KG MacGregor

Liebe in Sicht


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neue Geliebte hatte. »Ich habe noch eine von der Sorte – falls du sie siehst …«

      »Didi auch. Und sie hat auch ihren großen Kleidersack dabei.«

      Na klar, was sonst. Ohne ihren halben Kleiderschrank ging Didi nirgendwohin. Natalie beschloss, vom Band zurückzutreten und es Pamela zu überlassen, sich die Taschen zu schnappen. Sie biss sich auf die Zunge, um Didi nicht zu beglückwünschen, dass sie jemanden gefunden hatte, die ihr in den goldenen Jahren beistehen würde. »Wir haben es verdient, es uns die nächsten zwölf Tage gutgehen zu lassen, Didi. Wir haben kaum Urlaub gemacht im letzten Jahr.«

      »Es war ein gutes Jahr«, sagte Didi. »An der Eighth Avenue hätte es allerdings noch besser sein können.«

      Natalie seufzte. »Lassen wir das Thema, okay? Lass uns einfach nicht davon sprechen, solange wir im Urlaub sind.«

      »Unter einer Bedingung«, erwiderte Didi und sah ihr in die Augen. »Du versprichst mir, dass wir ernsthaft darüber reden, wenn wir wieder zu Hause sind. Und ich meine damit nicht, dass ich dir wieder meinen Vorschlag unterbreite und du wieder einfach nein sagst. Ich meine damit, dass wir uns ernsthaft zusammensetzen und besprechen, unter welchen Umständen du ja sagst. Ich bin bereit, dir für deine Hälfte der Boutique ein großzügiges Angebot zu machen, aber das kann ich nur, wenn du mir auch zuhörst.«

      Was Natalie anging, so würde ein wirklich großzügiges Angebot einschließen, dass Didi Pamela den Laufpass gab und zu ihr zurückkehrte. Welche Differenzen sie auch gehabt hatten, sie konnten einen Neuanfang machen und für alles eine Lösung finden. Sobald ihre Beziehung wieder im Lot war, würde Natalie sogar in Erwägung ziehen, das Geschäft nach New York zu verlegen. »Wir werden darüber sprechen.«

      »Versprochen?«

      »Versprochen«, sagte sie schroff und fühlte sich wegen ihres Tons sofort schuldig. »Ich verspreche, dass wir uns zusammensetzen, wenn wir wieder in Rochester sind. Aber während dieser Reise wollen wir uns mit unseren Freundinnen amüsieren.« Sie bückte sich und griff nach ihrer Tasche.

      »Das ist meine.«

      »Ist es nicht. Deine hat die –« Sie nahm das Schild genauer in Augenschein und verglich die Kabinennummer. »Verdammt!«, fluchte sie innerlich. Nicht genug, dass sie zusammen auf Kreuzfahrt gingen. Didi und Pamela hatten auch noch die Kabine direkt neben ihrer.

      2

      Kelly nickte anerkennend, als sie die Kabine betrat, die mit Einbaumodulen in rotbraunem Kirschholz zweckmäßig ausgestattet war. Zu ihrer Rechten befand sich ein kleines Bad mit Toilettennische und Duschkabine. Auf den Doppelbetten, die durch einen Nachttisch getrennt waren, lagen freundlich aquamarinblaue Überdecken, die zu den Vorhängen der Tür passten, die zum Balkon hinausführte. Eine kleine Couch und ein Tischchen standen an der Wand zwischen den Betten und der Glasschiebetür. An der gegenüberliegenden Wand befanden sich ein Schminktisch, eine Kommode und ein Schreibtisch, über dem ein kleiner Fernseher hing.

      Die Kabine war kaum geräumig zu nennen, bot aber mehr Raum, als die Navy vier Besatzungsmitgliedern an ihrem Stützpunkt in Key West zugestanden hatte. Kelly zog den Reißverschluss ihres Seesacks auf, nahm ihren Toilettenbeutel heraus und stellte ihn auf das Regal neben dem Waschbecken. Sie lächelte, hielt ihre Hand unter den Wasserhahn und glättete den Haarwirbel über ihrer Stirn.

      Dann räumte sie methodisch ihre Kleidung ein, sortierte Unterwäsche und Pyjamas hierhin, Strand- und Sportsachen dorthin. Anschließend zog sie drei frischgestärkte weiße Hemden hervor, die fein säuberlich in einem Wäschesack eingerollt waren, um sie vor Knitterfalten zu schützen. Die letzten Dinge – Khaki-Chinos, legere Denimjeans, zwei Stoffhosen, einen Abendanzug und eine schwarze Seidenweste – waren ebenso sorgsam verstaut gewesen und vollkommen knitterfrei.

      Sie hängte einiges in den Schrank, legte den Rest in die große unterste Kommodenschublade und ließ die oberen drei frei. Sie dachte sich, dass Natalie, ihre Kabinengenossin, den zusätzlichen Platz sicher zu schätzen wüsste – und die Bequemlichkeit, sich auf engstem Raum nicht bücken zu müssen. Natalie sollte sich auch aussuchen, welches Bett sie gern haben wollte.

      Ihre letzte Tat – auf die sie sich am meisten gefreut hatte – bestand darin, ihre Uhr abzunehmen und sie auf die Frisierkommode zu legen. Während der nächsten zwölf Tage würde Zeit keine Rolle für sie spielen.

      Sie vergewisserte sich, dass sie ihre Schlüsselkarte einstecken hatte – die sie auch brauchte, um an Bord zu bezahlen und nach einem Landgang wieder an Bord zu gehen – und stieg die zwei Treppen hinunter zur Galerie des Internetcafés, die sich um das große Atrium zog. Yvonne stand schon an der Reling und beobachtete die Neuankömmlinge, wie sie an Bord kamen.

      »Ist ihre Maschine gut gelandet?«

      »Ja, ich habe gerade mit Steph gesprochen. Sie sind vor ungefähr einer Stunde gelandet und stiegen gerade am Ablegeterminal aus dem Bus. Sie müssten jeden Moment auftauchen.«

      Kelly beugte sich vor, als zwei Frauen an Bord kamen. »Na, das ist ja das schrägste Paar, das ich je gesehen habe.« Die eine hatte knallrotes Haar und schäumte geradezu über vor Aufregung und Ehrfurcht. Die andere, gesetzt und mit braunem Haar, war beträchtlich jünger und zurückhaltender. Sie war schwer beladen mit Handgepäck, einschließlich einer riesigen Fototasche, aus der ein vertrautes Buch herauslugte. »Habe ich das Buch nicht letztens auf deinem Küchentresen liegen sehen?«

      Yvonne kniff die Augen zusammen. »Ich glaube, Steph hat das. Eine dieser Anthologien lesbischer Erotik.«

      »Dann können wir wohl davon ausgehen, dass die beiden zur Familie gehören.«

      »Sehe ich auch so. Ein echt schräges Pärchen.«

      Kelly fiel die Kinnlade herunter, als eine wohlgeformte Frau mit langen blonden Haaren an Bord kam. »Bitte sag, dass das Natalie ist.«

      Yvonne schnaubte. »Nicht ganz.«

      Eine zweite Frau, elegant, Mitte vierzig, schätzte Kelly, deren kurzes Haar blonde Highlights aufwies und modisch gestylt war, tauchte aus dem Durchgang auf und trat neben sie.

      »Die Jüngere ist Pamela, und die andere, die aussieht, als warte sie auf jemanden, der sie die Stufen zum Thron hinaufträgt, ist Didi.«

      »Ich muss schon sagen, ein eindrucksvolles Paar«, erwiderte Kelly, als die beiden Frauen in einen Fahrstuhl traten und aus ihrem Blickfeld verschwanden.

      »Wenn du Pamela angräbst, bringt Didi dich um.«

      Kelly lachte. »Ich betrachte mich als gewarnt.«

      »Da kommt deine Kabinengenossin.« Yvonne winkte und versuchte die Aufmerksamkeit der beiden Frauen, die eben das Atrium betraten, auf sich zu lenken, aber vergeblich.

      Kellys Blick ging erst zu Steph, dann zu einer großen Frau mit kurzem schwarzem Haar. »Natalie sieht aus wie eine Läuferin.«

      »Das ist nicht Natalie«, sagte Yvonne, als ein Mann erschien und die große Frau beim Arm ergriff. »Natalie ist die in dem beigen Pullover.«

      Kelly blickte ein Stück weiter zu einer schlanken Frau mit üppigem rotbraunem Haar, das ihr bis auf die Schultern fiel und ihr Gesicht einrahmte. Aus der Entfernung von zwei Stockwerken sah Natalie recht attraktiv aus, stach aber nicht so ins Auge wie Pamela oder Didi. Sie wäre noch hübscher gewesen, wenn sie nicht so grimmig dreingeschaut hätte. »Sieht sie immer so glücklich aus?«

      »Um die Wahrheit zu sagen: Sie ist in letzter Zeit ziemlich knatschig wegen Didi. Ich hoffe bloß, dass es durch diese Reise nicht noch schlimmer wird.«

      »Warum macht sie die Kreuzfahrt dann überhaupt mit?«

      Yvonne zuckte die Achseln. »Sie und Didi arbeiten ja immer noch tagtäglich zusammen, deshalb glaubt sie vermutlich, sie kriegt das mit dem gemeinsamen Urlaub schon hin. Außerdem sind sie und Steph beste Freundinnen. Ich wundere mich, dass du nicht mich als Kabinengenossin bekommen hast.«

      Ihren hängenden Schultern nach zu schließen, war Natalie nicht nur knatschig, sondern auch noch müde. Außerdem sah sie aus wie jemand,