KG MacGregor

Liebe in Sicht


Скачать книгу

Wie Yvonne vorausgesagt hatte, zog sich eine lange breite Schlange von mehreren Hundert Passagieren durch das Terminal, zumeist Paare – müde Männer in Khakihosen und Poloshirts, beladen mit Schultertaschen, und Frauen in ihrem ersten farbenfrohen Urlaubsoutfit. Es war kein Wunder, dass sie auch Kinder im Schlepptau hatten, schließlich waren Ferien.

      Eine vergnügte Frau in einem farbenprächtigen Rock mit Bluse begrüßte sie. »Es ist nicht so schlimm, wie’s aussieht. Wir haben über dreißig Check-in Agents. In dreißig Minuten werden Sie an Bord sein und einen Rum Runner Cocktail genießen.«

      Kelly stellte ihren Seesack ab und schob ihn mit dem Fuß weiter. »Sag mir noch mal, wer all die Leute sind. Wir sind zu sechst, richtig?«

      »Richtig. Das sind du und ich, Steph, Natalie … Steph und Natalie sind seit dem College beste Freundinnen – Seelenverwandte sozusagen.«

      »Bist du nie eifersüchtig?«

      »Quatsch. Mit Natalie macht Steph all die Sachen, die mich in den Wahnsinn treiben würden. Du kennst doch diese Frauen, die shoppen bis zum Umfallen?«

      Kelly nickte.

      »Siehst du. Ich kann nur shoppen, bis ich am liebsten jemanden killen würde. Aber die beiden schaffen das tagelang, ohne Luft zu holen. Und sie tauschen Rezepte aus und verschlingen all diese Interior Design Magazine.«

      »Mir gefallen diese Magazine auch.« Kelly zuckte die Achseln, als Yvonne sie ungläubig ansah. »Als ich für meinen Dad gearbeitet habe, haben wir viele Modernisierungen durchgeführt. Ich sehe mir gern an, was andere für Ideen haben.«

      »Dann habt ihr ja jede Menge Gesprächsstoff – du und Natalie. Sie hat sich letztes Jahr ein Haus gekauft, das einiges an Arbeit erfordert.«

      »Sie sollte sich besser in Acht nehmen. Wenn ich erst mal anfange, habe ich eine Idee nach der anderen.« Plötzlich ging es ein gutes Stück voran; sie bogen um die nächste Windung und rückten weitere zehn Meter vor. »Also du und ich, Steph und Natalie. Wer sind die anderen beiden?«

      »Didi Caviness und Pamela Soundso. Ich hab ihren Nachnamen vergessen. Didi und Natalie sind Besitzerinnen der – in den Augen der meisten Menschen – besten Modeboutique in Rochester. Natürlich bin ich keine Expertin, was das angeht. Ich gebe nur wieder, was Steph sagt.«

      »Und Pamela ist ihre Freundin?«

      »Ja, ihre Neue. Sie sind seit ungefähr sechs Monaten zusammen. Davor waren Didi und Natalie sechs Jahre zusammen, aber sie haben sich vor zwei Jahren getrennt.«

      »Ich gehe mal davon aus, dass sie immer noch befreundet sind und nicht nur Geschäftspartnerinnen, sonst würden sie nicht zusammen auf Kreuzfahrt gehen.«

      »Seit ihrer Trennung haben sie sich besser verstanden denn je – bis Pamela ins Spiel kam. Natalie hatte gehofft, dass sie und Didi wieder zusammenkommen, aber ich bin nicht sicher, ob sie sich das wünscht, weil sie Didi immer noch liebt. Ich glaube, es hat mehr damit zu tun, dass Pamela in Manhattan lebt und will, dass sie die Boutique dorthin verlegen. Didi ist Feuer und Flamme, aber Natalie nicht.«

      Kelly stöhnte. »Dyke Drama. Wollen wir hoffen, dass sich die nächsten zwölf Tage alle von ihrer besten Seite zeigen.«

      »Bisher sind sie sich noch nicht an die Gurgel gegangen.«

      »Das ist vermutlich ein gutes Zeichen.«

      Yvonne lachte, während sie wieder ein Stück vorwärtsrückten. »Es ist ein ziemlich gutes Zeichen, wenn du mich fragst. Ich hätte Didi wahrscheinlich längst gekillt, wenn sie nicht Natalies Freundin wäre.«

      »Ist sie so schlimm?«

      »Nein, eigentlich nicht. Meistens ist sie echt nett und unkompliziert. Aber sie ist der totale Fashion Victim. Ich wette, sie hat doppelt so viele Klamotten dabei wie alle anderen, und sie wird immer tadellos zurechtgemacht sein – ob sie beim Galadinner erscheint oder an der Poolbar sitzt. Sie sieht grundsätzlich umwerfend aus, und das weiß sie. Ihr Problem ist, dass sie ihre kritischen Anmerkungen in Sachen Mode nicht lassen kann, und das nervt manchmal.«

      »Manchmal?« Kelly sah an ihrem Outfit hinunter – ein weißes Baumwollhemd mit hochgekrempelten Ärmeln, olivgrüne knielange lässig-weite Shorts und Birkenstocks. »Dann wird sie mit mir ihren Spaß haben. Ich hätte eine meiner alten Navy-Uniformen anziehen sollen. Zumindest passen meine Shorts zu meinem Hemd.«

      Yvonne lachte und musterte sie von Kopf bis Fuß. »Ich finde, du siehst ganz passabel aus. Schließlich ist das hier eine Kreuzfahrt und keine Modenschau. Trag nur keine silberne Uhr mit goldenen Ohrringen wie Steph letztens, als wir zusammen aus waren. Didi hat sich gar nicht mehr eingekriegt.«

      Kelly zupfte an ihren Ohrläppchen, die nicht gepierct waren. »Die Gefahr besteht nicht. Glaubst du, sie möchte mein Tattoo sehen?«

      »Du hast ein Tattoo?«

      Kelly zog ihren Kragen beiseite und beugte sich vor, um Yvonne ein kleines schwarz-gelbes Motiv oben auf ihrem Schulterblatt zu zeigen.

      »Oh, Mann! Das musst du Steph zeigen. Ich will schon seit Jahren eines haben, aber sie ist dagegen.«

      »Das ist eine SeaBee, Abzeichen der Bautruppen der Navy. Eines Abends in Key West hat sich unsere ganze Einheit volllaufen lassen, und am nächsten Morgen sind wir allesamt dekoriert aufgewacht. Zum Glück hatte ich noch Verstand genug, mir eine kleine Variante auszusuchen.«

      Schließlich standen sie vorn in der Schlange und mussten sich kurz trennen, um an zwei verschiedenen Schaltern einzuchecken. Kelly ging zum Schalter ganz links und sah sich einer jungen Frau asiatischer Herkunft gegenüber, deren dunkle Uniform saß wie angegossen.

      »Herzlich willkommen auf der Emerald Duchess …«

      Kelly registrierte das vertraute Zögern, als die Angestellte – Kim aus Taiwan, wie ihr Namensschild verriet – darauf wartete, dass sie ihren Namen nannte.

      »Hallo, ich bin Kelly Ridenour … Kelly Ann Ridenour.« Ihre schlichte Kleidung, ihr kurzes Haar und ihr Verzicht auf Make-up und Schmuck ließ Fremde oft rätseln, welchem Geschlecht sie angehörte, zumal ihre Stimme tiefer war als die der meisten anderen Frauen.

      »Ist das Ihre erste Kreuzfahrt, Ms Ridenour?«

      »Die erste mit Emerald. Ich habe schon einige kürzere gemacht, als ich in Key West stationiert war. Ich freue mich schon auf die östlichen Karibik-Inseln.« Sie reichte der Frau ihre Reiseunterlagen und wartete, bis Kim den Check-in abgeschlossen hatte.

      »Das ist unsere beliebteste Route. Und wir haben extra für Sie perfektes Wetter beantragt.«

      »Großartig!« Und großartig war auch Kims Lächeln, in dessen Genuss Kelly nun kam. »Ich wette, Ihnen macht es Spaß, Menschen auf ihre Traumreise zu schicken.«

      »Insbesondere weil ich mit von der Partie sein werde.« Kim reichte Kelly ihre Visitenkarte. »Wenn Sie an Bord irgendeinen Wunsch haben, zögern Sie nicht, mich als Ihre Gästebetreuerin zu kontaktieren.«

      »Mache ich«, antwortete Kelly und fragte sich, ob »irgendein Wunsch« einschloss, mit Kim zu Abend zu essen. Sie ging in Richtung Gangway und wartete auf Yvonne. »Der Mann, bei dem du eingecheckt hast – hat er dir seine Visitenkarte gegeben?«

      Yvonne steckte ihre Reiseunterlagen ein und schlang sich die Kameratasche um die Schulter. »Ja, und er hat sogar gesagt, ich könnte mich an Bord an ihn wenden, wenn ich irgendeinen Wunsch hätte.«

      »Mist! Ich hatte gehofft, die Frau am Check-in flirtet mit mir.« Als sie das eindrucksvolle Atrium des Schiffes betraten, in dem noch ein mächtiger Weihnachtsbaum aufragte, holte Kelly tief und befriedigt Luft. Kim hin oder her – dies würde der beste Urlaub ihres Lebens werden.

      Yvonne fasste sie beim Ellenbogen und wies auf die Galerie zwei Decks über ihnen. »Ich werde mein Zeug in die Kabine bringen und checken, ob ihr Flieger schon gelandet ist. Dann können wir uns da oben treffen und zusehen, wie sie an Bord kommen.«

      Kelly grinste. »Ich werde da sein, mit einem Rum Runner in jeder