber mit einem Schreiben, das mit dem Siegel der venezianischen Regierung versehen war, zu erkennen gab. Patrizio stand außerdem im Dienst von Prinz Heinrich.87

      Auf dessen Befehl kamen die beiden nun zu uns an Bord und brachten einige Proben des auf Madeira hergestellten Zuckers, von Drachenblut88 sowie anderer Produkte mit, die auf seinen Domänen und Inseln hergestellt wurden. Diese Dinge wurden in meiner Gegenwart vielen Leuten auf unserer Galeere gezeigt, und die beiden stellten uns viele Fragen. Sie berichteten uns, dass Prinz Heinrich in der jüngsten Vergangenheit einige Inseln erobert und besiedelt hatte, die vordem unbewohnt gewesen waren und von denen der Zucker, das Drachenblut und all die anderen nützlichen Dinge, die sie mit sich führten, stammten. Und sie gaben uns zu verstehen, dass die uns gezeigten Dinge nur einen Ausschnitt dessen darstellten, was auf diesen Inseln alles hergestellt und gehandelt würde. Ferner sagten sie uns, dass genannter Fürst seit geraumer Zeit Schiffsexpeditionen veranlasse, die in Gebiete vorstießen, die bislang kein Mensch zu Gesicht bekommen habe. Dabei seien neue Länder, bevölkert von seltsamen Menschen, entdeckt und dabei sonderbare Dinge gesehen worden. Ausdrücklich wurde uns auch berichtet, dass diejenigen, die an solchen Reisen teilgenommen hätten, mit den Waren, die sie den Eingeborenen dort abgekauft hätten, in der Heimat großen Gewinn machten, und zwar im Verhältnis 1:6 oder gar 1:10.

      Derartige Erzählungen stießen bei mir und den anderen auf viel Bewunderung und Erstaunen. In mir regte sich daraufhin wachsende Begierde, die Orte, von denen die Rede gewesen war, selbst aufzusuchen. Ich fragte deshalb Heinrichs Abgesandte, ob der Prinz einem solchen Wunsch stattgeben würde. Ihre Antwort war »Ja«. Allerdings müsste von mir eine von zwei genannten Bedingungen erfüllt werden: Wenn man das Schiff – so lautete die eine Bedingung – auf eigene Kosten ausrüste und mit Handelsware belade, sei man bei der Rückkehr gesetzlich verpflichtet, ein Viertel der Waren, die man auf der Reise erstanden habe, besagtem Fürsten abzutreten. Alles Übrige könne man selbst behalten. Wenn aber umgekehrt der Fürst die Ausrüstung des Schiffes übernehme – die mitgeführte Handelsware werde allerdings auch in diesem Fall nicht von ihm bezahlt –, müsse bei der Heimkehr die Hälfte der mitgebrachten Handelsgüter dem Prinzen überlassen werden. Und falls von einer solchen Reise überhaupt nichts zurückgebracht werde, sei der Fürst bereit, die gesamten Kosten der Expedition zu tragen, sodass also in einem solchen Fall allein er Schaden und Verlust erleiden würde. Freilich wurde mir gegenüber ausdrücklich beteuert, dass von einer solchen Reise normalerweise niemand zurückkehre, ohne großen Gewinn gemacht zu haben. Und wenn immer einer unserer Landsleute – sagte man mir weiter – eine solche Fahrt unternehmen wolle, würde dies von dem Fürsten ausdrücklich begrüßt und auch tatkräftig unterstützt werden, da er glaube, dass in den betreffenden Gegenden vielerlei Spezereien und andere wertvolle Produkte eingehandelt werden könnten und außerdem die Venezianer für solche Unternehmungen geeigneter seien als andere Völker.

      Nachdem ich dies vernommen hatte, entschloss ich mich – mit dem festen Vorsatz, eine solche Reise zu unternehmen –, mit den beiden Gesandten Prinz Heinrich persönlich aufzusuchen, was ich denn auch tat. Dieser bestätigte mir, dass all das, was die beiden mir erzählt hatten, voll und ganz der Wahrheit entsprach. Darüber hinaus sagte er mir Anerkennung und Hilfe zu, falls ich tatsächlich reisen wollte.

      Daraufhin war ich endgültig entschlossen, die Reise anzutreten, zumal ich noch jung und bei sehr guter Gesundheit war, sodass ich all die Mühen und Strapazen,