KG MacGregor

Liebe in Sicht


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ihre kurzfristige Entscheidung, diese Kreuzfahrt mitzumachen, sich nicht als kolossaler Fehler erweisen würde. Als Steph und Yvonne das erste Mal davon gesprochen hatten, eine zwölftägige Kreuzfahrt durch die östliche Karibik zu machen, klang das nach einer tollen Idee, aber je länger sie darüber nachdachte, desto größere Sorgen machte sie sich, ob sie es mit Didi und Pamela, dem frischverliebten Paar, so lange aushalten würde. Am Ende hatte sie beschlossen, sich zusammenzureißen und die Reise mitzumachen, weil sie lieber in Gesellschaft von Freundinnen in der Karibik unglücklich war als allein zu Hause bei Eis und Schnee.

      Nicht dass sie Pamela Roche nicht gemocht hätte. Die junge New Yorker Designerin war sich bewusst, dass sie es mit einer Ex-Geliebten und einer nicht ganz einfachen Situation zu tun hatte, als sie anfing, sich mit Didi zu treffen, und bei ihren regelmäßigen Besuchen im Laden war sie Natalie gegenüber stets reizend gewesen. Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass Natalie noch immer Gefühle für Didi hegte – Gefühle, auf denen jedes Mal herumgetrampelt wurde, wenn sie mit ansehen musste, wie die beiden miteinander turtelten, wie sie es in diesem Moment vorne in der Ersten Klasse taten.

      »Woran denkst du?«, fragte Steph und hakte sich bei Natalie unter. Großzügig wie immer hatte sie ihren Gangplatz für den Platz in der Mitte eingetauscht, so dass sie und Natalie nebeneinandersitzen konnten.

      Natalie seufzte. »Ich frage mich, ob das wirklich eine gute Idee ist.«

      »Natürlich ist das eine gute Idee. Nur eine Idiotin würde Schnee in Rochester dem sonnigen Strand von Barbados vorziehen.« Sie drückte ermutigend Natalies Arm. »Yvonne und ich fanden es toll, als du gesagt hast, dass du mitkommst. Du und ich werden jeden Laden in der ganzen Karibik durchstöbern, und wer weiß – vielleicht begegnet dir deine Traumfrau auf dieser Kreuzfahrt.«

      »Du meinst eine Frau, die reich ist und absolut hinreißend und mir zu Füßen liegen möchte?«

      Und als wäre es nicht genug, Didi und Pamela als verliebtes Pärchen zu ertragen, lag Didi ihr auch noch ständig in den Ohren, Natalie solle ihr ihren Anteil an der Boutique verkaufen, damit Didi nach New York übersiedeln könnte. Natalie hatte immer gewusst, dass Didi davon träumte, in Manhattan als Modepäpstin groß herauszukommen, und als ihre Lebensgefährtin hätte Natalie sie darin vielleicht am Ende unterstützt, aber sie war nicht bereit, einfach so zuzusehen, wie Didi sich endgültig aus ihrem Leben verabschiedete. Acht Jahre zuvor, als sie und Didi ein Paar wurden, hatte sie ihre gesamten Ersparnisse in Didis Traumprojekt gesteckt, von ihrem Arbeitseinsatz ganz zu schweigen. Und nun, wo das Unternehmen erfolgreich war, wollte sie ihren Triumph mit Didi genießen und dafür sorgen, dass ihrer beider Zukunft finanziell abgesichert war.

      »Bitte sag, dass Kelly nicht erst achtundzwanzig ist«, sagte sie in Anspielung auf Pamela und den Altersunterschied von vierzehn Jahren, der zwischen ihr und Didi bestand.

      »Sie sieht eher so aus, als wäre sie in unserem Alter. Sie arbeitet schon seit ein paar Jahren für die Stadtverwaltung, und davor hat sie in Buffalo gelebt.«

      »Wie habt ihr sie kennengelernt?«

      »Kelly hatte eine Knieverletzung und ist zur Physiotherapie zu Yvonne in die Klinik gekommen. Sie haben sich auf Anhieb gut verstanden und sich bald auch privat getroffen.« Steph sah auf die Büchertasche zu ihren Füßen. »Falls du anfangen solltest, dich zu langweilen, kann ich dir ein paar von meinen Lesbenromanen leihen. Eine heiße Liebesschmonzette ist nicht zu toppen.«

      »Bloß nicht!«, wandte Natalie ein und wies mit dem Kopf auf die Erste Klasse. »Die beiden reichen mir vollauf!«

      Steph erhob sich halb, um zu Didi und Pamela hinüberzusehen. »Wie kommt es eigentlich, dass die beiden Erster Klasse fliegen? Ich dachte, wir hätten alle zusammen gebucht?«

      »Didi hat noch mal angerufen und mit ihren Vielfliegermeilen ein Upgrade herausgehandelt«, antwortete Natalie. »Sie meinte, sie hätte keine Lust, ihren Urlaub zu ruinieren, indem sie Holzklasse fliegt. Ich hoffe, dass wir dieses Divengehabe nicht die ganze Zeit über ertragen müssen. Das habe ich schon tagtäglich auf der Arbeit.« Sie hoffte sogar, dass sie den Turteltauben so viel wie möglich aus dem Weg gehen konnte, obwohl sie nichts dagegen hätte, hin und wieder mit Didi allein zu sein. Wer weiß – vielleicht würde es ihr sogar gelingen, sie zur Einsicht zu bringen.

      Steph beugte sich über sie, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen, als das Flugzeug die Küstenlinie überquerte und durch eine der wogenden weißen Wolken stieß, die den Himmel über Miami tupften. »Sind wir schon da?«

      »Gleich.« Sie klopfte Steph liebevoll auf den Rücken.

      Steph und Yvonne waren ihre liebsten Freundinnen; sie hatten ihr praktisch das Leben gerettet, indem sie sie zwölf Jahre zuvor ermutigten, von Pascagoula nach Rochester überzusiedeln. Mississippi sei kein Ort für Lesben, hatten sie gesagt, und das wussten sie alle aus ihrer College-Zeit an der Ole Miss, der Universität von Mississippi. Dem Himmel sei Dank für Yvonnes Softball-Stipendium und ihre anschließende Rückkehr ins heimatliche Rochester, wohin Steph und Natalie ihr gefolgt waren und ein neues Leben begonnen hatten. Abgesehen davon, dass die Leute sie tagtäglich wegen ihres Südstaaten-Dialekts anpflaumten, fühlte Natalie sich in Upstate New York vollkommen zu Hause.

      Als das Flugzeug gelandet war, sah Natalie auf die Uhr und stellte fest, dass sie zwar vierzig Minuten Verspätung hatten, dass aber immer noch genug Zeit blieb, das Schiff zu erreichen. Nicht schlecht in Anbetracht ihrer Zweifel am Morgen, ob es ihnen wegen des Schneefalls überhaupt gelingen würde, in Rochester loszufliegen.

      Didi und Pamela warteten schon in der Lounge, als sie über die Fluggastbrücke ausstiegen. Beide hatten sich mächtig in Schale geworfen – sie trugen elegante Hosen aus feinem Wollstoff, schicke Pullover und erlesenen Schmuck und – für Natalies Geschmack – eine Spur zu viel Make-up. Pamelas Outfit war auf eine mädchenhafte Figur zugeschnitten – tiefe Taille und enganliegendes Oberteil –, was den Altersunterschied zwischen ihr und Didi noch zu betonen schien. Oder vielleicht war Natalie auch nur erbittert, dass ihre Ex mit einer so viel jüngeren Frau liiert war.

      »Wir hatten absolut köstliche Shrimps in Hummersauce«, rief Didi ihnen entgegen. »Habt ihr da hinten auch was Gutes zu essen bekommen?«

      »Sehr witzig. Wir haben uns einen Granola-Riegel geteilt und ihn mit einer Flasche Wasser runtergespült.« Steph streckte die Hand aus und zerstrubbelte Didis perfekte Frisur. »Wo wir gerade beim Thema sind: Die nächsten zwölf Tage esse ich, wozu ich Lust habe, und ich will keine blöden Bemerkungen darüber hören. Ich habe einen ganzen Monat lang Salat gegessen, damit ich jetzt richtig schwelgen kann.«

      »Ich finde, du siehst großartig aus«, sagte Natalie, und ihr fiel wieder ein, wie Didi sich früher immer bei ihr beklagte, wenn sie anderen Komplimente gemacht hatte. Steph war es nicht leichtgefallen, sich über Thanksgiving und Weihnachten die ganzen zusätzlichen Kalorien zu versagen, damit sie die reichhaltige Küche an Bord ohne Schuldgefühle genießen konnte, und dafür verdiente sie ein großes Lob. »Du hast wirklich noch nie besser ausgesehen.«

      Sie gingen inmitten der anderen Fluggäste zur Gepäckausgabe und waren kaum angelangt, als das Karussell sich auch schon zu drehen begann. Gepäckstücke, die Kreuzfahrtpassagieren gehörten, waren bereits mit entsprechenden Anhängern versehen, so dass man sie direkt zu den Kabinen bringen würde. Sie mussten sie nur vom Band nehmen und auf den Gepäckwagen neben dem Angestellten der Kreuzfahrtgesellschaft stellen.

      Natalie erspähte ihre braune Hartmann-Tweedtasche und schob sich näher an das Gepäckkarussell. Sie streckte gerade die Hand nach dem Griff aus, als Didis Hand plötzlich aus dem Nichts auftauchte und sie ihr vor der Nase wegschnappte. »Das ist meine, Nat. Ich habe mir schon gedacht, dass du deine auch dabeihast, und deshalb habe ich eine Schleife um den Griff gebunden.«

      Verdrossen trat Natalie einen Schritt zurück. Koffer und Taschen aus derselben Gepäcklinie zu haben schien damals, drei Jahre zuvor, als sie noch ein Paar waren, eine gute Idee zu sein. Jetzt war es nur noch eine bittere Erinnerung an eine Beziehung, die in die Brüche gegangen war.

      »Hier ist deine, Natalie«, rief Pamela munter. »Ich nehme sie für dich herunter.« Sie wuchtete die Tasche vom Band und